Essay
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (11/11)
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (11/11)
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (11/11)
Mit Ausgangspunkt in der Beschreibung der Spuren, die das deutsche Kaiserreich im heutigen Apenrade hinterlassen hat, fasst Kurt Seifert in einem persönlichen Essay das dänisch-deutsche Kulturerbe des Grenzlandes ins Auge. Seine Ausführungen hat er für die diesjährige Ausgabe des Jahrbuches des stadthistorischen Vereins in Apenrade geschrieben.
Willkommen in Apenrade …
Mein Durchgang hat gezeigt, dass es im heutigen Apenrade noch viele sichtbare Spuren aus der Kaiserzeit gibt. Nicht alles wurde also „herabgewürdigt, abgerissen oder umgebaut“. Die Herausforderung besteht jetzt darin, auch in Zukunft dieses – zeitweise unbequeme, aber gleichzeitig einzigartige – dänisch-deutsche Kulturerbe zu bewahren.
Das Museum Sønderjylland sagt hierzu Folgendes:
„Genau wie in anderen europäischen Grenzregionen stehen wir nicht nur mit der Verantwortung für unser eigenes Kulturerbe, sondern auch für das „der anderen“. Überall gilt, dass das Kulturerbe „der anderen“ auf einmal im Laufe der Geschichte ein Teil des gemeinsamen Kulturerbes geworden ist und ein Kulturerbe von besonderer Bedeutung, weil es den Vergleich unserer eigenen Kultur und Geschichte mit der anderen zulässt. Das Museum Sønderjylland sieht deshalb dieses schwierige Kulturerbe im dänischen Zusammenhang als eine einzigartige Möglichkeit, „Kulturerbe zu einem echten, mehrkulturellen und -nationalen Begriff zu entwickeln“. (Dragsbo, S. 5).
Das Museum Sønderjylland bezieht sich hier primär auf das materielle Kulturerbe. Es gibt im heutigen Grenzland jedoch unendlich viele Beispiele für Spuren aus der Kaiserzeit, die nicht in Stein gemeißelt sind.
Die deutsche Minderheit, die im Jahr 2020 ihren 100. Geburtstag feiern konnte, hat Wurzeln in der Kaiserzeit – aber ihren eigentlichen Ursprung in der langen, gemeinsamen dänisch-deutschen Geschichte des Herzogtums Schleswig. Vieles, was wir heute als „typisch nordschleswigsch“ bezeichnen, ist gleichen Ursprungs.
Deutsche Bräuche, besonders an Feiertagen, sind auch von dänischen Familien übernommen worden. Auch „e’ sproch“, also das „Sønderjysk“, hat vielleicht seine Verbreitung und seine Eigenart dank der 56-jährigen Isolation vom Reichsdänischen und den Einflüssen des (Platt-)Deutschen bewahren können. Die nordschleswigsche Kaffeetafel, das Skatspiel, die freiwillige Feuerwehr, verschiedene lokale Gerichte, Schlachterwaren sowie nicht zu vergessen der nordschleswigsche Nationalsport, das Ringreiten, gehören ebenfalls dieser Kategorie an.
Der Apenrader Amtsringreiterverein wurde 1896 unter dem deutschen Namen „Kreisringreiterverein Apenrade“ gegründet, aber als Verein, der sich nationalpolitisch neutral hielt. Wenn die Erkennungsmelodie der Ringreiter, der Fehrbelliner Reitermarsch, traditionsgemäß jedes Jahr im Juli von der Apenrader Brassband gespielt wird, singe ich – wohlgemerkt nur in Gedanken – dazu den in Deutschland weitverbreiteten Text „Wir wollen unser´n alten Kaiser Wilhelm wieder haben …“. Obwohl es im heutigen Apenrade wohl kaum jemanden gibt, der dieses ernsthaft möchte, trägt der Ringreitermarsch doch mit dazu bei, uns an unsere gemeinsame Geschichte zu erinnern, die 2020 sogar Dänemark, Deutschland und die Minderheiten dazu veranlasste, einen Antrag zur Aufnahme des Grenzlandes in die Liste des immateriellen Unesco-Welterbes zu stellen.
Hier in Apenrade haben wir es selbstverständlich nicht nötig, den Schutz unserer Geschichte der Unesco zu überlassen. Wir können selber vieles tun. Und einiges ist schon getan.
Die vielleicht älteste Spur aus der Kaiserzeit in Apenrade, die Friedenseiche (fredsegen), die nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870 bis 1871 auf dem Südermarkt (Søndertorv) gepflanzt – und 1945 gefällt – wurde, ist in all ihrer grünen Pracht „wiederauferstanden“. Gebäude aus der Kaiserzeit sind unter Denkmalschutz gestellt und ein Platz in der Stadt ist nach einem deutschen Reeder benannt worden, der nicht den Ruf hatte, besonders dänenfreundlich zu sein. Auch das gemeinsame dänisch-deutsche Medienhaus an der Schiffbrücke und die Tatsache, dass man im Genforeningsparken am Folkehjem einen Platz für ein Zitat des ehemaligen Hauptvorsitzenden des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hans Heinrich Hansen, gefunden hat, zeigt den heutigen, vorurteilsfreien Umgang mit der Geschichte.
Ganz so national entspannt scheint die Lage aber nicht zu sein, wenn es um zweisprachige Ortsschilder geht. Meiner Meinung nach erfordern das Aufstellen von Schildern mit sowohl Aabenraa als auch Apenrade an den Einfallstraßen eine breite Akzeptanz „im Volke“ – sowohl in der Mehrheit als auch in der Minderheit – sowie eine qualifizierte Mehrheit im Stadtrat.
Bereits im August 2019 habe ich allerdings mit Interesse registriert, dass Verkehrsteilnehmer an der elektronischen Informationstafel am Flensborgvej mit dem Text „Willkommen in Apenrade“ begrüßt werden. Die Stadt hat also die mehrsprachige, digitale Zukunft bereits eingeläutet. Könnte man nicht auch diesen kommunalen Service auf die QR-Tafeln im Genforeningsparken ausweiten, sodass das Verständnis für Nordschleswigs spannende Geschichte in beiden Sprachen des Grenzlandes gefördert wird?
Eine zweisprachige QR-Beschilderung nach obengenanntem Vorbild an dem neu renovierten Marktplatz oder an der Hafenpromenade in der Nähe des Zollgebäudes und des Michael Jebsen Platzes wären ein weiterer, passender Schritt in diese Richtung.
Es gibt genug zu tun. Packen wir’s an.