Essay
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (9/11)
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (9/11)
Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (9/11)
Mit Ausgangspunkt in der Beschreibung der Spuren, die das deutsche Kaiserreich im heutigen Apenrade hinterlassen hat, fasst Kurt Seifert in einem persönlichen Essay das dänisch-deutsche Kulturerbe des Grenzlandes ins Auge. Seine Ausführungen hat er für die diesjährige Ausgabe des Jahrbuches des stadthistorischen Vereins in Apenrade geschrieben.
Apenrade/Aabenraa
1920 wurde Apenrade zu Aabenraa. Aber auch alle Straßen, Wege und Plätze der Stadt sollten ja umgetauft werden. Der Vorschlag, während einer Übergangszeit sowohl die deutschen als auch die dänischen Namen beizubehalten, wie es in Tondern der Fall war, wurde vom Stadtrat verworfen. Dort, wo es eine dänische Bezeichnung aus der Zeit von vor 1864 gab, war die Namensgebung einfach. Straßen, die in deutscher Zeit angelegt worden waren, bereiteten jedoch Schwierigkeiten, die manchmal zu hitzigen Diskussionen führen konnten.
So dauerte es fast ein Jahr, bis die Feldstrasse zur Lavgade wurde. Es endete damit, dass nur die Forstallé ihren deutschen Namen behalten durfte. Die Namen der Ausfallstraßen der Stadt nach Norden und Süden, Norder Chaussé und Süder Chaussé, wurden lediglich in das eher dänisch klingende Nørre und Sønder Chaussé übersetzt.
Aber auch das Fremdwort „chaussé“ kam später in die Kritik. Erst 1940 und dann 1949, als es Bürgermeister Georg Buchreitz gelang, im Stadtrat eine Mehrheit für die neuen dänischen Namen Haderslevvej und Flensborgvej zu finden. Etwas überraschend erregte diese Namensgebung aber Widerstand von nationaldänischer Seite. Die Tageszeitung „Heimdal“ protestierte mit dem Argument, dass es eine typisch deutsche Tradition sei, „Straßen nach deren Zielort zu benennen“ (Becker-Christensen und Witte, S. 215). Ein weiterer Versuch von Buchreitz, einen Teil der Forstallé in Søstvej umzutaufen, traf auf so viel Widerstand aus der Bevölkerung, dass dieser Gedanke wieder aufgegeben werden musste.
Während der Kaiserzeit war es völlig undenkbar, Straßen oder Plätze nach dänisch gesinnten Persönlichkeiten der Stadt zu benennen. Genauso undenkbar schien es, nach 1920 Deutschgesinnte auf diese Art und Weise zu ehren.
Trotzdem gibt es heute – neben der Forstallee – noch einen weiteren Straßennamen, der an die deutsche Geschichte Apenrades erinnert. 2005 entschied der Stadtrat – auf Initiative des ehemaligen Bürgermeisters Jørgen Witte – dass die Zeit gekommen sei, die Tätigkeit der Familie Jebsen in Apenrade zu würdigen. Bürgermeister Poul Thomsen taufte – sozusagen – als „umgekehrter Buchreitz“ den Platz zwischen Schiffbrückstraße (Skibbrogade) und Schiffbrücke (Skibbroen) „Michael Jebsens Plads“.
Nach Jebsens Rivale, H. P. Hanssen (1862-1936), wurde bereits 1947 die damalige Havnegade benannt. Die dänische Seite ist hier in der Stadt durch Passagen (sogenannte Gänge) vertreten. Sie verdanken ihren Namen dem Reichstagsabgeordneten J. P. Junggreen (1827-86) und dem Redakteur Frederik Fischer (1809-71).
Frederik Fischer, der auch im neuen „Genforeningsparken“ geehrt wird, war Bannerträger im Kampf für den dänischen Stadtnamen „Aabenraa“. Obwohl es dem dänisch gesinnten Bürgermeister Lunn nach dem Ersten Schleswigschen Krieg (dän. Treårskrigen, 1848-1850) gelang, im Stadtrat eine Mehrheit für „Aabenraa“ zu erzielen, wurde es noch 1854 der Stadt von staatlicher Seite in Kopenhagen auferlegt, „ausschließlich die Form Apenrade zu benutzen“, welches seit 1544 der offizielle Name der Stadt war – erst als Teil der Fürstentümer Schleswig-Holstein-Gottorf und danach in der Zeit, als die Fürstentümer aus der dänischen Hauptstadt – auf Deutsch – verwaltet wurden. Erst 1861 erkannten das Ministerium, das Amt und die Zollverwaltung letztendlich den dänischen Namen „Aabenraa“ an.
Der Pionier Fischer, der 1871 starb, musste so miterleben, dass sein erfolgreicher Einsatz für den Namen „Aabenraa“, für den er so lange gekämpft hatte, nur bis 1864 Bestand hatte, als die Preußen der Stadt wieder ihren deutschen Namen zurückgaben.
Rückblickend habe ich Respekt und Sympathie für den Kampf von Fischer und anderen dänisch Gesinnten für „Aabenraa“. Kein Verständnis ist allerdings für die heutigen „Debatteure“ aufzubringen, die in sozialen Medien oder Leserbriefen aus voller Überzeugung beziehungsweise Unwissenheit „Apenrade“ und andere deutsche Ortsnamen zu preußischen Erfindungen von 1864 machen. Hier zeigt sich, dass heute nicht nur historische Bauten, sondern auch dito Wahrheiten als „unbequem“ in Erscheinung treten können.