Essay

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (3/11)

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (3/11)

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (3/11)

Kurt Seifert
Apenrade/Aabenraa
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Kaiser Wilhelm II. Foto: DN

Mit Ausgangspunkt in der Beschreibung der Spuren, die das deutsche Kaiserreich im heutigen Apenrade hinterlassen hat, fasst Kurt Seifert in einem persönlichen Essay das dänisch-deutsche Kulturerbe des Grenzlandes ins Auge. Seine Ausführungen hat er für die diesjährige Ausgabe des Jahrbuches des stadthistorischen Vereins in Apenrade geschrieben.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors hat „Der Nordschleswiger“ den Aufsatz ins Deutsche übersetzt. Wir bringen seine Ausführungen in den kommenden Wochen als elfteilige Reihe.

Teil 3/11

Kurt Seifert (Jahrgang 1950) ist gebürtiger Apenrader. Er hat an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg ein Lehramtsstudium absolviert. Seifert war von 1974 bis 1989 zunächst als Lehrer an der Deutschen Nachschule Tingleff tätig und wechselte anschließend an die Deutsche Privatschule Apenrade. Von 2007 bis zu seiner Pensionierung war er als kommunaler Ausbildungsberater zuständig für die Schüler des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig.

Kurt Seifert ist ehemaliges Stadtratsmitglied der Schleswigschen Partei in Apenrade und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Dachorganisation der deutschen Minderheit, Bund Deutscher Nordschleswiger.

Die Kreisbahn

Die Kreise trugen u. a. die Verantwortung für den Bau und den Betrieb des Kleinbahnsystems, das um 1900 in Teilen des Kaiserreiches errichtet wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte der Personen- und Güterverkehr hauptsächlich mit der Nord-Süd-Bahn von Flensburg nach nach Vamdrup („Den jyske Længdebane“) oder über den Seeweg.

Der Kreis Apenrade errichtete zwei Kleinenbahnlinien, die so ungefähr quer zur Hauptbahn verliefen und so das Hinterland erschlossen: die eine Richtung Südost nach Gravenstein (Gråsten) und die andere nordwestlich nach Lügumkloster (Løgumkloster).

Der Apenrader Kleinbahnhof, der gegenüber dem Kreishaus lag, wurde – als dänischer Omnibusbahnhof – 1965 abgerissen und durch einen „weniger geglückten Neubau im Funkisstil“ (Wilcke, S. 244) ersetzt. Heute befinden sich dort der Supermarkt Løvbjerg und das „Opnørhuset“.

Auch die Kleinbahnbahnhöfe Nordertor (Nørreport – am Cimbriapark) und Südertor (Sønderport) sind heute verschwunden. Die Bahn musste bereits 1926 stillgelegt werden, als die Konkurrenz durch Lastwagen und Busse zu groß wurde. „E´ Kleinbahn“ lebt heute nur noch in den kleinen Geschichten über die kringelige Trassenführung, die Langsamkeit der Züge und die Probleme der Lokomotiven, die Waggons die Steigung zum Lundsberg (Lundsbjerg) hinauf zu ziehen.

Wiederverwendete Eisenbahnschienen am Jürgensgaard. Auf der anderen Straßenseite sieht man den Knappsteig. Foto: Kurt Seifert

Die Bahn hat jedoch Spuren in der Landschaft hinterlassen. Die markanteste ist der Knappsteig (Knapstien), die Bahnlinie über Stollig und Schauby (Skovby) nach Loit (Løjt) mit dem Viadukt bei Stentoft und der permanenten Haltestelle beim Restaurant Knapp.

Vor einigen Jahren habe ich bei Frost und Schnee noch sehen können, wo die Schwellen damals auf dem Steig platziert waren. Teile der Kleinbahnschienen dienen heute am Jørgensgaard als Absperrung des Langevad/Jørgensmaj für den rollenden Verkehr.

Amtskrankenhaus mit Tuberkulosehospital, Bjerggade 4. Ehemaliges Kreiskrankenhaus, errichtet 1892 in hanseatisch neugotischem Stil (Ansichtskarte) Foto: Privatbesitz

Das Kreiskrankenhaus

Zu den wichtigsten Aufgaben der Kreise gehörte der Krankenhausbetrieb. Es wurden Kreiskrankenhäuser in den vier nordschleswigschen Städten eingerichtet. Das Krankenhaus in Apenrade wurde 1892 errichtet. Im Krankenhaus „Lexicon für das Deutsche Reich“ von 1900 wird es auf der Seite 15 wie folgt beschrieben: „Kreis-Krankenhaus. Station für Tuberkulöse von der Invaliditäts- und Altersversorgungs-Anstalt Schleswig-Holstein (…) 60 Betten (…) Verpflegungssatz 2 M für den Tag.“

Die Tuberkulosestation ist anscheinend ein besonderes Kennzeichen für das Krankenhaus in Apenrade gewesen. Nach damaligen Quellen forderte die sehr ansteckende Tuberkulose jährlich im Deutschen Reich 160.000 Todesopfer. Damals wie heute galt es, die Infektionsketten durch hygienische Maßnahmen zu unterbrechen.

Das Klinische Jahrbuch aus dem Jahre 1912 beschreibt die Probleme, die es mit der Aufrechterhaltung des erforderlichen Hygienestandards gab. In den Hospitälern benutzte man allgemein mit Wasser gefüllte Spucknäpfe aus Porzellan. Es erwies sich jedoch als praktisch unmöglich, nach jeder einzelnen Leerung eine Desinfektion vorzunehmen. Hierfür hatte das Kreiskrankenhaus in Apenrade eine Lösung gefunden. Das Jahrbuch berichtet auf Seite 193: „Im Apenrader Krankenhaus wurden Spucknäpfe aus gepresstem Papier verwandt, die in Brusthöhe an der Wand aufgehängt und nach Benutzung verbrannt wurden.“ Ein recht fortschrittliches Beispiel für die Anwendung von Einwegmaterialien – aus der Zeit von vor Abena.

Heute ist die Schule für Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitsbereich  (Social- og Sundhedsskole, kurz: SOSU-Skole) in dem ehemaligen Krankenhausgebäude untergebracht, das aber teilweise umgebaut und heute stark von späteren Anbauten geprägt ist. An die Tuberkulosestation, die 1984 abgerissen wurde, erinnere ich mich wegen meiner regelmäßigen TB-Kontrollen mit Röntgenstrahlen, allgemein damals nur „gennemlysning“ genannt.

Quellen:

Literaturliste

Alle Informationen zu Architektur und Baukultur stammen aus Dragsbo, Peter: En fælles kulturarv. Tyske og danske bygninger i Sønderjylland 1864-1920, Sonderburg 2011.

Zusätzliche Quellen:

Aabenraa Bys Historie:
Becker-Christensen, Henrik und Witte, Jørgen, Band IV, 1945-1970, Apenrade 1985
Hvidtfeldt, Johan und Iversen, Peter Kr. (Red.), Band II, 1721-1864, Apenrade 1967
Hvidtfeldt, Johan und Iversen, Peter Kr. (Red.), Band III, 1864-1920, Apenrade 1967

Dansk Biografisk Leksikon, 3. Ausg. 1979-84, hier www.biografiskleksikon.lex.dk

Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiet der Hygiene, Band 27-28, Braunschweig 1912

Jebsen, H. M.: Hundert Jahre Lensnack 1909-2009, private Veröffentlichung

Krankenhaus-Lexicon für das deutsche Reich, Berlin 1900, hier https://archive.org/details/krankenhauslexik-00gutt/page/11/mode/1up?q=Apenrade

Meyers Großes Konversationslexikon, Leipzig und Wien 1907

Rasmussen, René: Ringridning i Aabenraa gennem 100 år, Apenrade 1995

Sønderjylland A-Å, Apenrade 2011

Wilcke, Birger: Æ Kringelbahn, Kopenhagen 1982

Aabenraa Kommune: https://www.aabenraa.dk/oplev/genforeningen-2020/genforeningsparken/gen…

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