Essay

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (10/11)

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (10/11)

Die Spuren der Kaiserzeit in Apenrade (10/11)

Kurt Seifert
Apenrade/Aabenraa
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Kaiser Wilhelm II. Foto: DN

Mit Ausgangspunkt in der Beschreibung der Spuren, die das deutsche Kaiserreich im heutigen Apenrade hinterlassen hat, fasst Kurt Seifert in einem persönlichen Essay das dänisch-deutsche Kulturerbe des Grenzlandes ins Auge. Seine Ausführungen hat er für die diesjährige Ausgabe des Jahrbuches des stadthistorischen Vereins in Apenrade geschrieben.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors hat „Der Nordschleswiger“ den Aufsatz ins Deutsche übersetzt. Wir bringen seine Ausführungen in den kommenden Wochen als elfteilige Reihe.

Teil 10/11

Kurt Seifert (Jahrgang 1950) ist gebürtiger Apenrader. Er hat an der Pädagogischen Hochschule in Flensburg ein Lehramtsstudium absolviert. Seifert war von 1974 bis 1989 zunächst als Lehrer an der Deutschen Nachschule Tingleff tätig und wechselte anschließend an die Deutsche Privatschule Apenrade. Von 2007 bis zu seiner Pensionierung war er als kommunaler Ausbildungsberater zuständig für die Schüler des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig.

Kurt Seifert ist ehemaliges Stadtratsmitglied der Schleswigschen Partei in Apenrade und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Dachorganisation der deutschen Minderheit, Bund Deutscher Nordschleswiger.

Dänische Spuren

Das preußische Wahlrecht teilte die Stimmberechtigten in drei Steuerklassen auf. Jede bekam im Landtag, in den Kreistagen und im Stadtrat ein Drittel der Abgeordnetensitze – egal wie viele Stimmen die jeweilige Klasse repräsentierte. Diese Aufteilung machte es dem dänischen Teil der Bevölkerung sehr schwer, gerecht vertreten zu werden. Obwohl das Dänentum in den umliegenden Gemeinden deutlich in der Mehrheit war, blieb der Kreistag deutsch dominiert. Stadtrat und Magistrat waren rein deutsch.

Die Volkszählungen von 1905 und 1910 zeigen, dass es in der Stadt Apenrade selbst fast gleichviele deutsch- und dänischsprachige Bürger gab. Bei den Reichstagswahlen 1912 (die nicht dem preußischen Wahlrecht unterstellt waren) standen 782 deutsche Stimmen 374 dänischen gegenüber (Hvidtfeldt und Iversen, Band III, Seite 52).

Sprache und „Gesinnung“ gingen (und gehen) offenbar nicht immer einher. Das wahre Kräfteverhältnis zwischen Deutsch und Dänisch zeigte sich aber bei der Volksabstimmung 1920, wo jede abgegebene Stimme gleichviel zählte und es nur in der Stadt Apenrade eine knappe deutsche Mehrheit ergab.

 

Folkehjem, Haderslevvej 7. Errichtet 1909-1911 nach Zeichnungen des dänischen Architekten Johs. Magdahl Nielsen unter der Bauaufsicht des lokalen Jep Fink. Gebaut „wie eine grundtvigsche Burg mit einem von kräftigen Granitsäulen flankierten Eingangsbereich und einer Galerie darüber, geeignet als Plattform für Volksredner“, (Dragsbo, S. 54). Foto: Museum Sønderjylland

Seit ungefähr 1890 hatten die Dänischgesinnten in Nordschleswig ein Netzwerk aus Sprach- und Kulturvereinen aufgebaut und die ersten eigenen Versammlungshäuser errichtet. Die Hochburg der Dänen in Apenrade, das Folkehjem, kam 1910-11 hinzu, nachdem der Sprachverein bereits 1900 das frühere Ausflugslokal „Schweizerhalle“ übernommen hatte.

Am 15. Juni 2020 wurde der neue „Genforeningspark“ vor dem Apenrader Folkehjem von Bürgermeister Thomas Andresen und Staatsministerin Mette Frederiksen offiziell eingeweiht. Foto: Karin Riggelsen

Heute steht das Folkehjem mit dem neu angelegten Genforeningspark, die Skulptur zur Erinnerung an H. P. Hanssen und den vielen interessanten Hinweisen auf die wechselvolle Geschichte Nordschleswigs als ein markantes Symbol des Dänentums während der Kaiserzeit dar. Eine Übersichtstafel, versehen mit QR-Codes, erschließt den Zugang zu geschichtlich relevanten Informationen via Internet, die aber leider nur auf Dänisch angeboten werden.

Panorama mit der Sankt-Jürgens-Kirche, Kirkebakken 2. Errichtet 1903-04 in romanischem Stil. Als Vorbild galt die dänische Kirchenarchitektur jener Zeit. Foto: Museum Sønderjylland
St. Jürgenskirche anno 2020 Foto: Karin Riggelsen

Während der dänische Architekt Johannes Magdahl-Nielsen (Kopenhagen/Odense) die Zeichnungen für das Folkehjem lieferte, erhielt der in Apenrade geborene Odense-Architekt Niels Jacobsen die Aufgabe, zwei andere dänische Gebäude zu zeichnen, nämlich die Freigemeindekirche Sankt Jørgen (1903-04) und Den nordslesvigske Folkebank (1912). Die St. Jürgenskirche wurde auf dem Gelände des Folkehjems errichtet. Ihre Architektur unterscheidet sich wesentlich vom Stil zeitgleich gebauter preußischer Kirchen.

Den nordslesvigske Folkebank (heute ein Teil der Sydbank) war die bevorzugte Bank des dänischen Teils der Bevölkerung. Ironischerweise lag die Bank genau gegenüber der Filiale der deutschen Reichsbank (später Sparekassen/Sydbank, heute Herrenbekleidungsgeschäft).

Den Nordslesvigske Folkebank, Storegade 18, um 1920. Errichtet 1911-12 in dänisch nationalromantischem Stil Foto: Museum Sønderjylland
Heute befindet sich in dem Gebäude Storegade 18 eine Filiale der Sydbank. Foto: Karin Riggelsen

Quellen:

Literaturliste

Alle Informationen zu Architektur und Baukultur stammen aus Dragsbo, Peter: En fælles kulturarv. Tyske og danske bygninger i Sønderjylland 1864-1920, Sonderburg 2011.

Zusätzliche Quellen:

Aabenraa Bys Historie:
Becker-Christensen, Henrik und Witte, Jørgen, Band IV, 1945-1970, Apenrade 1985
Hvidtfeldt, Johan und Iversen, Peter Kr. (Red.), Band II, 1721-1864, Apenrade 1967
Hvidtfeldt, Johan und Iversen, Peter Kr. (Red.), Band III, 1864-1920, Apenrade 1967

Dansk Biografisk Leksikon, 3. Ausg. 1979-84, hier www.biografiskleksikon.lex.dk

Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen auf dem Gebiet der Hygiene, Band 27-28, Braunschweig 1912

Jebsen, H. M.: Hundert Jahre Lensnack 1909-2009, private Veröffentlichung

Krankenhaus-Lexicon für das deutsche Reich, Berlin 1900, hier https://archive.org/details/krankenhauslexik-00gutt/page/11/mode/1up?q=Apenrade

Meyers Großes Konversationslexikon, Leipzig und Wien 1907

Rasmussen, René: Ringridning i Aabenraa gennem 100 år, Apenrade 1995

Sønderjylland A-Å, Apenrade 2011

Wilcke, Birger: Æ Kringelbahn, Kopenhagen 1982

Aabenraa Kommune: https://www.aabenraa.dk/oplev/genforeningen-2020/genforeningsparken/gen…

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