Serie Teil 1
Sønderjyllands Symfoniorkester: Elias Heigold lebt seinen Traum
Sønderjyllands Symfoniorkester: Elias Heigold lebt seinen Traum
Symfoniorkester: Elias Heigold lebt seinen Traum
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Erste Trompete in einem Sinfonieorchester spielen. Elias Heigold aus Sonderburg hat geschafft, was nur wenigen vergönnt ist. Voraussetzung dafür sind Fleiß und Disziplin. Zu Beginn des Jahres konnte er die Früchte seiner Arbeit ernten, als er bei seinem Solokonzert im Rampenlicht stand. Eine Reportage aus dem Alsion.
Es ist 19.05 Uhr. Elias Heigold eilt in den Verwaltungstrakt im unteren Stockwerk des Alsions, dort, wo Sønderjyllands Symfoniorkester auch seine Übungsräume hat. Es sind nur noch 25 Minuten, bis das Konzert beginnt.
Auf die Frage, wie er sich fühlt, antwortet er nur kurz mit einem Lächeln: „Noch gut gelaunt.“ Seine Trompete trägt er in einem schwarzen Koffer, und Platz für eine Banane in seiner Hand hat er auch noch gefunden. Den feinen Anzug, in dem er später auch auf die Bühne treten wird, hat er bereits angezogen.
Der große Tag ist gekommen
Um ihn herum wuseln die Orchesterkolleginnen und -kollegen entlang der Gänge hinter dem Konzertsaal. Elias Heigold strahlt inmitten des organisierten Chaos innere Ruhe aus. Es ist die Gelassenheit des Profimusikers, denn mit derselben konzentrierten Bedächtigkeit stand er auch in den vorangegangenen Tagen am Bühnenrand, als er mit dem gesamten Orchester und dem Gastdirigenten Shao-Chia Lü aus Taiwan sein Solokonzert geprobt hat.
Und jetzt ist der große Tag endlich da. Es ist ein Donnerstagabend im Januar 2023, an dem der 38-jährige Elias Heigold als Solist auf die Bühne treten darf und dabei vom gesamten Orchester begleitet wird. In seiner mehr als zehnjährigen Karriere als erster Trompeter bei Sønderjyllands Symfoniorchester bekommt er diese Möglichkeit nun zum dritten Mal.
Aufwärmen im Übungsraum
Er will noch eben prüfen, ob auch tatsächlich ein Notenständer für ihn bereitsteht, der nachher auf die Bühne gebracht werden soll. Um 19.12 Uhr schließt er endlich die Tür zu einem der Übungsräume auf, wirft seine Jacke auf einen Tisch und öffnet seinen schwarzen Koffer.
Das goldene Messing der Trompete reflektiert sofort das Licht, das in dem etwa 20 Quadratmeter großen Raum von oben etwas klinisch herableuchtet, in dem es ein wenig unordentlich aussieht. Neben einem Tisch stehen ein Flügel, der heute jedoch zugedeckt bleibt, und zwei Stühle. An einer der Wände hängen Schwarz-Weiß-Fotografien. Der Raum wirkt seelenlos, aber das soll sich in dem Augenblick ändern, in dem Elias Heigold ihn mit den Klängen seiner Trompete füllt.
Er nimmt seine Trompete in die Hand, eine Bb-Bach-Spada, die er seit 18 Jahren sein Eigen nennen kann, setzt das Mundstück auf und führt das zwei Kilogramm schwere Blechinstrument an die Lippen. Die Wangen pusten sich ein klein wenig auf, und gleich darauf kommt der erste Ton aus der runden Öffnung der Trompete.
Jetzt heißt es, die Trompete so warm zu spielen, dass sie die richtige Betriebstemperatur hat, wenn sich in Kürze das Rampenlicht des Konzertsaals auf Elias richtet.
Der lange Weg
An diesem Abend stehen Igor Strawinskys „Kuss der Fee“, Alexander Arutiunians „Trompetenkonzert in As-Dur“ und Rachmaninows „Symphonie Nr. 2 i E-Moll“ auf dem Programm. Elias muss erst auf die Bühne, nachdem das Orchester die Ouvertüre zum „Kuss der Fee“ gespielt hat.
Über mehrere Monate hinweg hat er auf diesen Moment hingearbeitet, ja, über mehrere Jahre. Das hängt ein wenig davon ab, welche Perspektive man anlegt.
Ursprünglich war sein Solokonzert für 2020 geplant, doch dann kam Corona und schickte auch das Sinfonieorchester in die Zwangspause. Das nächste Mal kramte Elias Heigold die Notenblätter für das Stück im Sommer 2022 hervor.
Nun ist es endlich so weit. Und Elias würde an diesem Abend nicht hier stehen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, die Orchesterjury im Jahr 2012 zu überzeugen. Als er darum kämpfte, als Trompeter bei Sønderjylands Symfoniorkester fest angestellt zu werden.
Arutiunians Trompetenkonzert
Heute Abend stehen die festlichen und farbenfrohen Töne im Fokus. Er hat sich selbst ausgesucht, Alexander Arutiunians „Trompetenkonzert in As-Dur“ zu spielen. Obwohl das 15-minütige Werk erst zu Beginn der 1950er-Jahre komponiert wurde, gehört es zum Standardrepertoire eines jeden Trompetenspielers.
Das Programmheft von Sønderjyllands Symfoniorkester preist es mit folgenden Worten an: „Arutiunians Trompetenkonzert bietet sowohl seelenvoll schmachtende Melodien, die die Gedanken hin zu armenischer Volksmusik leiten, als auch jede Menge technisch herausfordernde Stellen, die dem Solisten alle Möglichkeiten bieten, die eigene Virtuosität und technischen Fähigkeiten zu demonstrieren.“
Dirigiert wird das Konzert von Shao-Chia Lü, der von 2014 bis 2017 Chefdirigent von Sønderjyllands Symfoniorkester war.
Eine Ehre, eine Herausforderung, ein Vergnügen
Längst nicht alle Sinfonieorchester ermöglichen es ihren Mitgliedern, als Solomusikerin oder -musiker gemeinsam mit dem Orchester aufzutreten. Elias Heigold hätte das Orchester nicht von sich aus gefragt, aber die Tatsache, dass er vom Musikchef und dem Programmausschuss gefragt wurde, empfindet er als „eine Ehre, eine Herausforderung, ein Vergnügen und eine fantastische Möglichkeit“ zugleich, wie er sagt.
Live vor Publikum spielen zu können, betrachtet er denn auch als die größte Belohnung überhaupt. Nach einer langen Probenphase, die insbesondere bei einem Solokonzert wichtig ist, freut er sich auf die Atmosphäre und die Möglichkeit, mit den Menschen im Konzertsaal in Kontakt zu kommen und deren Reaktionen zu erleben.
Als Solist auf der Bühne zu stehen – das bedeute auch, sich fast nackt zu fühlen, sagt Elias Heigold. „Der Maler stellt sein Werk zu Hause fertig, ehe er es der Öffentlichkeit zeigt. Wir Musikerinnen und Musiker stellen unser Werk in dem Moment vor, in dem wir es live darbieten.“
Aber jetzt sei er an dem Punkt angelangt, an dem ihn vor allem ein Gedanke umtreibt: „Jetzt muss es einfach raus.“
Endlich kann Elias mit seiner Trompete verschmelzen
Es ist 19.47 Uhr, als der letzte Applaus des Publikums für das erste Stück an diesem Abend, Igor Strawinskys „Kuss der Fee“, im Konzertsaal des Alsions verhallt. Elias Heigold hat unlängst den kleinen Übungsraum verlassen und wartet jetzt vor der Tür zum Konzertsaal. Für ihn fühlt es sich in diesem Moment ein wenig merkwürdig an, hier zu stehen und nicht bereits als ein Teil des Orchesters auf der Bühne zu sein.
Und während er noch dem Gedanken hinterherhängt, ob er jetzt wirklich mental bereit ist, im Rampenlicht zu stehen, geht auch schon die Tür zum Konzertsaal auf. Eine Assistentin trägt sein Notenpult auf die Bühne, und kurz darauf tritt Elias durch die schwere, schalldichte Tür in den Konzertsaal hinein.
Festlicher Klang der Trompete füllt den Konzertsaal
Das Publikum applaudiert, während er sich vorn am Bühnenrand links vom Dirigenten Shao-Chia Lü positioniert. Die beiden tauschen einen kurzen Blick miteinander aus, und wenige Sekunden später hebt der Dirigent seinen Taktstock, und das Orchester beginnt zu spielen.
Elias bläst lautlos in seine Trompete, um sie noch mal ein klein wenig zu erwärmen, und wenige Takte später füllt der festliche Klang der Trompete den Konzertsaal. Die ersten Töne sind ruhig und leise, klar und nuanciert. Unterstützt werden sie von Trommelwirbeln und weiteren Blechbläsern, ehe das gesamte Orchester einsetzt. Doch es ist eindeutig die Trompete, die die Oberhand behält und das gesamte Klangbild dominiert.
Soloinstrument und Orchester verschmelzen
In den kurzen Passagen, in denen Elias nichts zu spielen hat, schaut er aufmerksam auf seine Trompete, um sich dann wieder auf die Noten zu konzentrieren. Sein Kopf wippt ein wenig im Takt, sein Blick ist konzentriert, und seine Bewegungen sind ruhig.
Als er einige Augenblicke später wieder die Trompete an seine Lippen presst und zu spielen beginnt, wirkt es so, als würde er mit seinem Instrument und dem gesamten Orchester verschmelzen. Er trifft jeden einzelnen Ton mit großer Präzision, spielt pointiert und zaubert eine Palette an Farben und Nuancen aus seinem Instrument.
Eine Passage spielt Elias ganz allein, während alle anderen zuhören. Sogar der Dirigent hat seinen Kopf gesenkt und folgt schon beinahe andächtig den Klängen der Trompete. Im Finale bricht sich die Trompete dann in voller Wucht ihren Bann und durchschneidet den Konzertsaal, und im selben Augenblick, in dem der Schlusston gesetzt ist, ertönen die ersten „Bravo“-Rufe aus dem Saal.
Eine Sekunde lang tut Elias so, als wäre das, was er da gerade dargeboten hat, nichts von besonderer Bedeutung gewesen. Doch dann durchzieht ein Lächeln sein Gesicht, er verneigt sich vor dem Publikum und reicht anschließend dem Dirigenten und dem Konzertmeister die Hand und bedankt sich beim gesamten Orchester.
Das ist sein großer Augenblick, doch selbst jetzt strahlt er Gelassenheit und Bescheidenheit aus.
Keine anderen Wünsche, als Trompete zu spielen
Das sagt so einiges über Elias Heigold, den talentierten, technisch hoch entwickelten professionellen Trompeter, dessen größter Wunsch einfach nur darin besteht, so präzise und schöne Töne wie möglich aus seiner Trompete zu zaubern.
Ein Wunsch, den er die meiste Zeit seines Lebens gelebt hat, und für den er auch zehn Jahre, nachdem der Traum einer festen Anstellung im Orchester in Erfüllung gegangen ist, nichts von seiner Hingabe verloren hat.
Der Gedanke, ein anderes Instrument spielen zu können, ist ihm gekommen, manchmal würde er gerne besser Klavier spielen können. „Aber dann denke ich sofort, dass ich die halbe Stunde lieber darauf verwenden möchte, um auf meiner Trompete zu spielen. Denn das Einzige, was ich wirklich will, ist, Trompete auf hohem Niveau spielen zu können“, sagt Elias Heigold mit einem Lächeln, ehe er das Alsion auf dem Weg zur After-Party wieder durch den Verwaltungstrakt verlässt.