Interview

Volker Heesch: „Es ist ein Privileg, dass wir als Journalisten überall hinkommen“

Volker Heesch: „Ein Privileg, dass wir als Journalisten überall hinkommen“

Heesch: „Ein Privileg, als Journalist überall hinzukommen“

Marlies Wiedenhaupt und Cornelius von Tiedemann
Apenrade/Aabenraa
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Volker Heesch
Volker Heesch geht – nach 37 Jahren beim „Nordschleswiger“ ist Schluss. „Der Trubel wird mir fehlen“, sagt er. Foto: Karin Riggelsen

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Nach mehr als 37 Jahren im Dienste des „Nordschleswigers“ ist Ende Januar Schluss. Der Redakteur haut demnächst nur noch privat in die Tasten – oder wenn er ausgewählte Termine für das deutschsprachige Medium in Dänemark wahrnimmt. Ob sein Ruhestand dem Namen wohl gerecht wird, verrät er im Abschiedsinterview.

Mit Volker Heesch geht Ende Januar ein Urgestein der „Nordschleswiger“-Redaktion in den Ruhestand. Seine Artikel haben Generationen gelesen – und auch er selbst ist in Nordschleswig als umtriebiger Journalist und vielseitig engagierter Privatmensch allseits bekannt, nicht nur innerhalb der deutschen Minderheit. Wenige Tage vor seinem letzten Arbeitstag haben wir uns mit ihm im Medienhaus in Apenrade zum Gespräch verabredet.

Volker, am Tag nach deinem 67. Geburtstag ist Ende Januar Schluss beim Nordschleswiger, nach 37 Jahren – wie geht es dir damit?

„Nach so vielen Jahren bin ich sehr an dieses Leben als Journalist gewöhnt, man wird fast zu so etwas wie einem Zirkuspferd. Es fällt mir nicht leicht, weil ich meine Arbeit immer gerne gemacht habe. Weil sie sehr vielseitig war und ich viele Bereiche bearbeitet habe. Aber es muss ja ein Ende geben, und ich habe auch eine Menge Dinge, auf die ich mich freue, für die ich mehr Zeit haben werde.“

Darauf kommen wir noch zu sprechen. Die vielen Kilometer, die du in mehr als 37 Jahren als Redakteur beim „Nordschleswiger“ im Auto zurückgelegt hast, reichen für etliche Touren rund um die Erde. Bist du froh, dass du die Strecke von Hoyer nach Apenrade nun nicht mehr fahren musst, oder ist dir mulmig zumute vor dem neuen Lebensabschnitt?

„Ich bin froh darüber, dass ich nicht mehr so viel mit dem Auto fahre. Denn das war immer ein dunkler Fleck in meinem Alltag. Weil ich mich mit Umweltthemen befasse und zum Beispiel deswegen auch nicht mit dem Flugzeug fliege. Ich habe schon genug mit dem Autofahren gesündigt. Allerdings jetzt viele Jahre mit einem sehr sparsamen, CO₂-armen Auto, aber das ist so eine Sache, die ich nicht vermissen werde. In meinen Ferien habe ich auch immer versucht, möglichst wenig Auto zu fahren. Wenn ich in Tondern Vertretung in der Lokalredaktion gemacht habe, bin ich immer mit dem Fahrrad aus meinem Heimatort Hoyer dahin gefahren.“

Volker Heesch (rechts) war fast vier Jahrzehnte lang in der Redaktion des „Nordschleswigers“ tätig – und hat kaum einen Tag krank gefehlt. Radfahren und Schwimmen in der Nordsee sind zwei seiner Gründe dafür. Foto: Cornelius von Tiedemann (Archiv)

Zu einem Bildungsurlaub nach Paris bist du auch mit dem Fahrrad angereist und bist dadurch unter den Kolleginnen und Kollegen vom Journalistenverband zu Berühmtheit gelangt …

„… das ist von denen etwas verkürzt dargestellt worden (in den sozialen Medien, Red.). Ich bin mit dem Zug nach Luxemburg gefahren, und dann ging es von da aus bis nicht ganz nach Paris. Aber bei dem Kursus, ein Fotokursus, konnte ich riesigen Eindruck schinden, weil die ganzen dänischen Kollegen natürlich alle mit dem Flugzeug da waren. Es war aber auch deshalb sehr schön, weil Paris in den vergangenen Jahren einen Fahrradboom erlebt hat. Ich bin immer mit dem Rad zu unseren Treffpunkten gefahren und war immer schneller da als die Kolleginnen und Kollegen, die mit der Metro gefahren sind.“

Du bist Eisenbahnfan und Vogelfreund, passionierter Radfahrer, an Umweltthemen und Geschichte interessiert – und an vielem mehr. Woran bist du eigentlich nicht interessiert?

„Ich interessiere mich immer für vieles, das im Alltag so passiert. Das hängt auch mit unserem Beruf zusammen. Ob es Leute sind, die etwas in ihren Gärten betreiben, oder Hobbymeteorologen, die Landwirtschaft, die hier in Nordschleswig sehr verbreitet ist. Das ist ein Privileg, gerade als Journalist beim ,Nordschleswiger’, dass wir überall hinkommen. Ich bin auch selbst mit in die Kommunalpolitik hineingezogen worden, wovon ich umgekehrt bei der Zeitung profitiert habe. Als ich ganz neu hier war, als Volontär, bin ich in Woyens bei einer ersten Anlage gewesen, die Plastik recycelt hat. Das ist ja auch interessant, dass es 37 Jahre später immer noch nicht ganz klappt. Viele Themen haben eben einen sehr langen Verlauf (lacht).“

Volker Heesch
Volker Heesch hat in der Redaktion des „Nordschleswigers“ immer gerne bei den Kolleginnen und Kollegen vorbeigeschaut. Das Soziale ist ihm wichtig – beruflich wie privat. Foto: Cornelius von Tiedemann

Dazu gehören auch Themen wie das Dosenpfand im Grenzhandel und andere ungelöste Rätsel. Was war denn der erste Bericht, den du für den „Nordschleswiger“ verfasst hast?

„Damals hat mir der Kollege Hanjörg Böhle eine Aufgabe für die damalige Serie D-DK gegeben. Da gab es die Küstenprobleme auch schon. Er hatte mir Material zu einer Kirche in Nordjütland gegeben, die ins Meer zu stürzen drohte, in Mårup bei Lønstrup. Die war damals noch 50 Meter von der Abbruchkante entfernt. Lustigerweise bin ich da später mal bei einer Fahrradtour vorbeigekommen, da war sie fast schon am Abkippen. Später habe ich dann noch einmal darüber geschrieben, dass die Anwohnerinnen und Anwohner wollten, dass sie abgebaut und an anderer Stelle wieder aufgebaut wird, was von den Denkmalschutzbehörden aber verweigert wurde. Inzwischen ist die Kirche seit vielen Jahren weg – und mit den Abbrüchen geht es jetzt wahrscheinlich immer schneller, weil der Klimawandel da oben auch dafür sorgt, dass an der Küste genagt wird.“

Dein Gedächtnis ist phänomenal und nicht nur in der Redaktion schon längst legendär. Trainierst du das, oder ist das angeboren?

„Ich war früher viel bei alten Tanten und Großeltern, und die erzählten immer aus älteren Zeiten. Wir hatten damals kein Fernsehen. Wahrscheinlich habe ich dann immer genauer zugehört und war nicht so abgelenkt. Ich habe später auch im Studium viele Tier- und Pflanzennamen lernen müssen. Da wurde uns gezeigt, wie wir mit Eselsbrücken lernen konnten. So kenne ich heute noch eine ganze Menge Pflanzennamen. Oft ist es so, dass ich um diese Dinge herum mal Artikel geschrieben habe, und wenn da so ein bisschen Umfeld ist, kann man sich die Dinge besser merken. Man sollte über die Dinge, über die man schreibt, gründlich lesen, dann merkt man sich das auch. Sonst habe ich da keine weiteren Übungen, die ich empfehlen könnte …“

Volker Heesch
Die Kamera ist Volker Heeschs ständige Begleiterin. Mit ihr „knipst“ (eines seiner Lieblingswörter) er nicht nur Menschen, sondern auch die Flora und Fauna Nordschleswigs. Foto: Karin Riggelsen

Die Anzahl der Kilometer, die du zu deinem Arbeitsplatz gefahren bist, könnte man mit etwas Geduld noch ermitteln. Die Menge der Wörter, die du geschrieben hast, eher nicht. Gibt es in der Masse an Texten, die du verfasst hast, aus heutiger Sicht einen Lieblingsartikel?

„Vor einigen Jahren habe ich über eine Geschichte geschrieben, die sich in Hoyer abspielte, wo ich seit über 40 Jahren wohne, und da ging es um ein Kinderflüchtlingsheim von 1945. Dabei hat mir geholfen, dass ich im Lokalhistorischen Verein in Hoyer tätig bin. Da haben sich dann anschließend zwei ehemalige Kinder, die dort gewohnt haben, gemeldet. Das war wie ein kleines Wunder. Dass man plötzlich Augenzeugen und Zeitzeugen kennenlernen konnte.
Zu den Lieblingssachen gehört auch, dass ich bei vielen Naturthemen dabei gewesen bin und mein Hobby Vogelkunde einbringen konnte. Ich erinnere mich an eine Fahrt mit dem legendären früheren, schon vor vielen Jahren verstorbenen, Fotografen Helge Grøhn. Da sind wir in den 1980er-Jahren in der Tonderner Marsch unterwegs gewesen, er hatte seine Kamera mit. Wir haben Trauerseeschwalben und Säbelschnäbler ganz toll fotografieren können. Allerdings nur in schwarz-weiß und auf Papier (lacht).“

Welche Geschichte war für dich am schwierigsten zu schreiben?

„Da fallen mir Berichte von Gerichtsverhandlungen ein, wo es um schreckliche Verbrechen ging. Die sind mir sehr schwergefallen, weil man da ja auch sehr nah an Opfer und Täter herankommt. Das verfolgt einen dann auch. Deswegen gucke ich auch ungern Krimis im Fernsehen. Als Zeitungsleute sind wir mit der grausigen Realität konfrontiert worden. Auch bei schweren Unfällen. Hier beim ,Nordschleswiger’ sind wir doch sehr nah an den Leserinnen und Lesern. Man muss damit rechnen, dass einem auch Verwandte von Opfern über den Weg laufen können, weswegen es selbstverständlich ist, dass man nicht sensationsgierig schreibt.“

Zur Person Volker Heesch

Volker Heesch, Jahrgang 1956, wuchs in Heide (Holstein) auf, machte dort Abitur und studierte ab 1974 in Hamburg, Kopenhagen und Hannover Deutsch und Biologie. Anschließend machte er Zivildienst im Naturschutz auf Sylt.

1983 übernahm er das Haus seiner Großmutter in Hoyer, machte in Gymnasien in Flensburg und Niebüll sein Referendariat, um als Gymnasiallehrer arbeiten zu können. Danach bewarb er sich 1985 beim „Nordschleswiger“ und wurde als Volontär eingestellt – was er der Möglichkeit vorzog, eine befristete Lehrerstelle weit entfernt von seinem Wohnort Hoyer anzutreten. Es folgte die Festanstellung als Journalist und später als Redakteur.

In den mehr als 37 Jahren beim „Nordschleswiger“ hat er sich in der Hauptredaktion vorwiegend mit Geschichte und Heimatkunde, Kultur, Naturschutz und Naturkunde beschäftigt. Letztlich gab es aber kein Thema, das eine zu große journalistische Herausforderung für ihn gewesen wäre. Und auch in allen fünf Lokalredaktionen hat er Vertretungen übernommen.

Volker Heesch und seine Partnerin Maren Meinertz sind engagierte Mitglieder der deutschen Minderheit. Foto: Karin Riggelsen

Du hast schon von deinem Engagement für die Schleswigsche Partei gesprochen. Wo hast du dich noch in der Minderheit engagiert, und was bedeutet dir die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig?

„Ich bin im BDN in Hoyer mit dabei, bin Mitglied im Sozialdienst. Bei einigen Sachen kam ich erst beruflich damit in Berührung, aber durch Teile meiner Familie bin ich damit auch aufgewachsen. Meine Großmutter ist Hoyeranerin gewesen, und so habe ich diese Vereine schon seit frühester Kindheit gekannt, obwohl ich selbst in Schleswig-Holstein aufgewachsen bin. Vieles habe ich im Laufe der Zeit mehr kennen- und auch schätzen gelernt. Dass jetzt unser Spitzenkandidat in Tondern Bürgermeister geworden ist, das ist doch eine schöne Entwicklung. Das habe ich mir eigentlich nie träumen lassen. Dabei kann man dann auch ein wenig mitgehen.“

Du hast der Digitalisierung des „Nordschleswigers“ auch kritisch gegenübergestanden, mahnend den Zeigefinger gehoben. Wie siehst du es heute?

„Wir haben schon lange den ,Nordschleswiger' auch in einer digitalen Ausgabe gehabt. Aber die äußeren Umstände erforderten, dass neue Wege gegangen werden mussten. Ich habe es miterlebt und kenne die Vorteile der digitalen Technik. Trotzdem kenne ich auch viele ältere Leute, und es tut mir natürlich weh, dass einige ihre Probleme damit hatten und immer noch haben. Ich kenne aber die Umstände. Selbst bin ich ein großer Papiermensch, lese viele Bücher, lese weiterhin auch Papierzeitung, das ist vielleicht auch lebenslanges Training. Den ,Nordschleswiger’ habe ich schon gelesen, seitdem ich lesen gelernt habe, wenn ich in Hoyer zu Besuch war. Man ist dem Medium dann natürlich sehr verbunden, und ich bin auch jetzt noch froh, dass es (alle 14 Tage, Red.) immer noch eine Papierausgabe gibt.“

Volker Heesch
Volker Heesch in seiner „Zelle“: Wer, wann und wo? Der Journalist kennt sich in Nordschleswig und dessen Geschichte aus, wie kaum ein Zweiter. Und auch in seinem Büro verlor er allen Unkenrufe zum Trotz nie den Überblick. Foto: Karin Riggelsen

Gibt es eine Geschichte, die du noch gerne schreiben würdest?

„Die Geschichte, dass der Eisenbahnverkehr über die deutsch-dänische Grenze endlich mal richtig funktioniert, dass eine entscheidende Verbesserung kommt. Und vielleicht, dass zugleich Eisenbahnstrecken in Nordschleswig wiedereröffnet werden. Das habe ich ja einmal erlebt, dass die Strecke Niebüll-Tondern wiedereröffnet worden ist. Es ist aber gerade an der Ostküste eine echte Katastrophe mit den Eisenbahnen. Da haben sie immer wieder neue Döntjes – es soll immer ganz toll werden. Tja.“

Wenn du als Journalist dieses Interview mit dir selbst hättest führen sollen, was würdest du dich noch fragen?

„Ob ich mir etwas anderes hätte vorstellen können. Ich hätte etwa direkt in der Naturkunde arbeiten können. Bei meiner alten Zivi-Stelle arbeiten inzwischen bei der Schutzstation Wattenmeer – ich  weiß nicht wie viele – Hauptamtliche. Damals waren wir alle nur Zivis für 550 Mark im Monat und haben die Spenden durch unsere Touren selbst eingesammelt.“

Apropos Touren. Du bist unheimlich fit. Hast du noch vor, etwas zu machen, wozu du noch keine Zeit hattest?

„Ich werde noch viel Fahrrad fahren, will längere Radtouren machen, weil ich das in all den Jahren immer wieder gemacht habe. An der Elbe, der Havel, der Weser oder in unseren Gebieten. Ich will aber keine Marathonläufe oder sowas machen. Ich mache schließlich schon beim Deichlauf mit. Letztes Mal auch. Da waren zu wenige, und die sagten: ,Los, nu mach mit!’, da bin ich bei so einem Scheißwetter noch gestartet. Ich hatte gar nicht trainiert. Das war die beschissenste Lauftour, die wir je gehabt hatten, so hat das da gegossen.“

Auf Volker ist immer Verlass …

„So bin ich auch zur Heimatkunde gekommen. Weil ich immer zu den Sachen hingeschickt worden bin (lacht).“

Du bleibst dem „Nordschleswiger“ verbunden, auch wenn du jetzt in Rente gehst. Mit dem Redaktionsalltag ist es aber vorbei. Was wirst du vermissen?

„Die Kolleginnen und Kollegen natürlich. Und den Trubel in der Redaktion. Das gehörte doch immer dazu. Und in der Corona-Zeit haben wir gemerkt, wie das gefehlt hat, als wir hier nur sporadisch aufgetaucht sind.“


 

 

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