Kulturkommentar
„Schön verschreiben 8.0“
Schön verschreiben 8.0
Schön verschreiben 8.0
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Wir sind ja froh, dass Frauen immer häufiger nicht nur mitgedacht, sondern auch mitgeschrieben werden. Doch das Gendern kann sogar zu Majestätsbeleidigung führen. Es sei denn, das Positive daran bekommt eine Chance, findet „Nordschleswiger“-Redakteurin Marlies Wiedenhaupt.
Den Journalistinnen und Journalisten des „Nordschleswigers“ fließt die gendergerechte Sprache mittlerweile schon im Schlaf aus der Feder – die Schülerinnen und Schüler, Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker sind uns in Fleisch und Blut übergegangen und haben mittlerweile einen eigenen Button auf unserer Tastatur. Stimmt nicht – war ein Witz. Aber eigentlich eine gute Idee, wie mir Journalistinnen und Journalisten im Hause schon ganz euphorisch versichert haben.
Doch Scherz beiseite – die intensive Genderei birgt nämlich auch Gefahren. Die Gefahr der Majestätsbeleidigung etwa. Denn bei der Königin-Christian-X.-Brücke, die wegen der Tour de France am 3. Juli sicherheitshalber gesperrt wird, haben wir wohl ein wenig über das „Ziel“ hinausgeschrieben. Dabei hat es durchaus Charme, darüber zu sinnieren, ob es nicht sogar menschlicher ist, auf die strikte Trennung zwischen männlich und weiblich zu verzichten. Aber dann kam die Korrektur, und die Brücke büßte ihre kurzzeitige Androgynität wieder ein.
Für den Fokus auf das Weibliche und für das Motto „Lange-Zeit-wurden-nur Männer-genannt-jetzt-sind-wir-aber-mal-dran“ entschied sich auch eine unserer Journalistinnen, als sie über Kolleginnen und Kolleginnen schrieb. Und bei einer Generalversammlung tauchte mit den Delegiertinnen und Delegiertenen (ja, genau so) eine ganz neue Spezies auf. Gut, dass Frauen neuerdings nicht nur mitgedacht, sondern auch mitgeschrieben werden, aber wir von der schreibenden Zunft – oder heißt es etwa Zünftin? – sind schon froh, wenn ein Begriff wie Delegierte von Haus aus sowohl Männer als auch Frauen umfasst. Von solchen Begriffen wünschen wir uns ebenso mehr wie von Frauen in Führungspositionen.
Damit diese Rubrik ihrem Titel „Schön verschreiben“ noch gerechter wird, denn unsere Verschreiber machen die Welt oftmals ein klein wenig besser, hat ein Eishockeyspieler von SønderjyskE bei uns einen Kureinsatz bekommen – statt sich nur kurz auf dem Eis beweisen zu müssen. Davon wird er hoffentlich noch lange profitieren.
Als gewinnbringend könnte sich auch – jedenfalls für Geschäftsleute – ein Gottesdienst an frischer Luft entpuppen. Dafür sollte das Blasorchester des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig im Anschluss Frühshoppen-Musik beisteuern. So manchem Teilnehmenden mag frühes Shoppen zwar das Geld aus der Tasche ziehen, aber vielleicht weniger die Sinne vernebeln als ein zu früher Morgenstund genossener Schoppen, in dem ein alkoholisches Getränk schwappt.
Dabei lässt sich mit Alkohol die eine oder andere lästige Lebenslage schöntrinken – jedenfalls kurzzeitig. Bei der Ankündigung eines Weinabends mit Harro Hallmann schrieben wir, er wolle bei seiner Info- und Verköstigungsveranstaltung auch ein paar gute Weine für laute Sommerabende auf der Terrasse vorstellen. Wie schön: Sollte der Nachbar lärmmäßig über die Stränge schlagen, nervt das nur noch halb so heftig, wenn die Drehzahl der edlen Tropfen einem die Sinne betäubt. Vielleicht dachte jemand beim Schreiben aber auch, dass die Trinkenden auf ihrer Terrasse selbst Halligalli machen könnten.
Übrigens: Die Veranstaltung wurde abgesagt. Aber nicht etwa, weil wir ruhestörenden Lärm in Aussicht gestellt haben. Uns Journalistinnen und Journalisten trifft keine Schuld, denn im Text wurden aus den lauten doch noch laue Sommerabende. Abgesagt wurde der Abend, weil sich nicht genug Verköstigungsinteressiertinnen und -interessiertinnen angemeldet hatten.