Kulturkommentar

„Schön verschreiben 5.0“

Schön verschreiben 5.0

Schön verschreiben 5.0

Apenrade/Aabenraa
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Von einem solchen Nationalpark Wattemeer hat Dornröschen möglicherweise geträumt, bevor sie zum Schlag ausholte. Foto: Montage André Mackus

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„Der Nordschleswiger“ killt den Klimawandel, eliminiert Epidemien, ersinnt neue Branchen und Rituale. Und agiert sogar wie Mary Shelley in ihrem „Frankenstein“, verrät Redakteurin Marlies Wiedenhaupt. Aber dann kommt die Korrektur …

Wäre die Wirklichkeit doch so schön wie die Welt der „Nordschleswiger“-Wörter vor der Korrektur! Dann würden wir beim Klimawandeln lustvoll und mit heiterer Gelassenheit durch eine intakte Wohlfühl-Landschaft schlendern und wären nicht von zunehmenden Überschwemmungen, Dürren und einer offenbar nicht enden wollenden Epidemie bedroht. Corona hatten wir ja schon unlängst in das zauberhafte Südsee-Atoll Cornoa umgeformt.

Außerdem: Man stelle sich vor, man würde an einem typisch herbstlichen „Keine-Sonne-alles-grau-und-matschig-Tag“ auf die Homepage von Novasol, Dancenter & Co. gehen und mal eben eine andere Jahreszeit buchen. Ein Sommer gefällig? Kein Problem für den „Nordschleswiger“. Im Rahmen unserer „Wir-erschaffen-uns-eine-schönere-Welt“-Verschreiber modellieren wir komplett neue Möglichkeiten.

Wer braucht ein Sommerhaus, wenn er einen ganzen Sommer – mit niedrigeren Corona-Inzidenzen ­­– haben kann? Mit dem Sommervermietungsbüro geben wir den Startschuss für eine zukunftsträchtige Branche, die vermutlich nicht mit Personalproblemen zu kämpfen hätte.

Apropos Schuss. Schöner wäre die Welt auch, wenn bewaffnete Angriffe nur noch mit einem von uns ersonnenen Gerät über die Bühne gingen: Die abgesägte Schrottflinte, mit der Polizisten in Nordschleswig bedroht wurden, wäre auch weltweit eine gelungene Alternative.

Alternativ zu Gewässern, die vor Plastikmüll quasi überquellen, hätten wir da noch den Nationalpark Wattemeer anzubieten. Von einem Meer aus Watte hat möglicherweise auch Dornröschen gerade geträumt und war deshalb überhaupt nicht glücklich, dass sich so ein dahergelaufener Prinz durch die Dornenhecke gekämpft und sie mit einem Kuss aus ihrem hundertjährigen Schlaf gerissen hat. Vielleicht hat sie ihm dafür eine geknallt, und so ist der Dornröschenschlag zu erklären, der sich in einen Text des „Nordschleswigers“ über den wiedererwachten Kontaktausschuss schleichen wollte.

Zugegeben: So ein Schlag passt nicht wirklich gut in unsere Tendenz, die Dinge schönzuschreiben. Andererseits: Vielleicht konnte die Königstochter ja anschließend wieder in watteweiche, coronafreie Träume flüchten.

Wie ein Märchen oder wie eine Episode aus Mary Shelleys „Frankenstein“ mag es klingen, dass „Der Nordschleswiger“ in der Lage ist, eine neue Spezies Mensch zu erschaffen. Beim Seminar der Jugend Europäischer Volksgruppen haben wir kurzerhand einen neuen Volksstamm in die Teilnehmerliste gemogelt: die Retro-Romanen. Ob diese Leute sich als rückwärtsgewandt definieren oder auf einer Welle schwimmen, die gerade wegen ihres Zurücksehnens nach Plattenspielern, alten VW-Bussen oder 50er-Jahre-Gummibäumen als modern bezeichnet werden kann, bleibt allerdings rätselhaft.

Aber: Neue Volksgruppen, neue Rituale. Wenn wir aus dem Bund Deutscher Nordschleswiger die bundesdeutschen Nordschleswiger basteln, ist es auch kein Wunder, dass übernommene Traditionen aus dem Nachbarland bei uns sehr speziell ausfallen. Laternelaufen ging hier kürzlich so: Die Umzüge durch die Ortschaften verbreiteten Freunde und deutsches Liedgut. Was will man mehr?! Alle bekommen bei dem Lampionumzug jemanden für ein gemeinsames entspanntes Klimawandeln an die Seite gestellt.

Da lässt sich die Epidemie gleich viel besser ertragen.

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