Europapolitik
Von Subventionen und Sanktionen
Von Subventionen und Sanktionen
Von Subventionen und Sanktionen
Beim Politischen Forum der Deutschen Bücherei in Zusammenarbeit mit der Schleswigschen Partei und dem Bund Deutscher Nordschleswiger gaben zwei Politikerinnen Einblicke in die politische Arbeit auf EU-Ebene. Christel Schaldemose und Mette Bock standen erst Rede und dann Antwort.
Wohin bewegt sich Europa mit der Parlamentswahl 2019, und wie gehen die verbleibenden 27 EU-Länder mit EU-Skeptikern um? Europa-Parlamentarierin Christel Schaldemose (Soz.) und Kultur- und Kirchenministerin Mette Bock (LA) haben sich am Montagabend im Haus Nordschleswig beim politischen Forum mit diesen Fragen beschäftigt. Die Teilnehmer des Forums stellten ihre Fragen:
Die EU subventioniert die Landwirtschaft mit hohen Beträgen. Wie seht ihr das?
Bock: Die meisten dänischen Politiker sind sich da einig: Die Subventionen sollte abgewickelt werden, aber nicht einseitig. Aktuell halten die Subventionen kleine, unrentable Landwirtschaften am Leben. Weniger davon wäre gut für den Markt, die Dänen würden gut damit zurechtkommen.
Schaldemose: Ich sähe gerne, dass sie wegkommt. Die meisten Länder unterstützen ihre Landwirtschaften. Meine Hoffnung ist, dass die Subventionen reduziert werden. Aber hier muss man realistisch bleiben: Jetzt liegen sie bei 39 bis 40 Prozent. 35 oder 30 Prozent wären wünschenswert. Und wir sollten Anforderungen daran knüpfen, damit eine klimafreundlichere Landwirtschaft entsteht.
Was Minderheitenschutz in Europa angeht, hält sich die EU sehr zurück. Würde es den Respekt vor Europa nicht erhöhen, wenn man den Worten auch Taten folgen lässt und den Minderheitenschutz ernst nimmt?
Bock: Die Frage ist berechtigt: Ducken wir uns weg? Es liegt ja im Wesen der Menschen. Wir Politiker wollen visionär sein und müssen manchmal auch unpopuläre Standpunkte haben. Auch deshalb kandidiere ich für die EU-Wahl. Wir brauchen die nordischen Stimmen in Brüssel.
Schaldemose: Wir waren nicht klug genug, Anforderungen an die Länder zu stellen, die die grundlegenden Kriterien erfüllen. Das nächste EU-Traktat sollte diese offenen Fragen klären und Anforderungen verpflichtend machen.
Sollte es Sanktionen gegen Länder geben, die keine Flüchtlinge aufnehmen?
Schaldemose: Es gibt keine genauen bindenden Regeln in dem Bereich. Die EU sollte ehrlich sein. Die Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage ist groß. Ein Wunschdenken nützt niemandem. Man den Ländern nichts überstülpen.
Bock: Wenn wir verpflichtende Regeln haben, dann sollte man als Mitglied sanktioniert werden können, wenn Spielregeln nicht eingehalten werden.
EU-Politik: „Lasst uns progressiv sein“
„Keine Frage – ich bin Anhänger der europäischen Zusammenarbeit“, so Christel Schaldemose, die für die dänischen Sozialdemokraten im EU-Parlament sitzt. „Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden, mit all unseren Herausforderungen, die wir haben! Aber ich bin auch kritisch und habe Vorschläge, was verbessert werden muss. Wir müssen ehrlich sein. Sagen und benennen, was gut, aber auch was schlecht läuft. Man muss sich trauen zu sagen, dass es Herausforderungen gibt! Sonst gibt es immer mehr Bürger, die kein Zutrauen in die EU-Zusammenarbeit haben. Wir müssen Sorgen ernst nehmen”, so Schaldemose, sonst mache man den Fehler wie in Großbritannien, wo sich zu viele Bürger unverstanden gefühlt hätten. Die Konsequenz: der Brexit.
Die EU: Instrument gegen Steuerskandale
Der Willen vieler Briten, aus der EU auszuscheiden, zeige: Viele Menschen waren besorgt, es gab große Probleme mit der Freizügigkeit. „Und denen wurde nicht zugehört. Wir Politiker müssen Antworten finden. Freie Beweglichkeit ist gut – hat aber auch ihre Herausforderungen. Leute verlieren die Arbeit, stehen unter Druck, es gibt Sozialdumping“ so Schaldemose. Sie warb zudem für Fortschrittlichkeit in der Zusammenarbeit.
„Lasst uns progressiv sein. Sehen wir uns all die Steuerskandale in Europa an – hier ist es richtig, dass die EU mehr Kompetenzen erhält. Es gibt eine negative Steuerkonkurrenz in der EU. Unternehmen ziehen dahin, wo es am billigsten ist, und zum Teil werden von Großkonzernen gar keine Steuern bezahlt. Kleine und mittlere Unternehmen müssen Steuern bezahlen – und die großen kommen drum herum? Hier kann die EU gerechte Rahmen schaffen.
Und wie will Mette Bock die Europapolitik prägen? Hätte sie vor zwei Jahren jemand gefragt, ob sie für die EU kandidieren will, hätte sie mit einem klaren Nein geantwortet, so die Ministerin, die für die Liberale Allianz für die EU-Wahl kandidiert. Aber seitdem sei viel passiert. Der Brexit, Trump, europakritische Bewegungen im Osten, Putin im Nacken, für Bock alles Gründe, um etwas auf EU-Ebene bewegen zu wollen.
„Ich will die europäische Zusammenarbeit stärken. Wir können nicht einfach so weitermachen, weil so viel passiert ist. Es gibt Bereiche, in denen die EU verschlankt werden muss”, so Bock. Und: „Wir müssen der Kritik aus der Bevölkerung zuhören. Wenn wir nicht zuhören, werden die Gräben immer tiefer.“
Mette Bock, die seit 2011 Mitglied des dänischen Parlaments ist und u. a. als europapolitische Sprecherin für ihre Partei aktiv war, sagte, die EU sollte sich nicht mit Steuerpolitik beschäftigen „und nie Steuern erheben“.
Wohlfahrtsleistung Sache der Länder
Auch in Sachen Wohlfahrtsleistungen sollten die einzelnen Länder und nicht die EU bestimmen. „Auch hier müssen wir der Kritik aus der Bevölkerung zuhören. Wenn die Bevölkerung der Meinung ist, dass es fragwürdig ist, wenn beispielsweise ein Pole hier arbeitet und das dänische Kindergeld an seine Kinder schickt, obwohl das Niveau in seinem Land viel geringer ist, sollten wir das ernst nehmen. Wenn wir nicht hören, dann wird der Graben immer tiefer. Außerdem gibt es in Sachen Kindergeld eine völlig andere Kultur in den verschiedenen Ländern. Das muss man wissen, wen man darüber redet.“
Eine stärkere europäische Zusammenarbeit wünscht sich Bock hingegen bei der Sicherung der Außengrenzen und der Kontrolle der Migration.
„Schengen-Absprachen sind in einer ganz anderen Zeit in einer ganz anderen Welt gemacht worden. Die Welt sieht heute anders aus. Dazu müssen wir uns verhalten.“
Schengen-Absprachen sind in einer ganz anderen Zeit in einer ganz anderen Welt gemacht worden. Die Welt sieht heute anders aus. Dazu müssen wir uns verhalten.
Mette Bock, Ministerin und EU-Kandidatin
Europaskeptizismus – was ist das eigentlich und wie weit verbreitet ist er in den 28 EU-Staaten? Dieser Frage ging eingangs Professorin Hedwig Wagner von der Europa-Universität Flensburg nach. Immerhin: 78 bis 80 Prozent der Dänen empfinden Europa als ”gute Sache”. Doch bei der Frage ”zählt meine Stimme” denken 49 Prozent der EU-Bürger, dass dies nicht der Fall ist.
Der Europaskeptizismus, so Medienwissenschaftlerin Wagner, werde vor allem von Parteien über nationale Identitätsfragen angesprochen und mobilisiert. Die vier Hauptthemen des Euroskeptizismus: Demokratie, Souveränität, Wirtschaft und Identität.
Von Social Bots und Twitter-Trollen
Er sei primär eine Antwort auf die nationale Politik und Lage. Wagner führte an: Wenn das nationale Wohlergehen gut ist, wird es der nationalen Politik zugeschrieben und die Skepsis der EU steigt tendenziell an. Unzufriedenheit mit der nationalen Politik führt in einem Land eher zu einer steigenden Befürwortung Europas.
Wagner hielt fest: Es gibt verschiedene Skeptizismen - und es könne nur verschiedene, keine generellen Antworten geben.
Euroskeptizismus, so die Professorin, gehe mit einer starken Identität in einem Land einher, Bürger wünschten in dem Fall keine andere Territorial-Zuweisung, erläuterte Wagner, die auch als Medienwissenschaftlerin Einblicke in die Mechanismen der Medien gab, in Social Bots, Trolle, Filterblasen und Fake-News. Es werde beispielsweise interessant zu sehen, so Wagner, wie viele Twitter-Bots, also computerverfasste und gesteuerte Tweets, im Zuge der Europa-Wahl abgegeben werden.
Zum Politischen Forum hatte der Verband der Deutschen Büchereien eingeladen, in Zusammenarbeit mit der Schleswigschen Partei und dem Bund Deutscher Nordschleswiger.