Leitartikel

„Nach Husum: Nordschleswig könnte an Einfluss verlieren“

Nach Husum: Nordschleswig könnte an Einfluss verlieren

Nach Husum: Nordschleswig könnte an Einfluss verlieren

Apenrade/Aabenraa
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Die Deutschen in Dänemark haben sich stets für andere Minderheiten in Europa eingesetzt. Besonders im Fokus: die europäische Dachorganisation FUEN. Doch während kultureller Nationalismus in Europa an Boden gewinnt, verliert die Vielfalt an Bedeutung – und das geht auch an der FUEN nicht spurlos vorbei, meint Cornelius von Tiedemann.

Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel wurde am 27. September 2024 um Informationen bezüglich des Fernbleibens der Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten vom Kongress der FUEN ergänzt.

Europas autochthone, also traditionell ansässige Minderheiten, stecken in einer tiefen Krise. Ihre Interessenvertretung, die FUEN, zeigt sich zugleich leider nicht in Bestform. 

Dabei wäre das angebracht: Ein Krieg tobt in Europa, der auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird. Gleichzeitig ignoriert die EU-Kommission den dringenden Bedarf an standardisiertem Minderheitenschutz, obwohl eine europaweite Bürgerinitiative, unterstützt vom EU-Parlament sowie nationalen und regionalen Regierungen, genau dies fordert. Wahlerfolge für kulturnationalistische Kräfte in ganz Europa verschärfen die Situation zusätzlich.

Kein Wunder also, dass eine kürzlich von der FUEN (Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten) initiierte Tagung von Expertinnen und Experten zu dem Schluss kam: In den vergangenen 20 Jahren gab es mehr Rück- als Fortschritte beim Minderheitenschutz – und das auf einem Kontinent, der sich einst als Hochburg der Humanität und des zivilisatorischen Fortschritts rühmte.

Die FUEN in der Krise

Eine starke Interessenvertretung wäre gerade jetzt dringend nötig. Doch die jüngste FUEN-Tagung in Husum hinterließ mehr Fragen als Antworten: Wer wird in einem Jahr neuer Präsident? Warum das unwürdige Schauspiel um die Vergabe der Europeada? Und warum wirkte die Versammlung teils planlos?

Man ließ extra angereisten neuen Mitgliedern aus Finnland, Lettland oder Österreich kaum Zeit, sich zu präsentieren, verlor sich in Abstimmungen, bei denen kaum noch jemand wusste, worum es überhaupt ging – und gipfelte darin, dass das Präsidium über eine Reform der Mitgliedsbeiträge informierte, ohne überhaupt das nötige Mandat der Delegiertenversammlung dafür zu haben. 

Kein Wunder, dass ein Vorschlag aus Nordschleswig, die Versammlung in Zukunft besser zu strukturieren, großen Zuspruch erhielt.

Hinzu kommt, dass die FUEN weiterhin stark von wenigen Geldgebern wie Deutschland und Ungarn abhängt. Zwar arbeitet die Organisation effizient mit den vorhandenen Mitteln, doch fehlt es offensichtlich an einer fundierten Fundraising-Strategie. Und manch einer befürchtet überdies, dass sich die FUEN in Husum selbst ins Bein geschossen hat.

Der Proporz – Fluch oder Segen?

Der Auslöser dieser Befürchtungen: Ab den nächsten Wahlen auf dem Kongress 2025 wird das FUEN-Präsidium proportional nach Sprachgruppen besetzt. Jede Sprachgruppe erhält nur einen Sitz im Vorstand. Das bedeutet, dass die deutschsprachigen Minderheiten, die bisher stark vertreten waren, künftig nur noch einen von acht Sitzen innehaben werden. Dasselbe gilt für die slawischen Minderheiten, die ungarische Gruppe und Gemeinschaften ohne „Kin State“ wie die Friesen oder Ladiner.

Diese Regelung mag auf den ersten Blick fair erscheinen, schränkt jedoch die Wahlfreiheit der Delegierten erheblich ein – eine Kritik, die auch die Vertreter des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) vorgebracht haben. Ein Kompromissvorschlag, der vorsah, dass Sprachgruppen ohne gewählte Vertreterin oder Vertreter einen Beobachterstatus im Präsidium erhalten, fand keine Mehrheit.

Für die traditionell stark vertretenen deutschen Minderheiten bedeutet dies einen deutlichen Verlust an Einfluss. Von derzeit drei bleibt dann nur noch einer von acht Präsidiumsplätzen.

Deutscher Einfluss schwindet

Die Bundesrepublik Deutschland ist der größte Geldgeber der FUEN. Dass die Minderheitenbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, es vorgezogen haben soll, im Jubiläumsjahr der FUEN mit der um Bundesmittel konkurrierenden „Stiftung Verbundenheit“ auf Reisen zu gehen, anstatt den Kongress in Deutschland zu besuchen, sorgte in Husum für Unmut. Wie „Der Nordschleswiger“ im Nachgang des Kongresses in Berlin bestätigt bekam, fußte dieser Unmut jedoch nicht auf Tatsachen: Pawlik war nicht mit der Stiftung unterwegs, sondern nahm schon vor der Einladung nach Husum zugesagte Termine im Rahmen ihrer Beauftragtentätigkeit wahr.

Dennoch: Sollte der deutsche Einfluss in der FUEN weiter schwinden, könnte dies auch das Interesse des Bundesinnenministeriums an einer großzügigen Finanzierung weiter schmälern. Die Bedeutung des Standorts Flensburg dürfte gegenüber Berlin und Brüssel weiter abnehmen.

Es ist klar: Auch die Minderheitenwelt muss nicht am deutschen Wesen genesen. Doch solange Ungarn der zweitgrößte Geldgeber bleibt und im Gegensatz zu Berlin kaum Bedingungen für die Mittelverwendung stellt, könnte sich die FUEN mit ihrer an sich guten Idee der Repräsentation ins eigene Fleisch schneiden.

Was bringt die Zukunft?

Sollte nächstes Jahr die Regel geändert werden, um Lórant Vincze, den ungarischen Präsidenten aus Rumänien, ein viertes Mal ins Amt zu wählen, dürfte der ungarische Geldfluss zwar weiterhin gesichert sein. Doch die Frage bleibt, ob die FUEN dann noch als Organisation der Vielfalt wahrgenommen wird – so wie es der Präsidium-Proporz eigentlich vorsieht.

Schon jetzt kämpft die FUEN um jeden Cent aus Berlin. Die „Stiftung Verbundenheit“, die sich vorrangig um deutsche Gemeinschaften in Südamerika und Osteuropa kümmert, erhält bereits fast genauso viel Geld wie die FUEN – über 600.000 Euro – aus dem Bundesinnenministerium. Und Natalie Pawlik schenkt ihr offenbar, das ließ das Fernbleiben in Husum manche denken, wenngleich es sich als falsch herausstellte, mehr Aufmerksamkeit.

Ist also Weltuntergangsstimmung angesagt? Keineswegs. Nie war die FUEN so wichtig wie heute. Und deshalb ist die Chance für eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Zeit nach Vincze riesig, sich mit Ideenreichtum und Engagement die Aufmerksamkeit von Politik und Geldgebenden für die Sache der Vielfalt in Europa zu sichern. 

Denn trotz der Pannen beim Kongress: Die FUEN ist fachlich stark aufgestellt, arbeitet effizient und ist, auch dank Vincze, im Europaparlament gut vernetzt. Und nur, weil sie einmal nicht zum Geburtstag kam, heißt es nicht, dass die Minderheitenbeauftragte aus Berlin kein offenes Ohr mehr für die FUEN hat. Zumal, wenn diese auf Deutsch mit ihr spricht ...

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