Folketingswahl
30, Venstre und gegen Grenzkontrollen
30, Venstre und gegen Grenzkontrollen
30, Venstre und gegen Grenzkontrollen
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Folketingskandidat Chris Preuss will anstelle Ellen Trane Nørbys für Venstre ins dänische Parlament einziehen. Wer ist der Mann und was will er?
Der Wahlkampfkalender von Chris Preuss ist an diesem Dienstag voll gepackt, vier Termine zwischen Kollund und Sonderburg stehen auf dem Programm.
Der Kandidat für das Folketing hat ein Unternehmen in Ekensund (Egernsund) besucht, in einer halben Stunde geht es weiter zum Supermarkt nach Düppel, um mit Wählerinnen und Wählern zu reden. Zwischendurch nimmt sich Chris Preuss Zeit für ein Interview mit dem „Nordschleswiger“.
Chris Preuss statt Ellen Trane Nørby
Wir wollten wissen: Wer ist der Mann, der anstelle von Ellen Trane Nørby für die Partei Venstre aus dem Wahlkreis Südjütland ins Folketing einziehen will?
Beim Spaziergang durch den Gravensteiner Schlossgarten erzählt der 30-jährige Chris Preuss von sich.
„Da hinten habe ich als Kind gewohnt“, sagt Chris Preuss und zeigt über den Schlosssee hinweg auf die Häuserreihe am Ufer. Er ist in Gravenstein aufgewachsen und zur Schule gegangen, mittlerweile lebt er mit seiner Frau Emilie und zwei Hunden in Norburg (Nordborg).
Warum will er sein beschauliches Leben in Nordschleswig mit einem vollen Wahlkampfkalender tauschen, um ins dänische Parlament einzuziehen?
„Ich tue das, weil sich der Zustand Dänemarks und Nordschleswigs in vielen Bereichen in die falsche Richtung bewegt. Ich finde, es muss in eine andere Richtung gehen und wenn man so empfindet, muss man mit sich selbst ausmachen, ob man an der Seitenlinie stehen und sich beschweren will. Oder ob man selbst versucht, in die Politik zu gehen, um einen Unterschied zu machen. Und als Ellen beschloss, nicht erneut zu kandidieren, da wurde mir klar: Wenn ich jemals ins Folketing will, um einen Unterschied zu machen, dann muss es jetzt sein. Da ich das Privileg haben könnte, Sonderburg und Nordschleswig im Parlament zu präsentieren.“
Ich habe gelegentlich mal darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, selbst zu kandidieren. Aber ich war da noch nicht bereit. Im Laufe seines Lebens erkennt man, dass man richtig viele Dinge nicht weiß und ich war überzeugt, ich müsste mehr Erfahrung haben.
Chris Preuss, Folketingskandidat
Seit der Volksschule ist Chris Preuss politisch aktiv, vor rund 15 Jahren trat er der Partei Venstre in Sonderburg bei.
Wie kam er darauf, politisch aktiv zu werden?
„Ich bin der Partei eigentlich nicht beigetreten, um Politiker zu werden. Ich habe mich Venstre angeschlossen, weil ich in politischen Diskussionen mit anderen immer wieder festgestellt habe, dass ich oft nicht mit dem gegenüber übereinstimmte. Und ich dachte mir: Es muss doch Leute geben, die meiner Meinung sind! Ich fand heraus, dass Venstre meine Meinungen und Werte bestmöglich wiedergab.“
Wahlkampfhelfer für Tage und Ellen
Er schloss sich der Partei an und half beim Bürgermeister-Wahlkampf von Kommunalpolitiker Tage Petersen in Sonderburg (Sønderborg) mit. Er unterstützte Ellen Trane Nørbys letzten Folketingswahlkampf: Plakate aufhängen, Flyer verteilen und Dinge organisieren.
„Ich habe gelegentlich mal darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, selbst zu kandidieren. Aber ich war da noch nicht bereit. Im Laufe seines Lebens erkennt man, dass man richtig viele Dinge nicht weiß und ich war überzeugt, ich müsste mehr Erfahrung haben, im Arbeitsleben, aber auch im Leben generell, um genug mitzubringen. Um beitragen zu können. Das ist ja sehr individuell, wann man sich bereit dafür fühlt. Auf der anderen Seite denke ich: Es ist auch gut, wenn im Folketing Menschen verschiedenen Alters sitzen.“
Chris Preuss hat in Kopenhagen Lehramt studiert. Er arbeitete unter anderem für den Branchenverband „Landbrug og Fødevarer“ und half Landwirtschaftsschulen dabei, den Unterricht besser zu gestalten und Schulen weiterzuentwickeln. Er war als Berater in der Energiepolitik tätig und war Vorsitzender der Jugendorganisation „Dansk Ungdoms Fællesråd“.
Wenn er ins Parlament gewählt wird – was will er dann für die Kommune Sonderburg und Nordschleswig tun? Was würde er verbessern wollen?
„Zum Teil sind die Abstände in Dänemark zu groß. Ich finde, wir sollten noch mehr staatliche Arbeitsplätze nach Nordschleswig holen. Das, was bereits getan wurde, ist noch nicht genug. Obwohl wir bereits Arbeitsplätze umgesiedelt haben, stelle ich fest, dass in Kopenhagen 3.500 staatliche Arbeitsplätze entstanden sind. Ich finde, die sollten wir auf das ganze Land verteilen. Zum anderen finde ich: Wir benötigen noch mehr Ausbildungsmöglichkeiten in Nordschleswig. Ganz konkret sollte das Deutsch-Studium im Alsion in Sonderburg angesiedelt werden.“
Ich finde, wir sollten die Grenzkontrollen abschaffen. Und eine weitaus intelligentere Lösung einführen, die die Grenzpendler nicht beeinträchtigt.
Chris Preuss, Folketingskandidat
Es gab deutsch-dänische Studiengänge, die eben wegen der Grenze und den verschiedenen Systemen wieder abgeschafft wurden. Was kannst du tun?
„Ich möchte daran arbeiten, diese Grenzen abzubauen. Wir haben in unserer Gegend eine fantastische Geschichte zu erzählen. Wir sollten uns gegenseitig daran erinnern, uns weiterzuentwickeln. Weil wir ein Vorbild für den Rest der Welt sind, dass man über die Grenzen hinweg arbeiten kann. Aber auch weil es für Dänemark und Deutschland viel Sinn ergibt, diese enge Beziehung zu pflegen – und zu verbessern.“
Generell findet Chris Preuss: Als Grenzregion sei eine enge Zusammenarbeit mit Deutschland wichtig. „Mit den Grenzkontrollen und dem Wildschweinzaun haben wir dazu beigetragen, neue Barrieren zu schaffen. Ich unterstütze den Wildschweinzaun vollkommen, aber ich finde, wir sollten die Grenzkontrollen abschaffen. Und eine weitaus intelligentere Lösung einführen, die die Grenzpendler nicht beeinträchtigt und die ein Signal über die Grenze sendet, dass wir die enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit richtig doll wollen.“
Sein Zuhause ist mittlerweile Norburg – mitten im Randgebiet Dänemarks.
Was fehlt den Menschen auf dem Land, wofür will er sich einsetzen?
„Ich würde es nicht Randgebiet nennen, sondern Landdistrikt. Wir sollten uns trauen, den ländlichen Gebieten eine höhere Priorität zu geben. Derzeit stehen wir mitten in einer gewaltigen Energiekrise mit steigenden Preisen. Nehmen wir Blans, Tandslet, Fünenshaff. Dörfer, in denen es nur einen Kaufmann gibt. Ich habe Tina vom Kaufmann in Blans besucht und mit ihr über ihre Situation gesprochen. Die Energiepreise sind fast unbezahlbar geworden, die Existenz ist bedroht. Das ist ein unglaubliches Problem in den Dörfern, in denen alles getan wurde, um den Kaufmannsladen zu bewahren, und jetzt drohen die explodierenden Preise, diesen Einsatz zunichtezumachen. Tinas Stromrechnung steigt wohl von 50.000 Kronen auf 150.000 Kronen. Das wird richtig, richtig schwer. Und hier müssen wir helfen. Denn wenn die Krise zuschlägt, sind es in erster Linie die Menschen in den Landdistrikten, die es zu spüren bekommen. Wir müssen dafür einstehen, dass die neue Krise nicht wieder eine Krise für die Landdistrikte wird.“
Jeder sollte über den Winter kommen, und daher müssen wir den am schlimmsten Betroffenen helfen.
Chris Preuss, Folketingskandidat
In welchem Maße sollte der Staat in der jetzigen Energiekrise eingreifen, um den Menschen zu helfen?
„Wir können nicht allen helfen. Die Hilfe muss zielgerichtet sein. Beispielsweise an die Geschäfte, die sonst nicht durch den Winter kommen. Zum Teil als Kredit, zum Teil als Unterstützung. Wir müssen aber auch den Däninnen und Dänen helfen. Wir hören furchtbare Geschichten von Familien, die aus ihrem Haus in einen Wohnwagen ziehen, weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Das schneidet einem ins Herz, dass in so einer reichen Gesellschaft wie der unseren Menschen so an den Rand gedrängt werden. Daher haben wir vorgeschlagen, die Stromgebühr so weit wie möglich zu senken, wir haben auch vorgeschlagen, die Gas-Steuer zu senken und ich denke, das sind zwei wichtige Schritte.“
Als Kunde des Fernwärmewerkes auf Nordalsen sei er als Hausbesitzer in Norburg „dankbar für die Wärmeversorgung“, aber selbst bei der Fernwärme würden Preissteigerungen von 30 Prozent anfallen.
„Wir alle werden die Situation zu spüren bekommen. Aber jeder sollte über den Winter kommen, und daher müssen wir den am schlimmsten Betroffenen helfen.“
Was will er besser machen als die jetzige Regierung unter Mette Frederiksen?
„Ich wünsche mir vor allem eine neue Regierung wegen der Art und Weise, wie man mit dem Privileg umgeht, in Dänemark an der Macht zu sein. Da muss mehr Offenheit her, mehr Austausch und Einbeziehung von anderen Meinungen, bevor Entscheidungen getroffen werden. Es ist zu machtversessen geworden und ich finde nicht, dass das eine dänische Tradition ist, wie eine Regierung zu führen ist. Wir brauchen breite Absprachen quer durch das Folketing, Expertenmeinungen und den gemeinsamen Austausch, um Dänemark weiterzuentwickeln. Ich finde, Entscheidungen müssen langfristig halten und man muss auch auf jene hören, die eine andere Meinung haben.“
Nach einem Blick auf die Uhr kommt die letzte Frage des Interviews.
Spricht Chris Preuss Deutsch?
„Ganz ehrlich: Ich wünschte, es würde besser sein. Aber ich kann mich einigermaßen unterhalten, ich habe Deutsch im Lauf der Volksschule gelernt. Gelegentlich lese ich auf Deutsch, damit es besser wird. Denn generell bin ich der Meinung, dass wir in Dänemark besser Deutsch lernen und sprechen sollten. Deutschland ist nun mal unser großer Nachbar, direkt neben uns!“
Durch die große Buchenhecke am Schloss geht es zurück zum Parkplatz. Der Wahlkampf ruft, der Einsatz vor dem Supermarkt in Düppel steht auf dem Programm. Ob Chris Preuss ins dänische Parlament gewählt wird, entscheidet sich bei der Folketingswahl am 1. November.