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Nationale Strategie gegen Einsamkeit: „Sehen das auch in Nordschleswig“
Nationale Strategie gegen Einsamkeit: „Sehen das auch in Nordschleswig“
Strategie gegen Einsamkeit: Sehen das auch in Nordschleswig
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Einsamkeit betrifft lange nicht nur ältere Menschen. Auch viele Jugendliche fühlen sich vermehrt einsam. Eine neue Strategie soll die Zahl der Betroffenen in Dänemark bis 2040 halbieren. Insgesamt 75 Initiativen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft wollen gegen das Alleinsein angehen. Das Thema steht auch beim Sozialdienst Nordschleswig auf der Agenda, wie Abteilungsleiterin Ursula Petersen berichtet.
Mit einer nationalen Strategie und insgesamt 75 Initiativen aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft soll die Einsamkeit in Dänemark bis 2040 halbiert werden. Etwa 600.000 Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nach aktuellen Zahlen einsam. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen, aber besonders stark ist der Anstieg unter jungen Menschen: Jede oder jeder Fünfte zwischen 16 und 24 Jahren ist einsam.
Der Aktionsplan wird am Mittwoch in Christiansborg vorgestellt. 115 Organisationen unter der Leitung des Roten Kreuzes und der Seniorenorganisation Ældre Sagen haben den Plan ausgearbeitet.
Unter anderem sieht er vor, Modelle zur Erkennung und Unterstützung einsamer Jugendlicher in Schulen zu entwickeln. Außerdem sollen von staatlicher Seite Konzepte zur Entstigmatisierung der Einsamkeit entwickelt werden. Ein nationales Forschungs- und Wissenszentrum soll zusätzlich eingerichtet und mehr Unterstützungsprogramme für einsame Menschen geschaffen werden. Menschen, die an sozialen Wahrnehmungsproblemen leiden, soll als Folge von Einsamkeit eine psychologische Behandlung angeboten werden.
Was im Land bemerkbar ist, das bemerken wir auch.
Ursula Petersen, Sozialdienst Nordschleswig
Einsamkeit auch in Nordschleswig ein Problem
Ursula Petersen vom Sozialdienst Nordschleswig begrüßt die Initiative. „Was im Land bemerkbar ist, das bemerken wir auch.“ An das Problem lasse sich nur als Gemeinschaft herantreten. Noch gebe es kein Netzwerk, um die Einsamkeit zu bekämpfen. „Wir müssen uns das mehr angucken. Wir nehmen das sehr ernst und es ist auch Thema in unseren Arbeitsgruppen“, sagt Petersen auf Nachfrage des „Nordschleswigers“. Ein Problem sei, dass es schwierig ist, an Betroffene heranzukommen, weil sie oft nicht von sich aus Hilfe suchen. Das sei ein Knackpunkt. „Gerade Jugendliche, die sich einsam fühlen, bemerkt man oft nicht. Sie fallen nicht auf. Sie sehen aus wie alle anderen.“
Im Januar hatte „Der Nordschleswiger“ Jugendliche am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig anonym zum Thema Einsamkeit befragt. Von 81 Teilnehmenden gaben rund ein Viertel an, sich während der Schulzeit ab und zu einsam zu fühlen. Acht gaben an, sich entweder einsam oder sehr einsam zu fühlen. Außerhalb der Schulzeit sind die Zahlen höher. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler gaben jedoch mehrheitlich an, keine Hilfe zu wollen.
Oft seien die psychischen Herausforderungen so groß, sagt Petersen, dass die Eltern ratlos sind.
„Das erste, was wir tun müssen, ist, die Einsamkeit zu enttabuisieren. Du bist nicht allein, und es ist in Ordnung, die Hand auszustrecken“, sagt Anders Ladekarl, Generalsekretär des dänischen Roten Kreuzes laut Pressemitteilung. Er weist darauf hin, dass Einsamkeit die Lebenserwartung der Menschen verkürzt und es jungen Menschen erschwert, ihre Ausbildung abzuschließen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Sozialrezepte und Besuchsfreunde
Laut Ladekarl müssten einsame Menschen die Möglichkeit bekommen, Teil von Gemeinschaften zu werden – am Arbeitsplatz, in Organisationen und auf andere Weise. Der Blick geht dabei nach England, wo Ärzte sehr erfolgreich sogenannte Sozialrezepte für einsame Menschen ausgestellt haben. Sie werden so an Menschen verwiesen, die ihnen helfen können.
„Wir haben beim Sozialdienst seit Jahren die Besuchsfreunde, die unsere Familienberaterinnen und -berater vermitteln“, sagt Petersen. „Hier liegt der Fokus auf der Einsamkeit.“ Denn es seien bei weitem nicht nur Ältere, sondern immer häufiger auch Jüngere, die unter Einsamkeit leiden würden.
Gerade Jugendliche, die sich einsam fühlen, fallen nicht auf. Sie sehen aus wie alle anderen.
Ursula Petersen, Sozialdienst Nordschleswig
Initiativen brauchen Geld für Arbeit
Die innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokratischen Partei und eine der beiden Vorsitzenden des parteiübergreifenden Netzwerks gegen Einsamkeit im dänischen Parlament, Birgitte Vind, lobt die harte Arbeit der Organisationen. Jetzt gehe es darum, den Worten auf dem Papier auch Taten folgen zu lassen. Einige der Initiativen bräuchten zusätzliche und dauerhafte Finanzmittel.
„Wir müssen bedenken, dass Einsamkeit sehr unterschiedlich aussehen kann. Auch Menschen, die sich einer Organisation anschließen, können einsam sein. Es ist eine sehr individuelle Sache, aber auch eine sehr verheerende Sache, für die wir eine gemeinsame Sprache brauchen. Das muss nicht unbedingt Geld kosten. Es geht vor allem darum, wie wir miteinander umgehen“, so Vind laut Pressemitteilung.
Soziale Medien als Auslöser für Einsamkeit?
Man wisse, dass alles, was im Internet passiert, bei jungen Menschen zu großer Einsamkeit führt, so Vind „Es ist die Zeit, die sie vor den Bildschirmen verbringen, und die Einsamkeit, die damit einhergeht, dass sie auf Normen und Regeln stoßen, die sie mit niemandem teilen können.“ Es brauche dabei mehr als Geld – etwa auch die Regulierung durch Erwachsene.
Das sieht auch Petersen so: „Ich glaube, dass ein Grund für Vereinsamung bei Jugendlichen die sozialen Medien sind. Auf TikTok oder Youtube wird dir permanent gezeigt, wie du sein müsstest. Wer früh anfängt, solche Inhalte zu konsumieren, der droht sich zu isolieren.“
Das belegen mittlerweile auch verschiedene Studien. Sie zeigen, dass eine zu intensive Nutzung sozialer Netzwerke einsam macht. So scheint es möglich, dass junge Erwachsene, die sich bereits sozial isoliert fühlen, als Ausweg vermehrt soziale Medien nutzten, sagt Forscherin Elizabeth Miller von der Universität Pittsburgh über ihre 2017 erstellte Studie. Ein Ergebnis der Studie: Nutzerinnen und Nutzer, die am Tag mehr als zwei Stunden mit sozialen Medien verbringen, haben eine doppelt so hohe Anfälligkeit für Gefühle sozialer Isolation wie solche, die weniger als 30 Minuten pro Tag auf Instagram, TikTok und Co. verbringen.