Kulturkommentar

„Von der Hölle ins Paradies“

Von der Hölle ins Paradies

Von der Hölle ins Paradies

Rainer Borsdorf
Rainer Borsdorf Praktikant
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Lange Autobahnfahrten gleichen derzeit in Deutschland einer Tortur, in Dänemark sind sie ganz entspannt. Diesen Eindruck hatte zumindest Journalist Rainer Borsdorf zu Beginn seines Praktikums.

Eine Autobahnfahrt von Deutschland nach Dänemark scheint derzeit dem zu gleichen, was die Menschen des Mittelalters beim Bezahlen eines Ablassbriefes empfunden haben müssen: dem Wechsel von der Hölle ins Paradies nämlich.

In Deutschland: kilometerlange Baustellen, auf denen sich oft scheinbar, teils über Wochen, gar nichts tut. Hier und da mal ein Bagger, der ein Stückchen alte Autobahn auf die Schippe nimmt und auf einen Laster kippt. Dann eine ganze Weile nichts – danach wieder zwei, drei einsame Leute mit Presslufthammer und Schaufel. Nicht selten arbeiten sie nach dem „DDR-Prinzip“: Einer arbeitet, zwei gucken zu. Ansonsten: Still ruht der See.

Nun ist es (noch) nicht so, dass der Bundesverkehrsminister in seiner unergründlichen Weisheit – wie bei der Bahn – auf „Vollsperrung“ plädiert hat. Nein, er lässt dem motorisierten Volk zwei Spuren (manchmal auch nur eine), um von A nach B zu gelangen. Aber irgendwie ist es merkwürdig: Das eigene Auto scheint über Nacht an Leibesfülle, sprich an Breite, zugenommen zu haben.

Oder haben die Leute, die die Baustellen-Fahrbahnen markieren, Maß bei Autos der Marke „Trabant“ genommen? Wie dem auch sei: Die verbleibenden zwei Spuren sind meist so schmal, dass an ein unbeschadetes Vorbeikommen an Lkws und dergleichen nicht zu denken ist. Das ficht den deutschen Autofahrer (egal ob Mann oder Frau) aber ebenso wenig an wie das garstige runde Schild mit dem roten Kreis und der hässlichen Zahl „80“ darin. Die Augen zu Sehschlitzen zusammengekniffen und das Lenkrad fester als den eigenen Partner umfasst, quetscht er todesmutig sich und sein Gefährt mit hundert oder mehr Sachen durch die schmale Gasse, die ihm die Brummis rechts und die Leitplanke links noch lassen.

‘Puh, das ging ja noch mal gut, war aber (wieder) verdammt knapp‘, denkt er sich. Aber mit derlei – eigentlich überlebenswichtigen – Gedanken hält er sich nicht lange auf, denn endlich, endlich ist das Ende der Baustelle in Sicht! Nun heißt es schnell noch, mit Dicht-Auffahren, unter Einsatz von Lichthupe, richtiger Hupe oder ähnlichen Druckmitteln lästige Konkurrenten vor sich auszuschalten, d. h. in die rechte Spur zu drängen, um eine gute Startposition fürs Gasgeben nach der Baustelle zu haben. 

Jedoch: Die Freude am Fahren währt nicht lange, und schon macht ein wahrer Schilderwald auf die nächste Baustelle aufmerksam. Und so geht das immer weiter, bis … ja, bis endlich die dänische Grenze in Sichtweite kommt. Kaum hat er die passiert, reißt der Autofahrer verwundert die Augen auf: keine Baustelle weit und breit – auch nach Dutzenden Kilometern nicht. 

Die Straßen sind breiter, die Luft riecht besser, das Gras ist grüner – und alle, die ein Auto fahren, sind irgendwie plötzlich viel entspannter (seltsamerweise auch diejenigen aus Deutschland): Keiner rast, keiner drängelt, keiner zeigt dir im Vorbeifahren den Stinkefinger oder wartet mit ähnlichen Nettigkeiten auf. Einziger Wermutstropfen: Mit mehr als 130 Sachen darfst du auf der Autobahn nicht dahinbrettern. Und zu schnelles Fahren wird richtig teuer: Schon ab 6 km/h über dem Erlaubten zahlst du 1.200 Kronen. Aber ansonsten: „Willkommen im (Autofahrer-) Paradies Dänemark!“

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

Mehr lesen

Kommentar

Gerrit Hencke
Gerrit Hencke Journalist
„Grenzüberschreitender Verkehr: Warum Bus und Zug kaum eine Alternative sind“

Das Wort zum Sonntag

Carsten Pfeiffer
Carsten Pfeiffer
„Wort zum Sonntag, den 17. Sonntag nach Trinitatis, 22. September 2024 “

Leitartikel

Marle Liebelt Portraitfoto
Marle Liebelt Hauptredaktion
„Der FUEN-Kongress nordet die deutsche und die dänische Minderheit ein“