Kommentar
„Grenzüberschreitender Verkehr: Warum Bus und Zug kaum eine Alternative sind“
Grenzüberschreitender Verkehr: Warum Bus und Zug kaum Alternativen sind
Warum Bus und Zug im Grenzland kaum Alternativen sind
Diesen Artikel vorlesen lassen.
THEMA ÖPNV: Wer über die Grenze zur Arbeit pendelt, der nimmt vorzugsweise das Auto. Das kostet zwar deutlich mehr Geld, spart aber viel Zeit. Um dies zu ändern, bräuchte es mehr Direktverbindungen per Bus oder Bahn zu attraktiven Preisen – sonst bleibt der öffentliche Verkehr eine Randnotiz für Grenzpendelnde. Steuerliche Anreize für das Rad könnten ebenfalls helfen, meint Journalist Gerrit Hencke
Die Grünen in Flensburg wollen weiterhin einen Pendlerbus nach Pattburg (Padborg) realisieren. Sieben Fragen an die Verwaltung hatten sie im Sommer geschickt, auf die sie im Planungsausschuss Antwort erwarten. Auch, weil eigentlich niemand die genaue Zahl an Pendlerinnen und Pendlern kennt, die so eine Busverbindung beanspruchen würden. Der Grüne-Fraktionsvorsitzende, Leon Bossen, ist jedoch überzeugt, dass es diese Route braucht.
Von den 12.237 Grenzpendlerinnen und Grenzpendlern arbeiteten im vergangenen Jahr 7.098 in der Region Süddänemark, davon 4.903 in den vier nordschleswigschen Kommunen.
Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) nannte die Idee für die Verbindung im Mai „rausgeschmissenes Geld“. Kürzlich schlug jedoch das Verkehrsministerium in Kiel vor, Flensburg mit einem zweistündigen Shuttlebus an den Fernverkehr in Pattburg anzubinden.
Auto und S-Pedelec
Mein Nachbar hat vor einer Weile einen Kommentar dazu an die „Flensborg Avis“ geschrieben, in dem er die Busverbindung als Steuerverschwendung bezeichnet. Man spare durch den Bus auf der Linie 39 keine Zeit und sei sogar mit dem Fahrrad schneller. Anlass genug, einmal meinen Weg zur Arbeit nach Apenrade aufzuschlüsseln.
Ich fahre aus dem Flensburger Norden in der Regel mit meinem S-Pedelec (E-Bike mit Unterstützung bis 45 km/h) oder mit dem Auto nach Apenrade. Mit dem S-Pedelec ist die 30 Kilometer lange Strecke im Mittel in 55 Minuten absolviert. Mit dem Auto benötige ich über Krusau (Kruså) und die Autobahn etwa 30 Minuten. Bei beiden Varianten bin ich zeitlich flexibel, kann also den Zeitpunkt meiner Hin- und Rückfahrt frei wählen.
Lange Fahrt- und Umsteigezeiten mit Bus und Bahn
Um mit der Bahn nach Apenrade (Aabenraa) zu kommen, müsste ich morgens zunächst den Bus oder das Fahrrad zum Flensburger Busbahnhof (ZOB) nehmen. Das dauert von meinem Wohnort im Norden der Stadt etwa 10 Minuten. Dort fährt am Morgen der zeitlich günstigste Bus um 8.10 Uhr nach Pattburg – bislang aber nicht zum dortigen Bahnhof. Für die Strecke benötigt der Bus 24 Minuten. Eine Verlängerung der Linie 39 dürfte voraussichtlich in eine etwas längere Fahrzeit münden, rechnen wir mit insgesamt 30 Minuten.
Nehmen wir an, der Bus ist um 8.40 Uhr am Bahnhof. Aktuell fährt der IC von dort frühestens um 9.06 Uhr in Richtung Rothenkrug (Rødekro). Die Umsteigezeit liegt also bei 25 Minuten. In Rothenkrug müsste ich dann einen weiteren Bus nehmen, um zum Busbahnhof in Apenrade zu kommen. Dauer ab Pattburg insgesamt: 52 Minuten. Bei dieser Variante wäre ich knapp 2 Stunden unterwegs − und das ist nur der Hinweg.
Eine direkte Busverbindung von Pattburg nach Apenrade besteht stündlich – etwa um 8.30 und 9.30 Uhr. Die Fahrzeit beträgt 54 Minuten. Da der erste Bus nicht zu erreichen ist, würde ich 50 Minuten Aufenthalt am Bahnhof haben, bevor ich die direkte Busverbindung nehmen könnte. Mit dieser Variante wäre ich noch deutlich länger unterwegs.
Bus durch Fahrrad ersetzen
Verkürzen ließe sich, wie auch mein Nachbar anmerkt, die Fahrzeit mit dem Fahrrad. Aus dem Flensburger Norden braucht man für die Strecke zum Bahnhof in Pattburg etwa 20 Minuten. Zum Vergleich: Die Fahrt zum Flensburger Busbahnhof und anschließend mit dem Bus würde voraussichtlich 45 Minuten dauern.
Fazit: Um Apenrade zu erreichen, ist Pattburg für mich als Pendler keine Option.
Direktverbindung ab Krusau
Günstiger ist es, um 7.49 Uhr in den Bus in Krusau (Kruså) zu steigen, der direkt zum Busbahnhof nach Apenrade fährt. Dauer: 35 Minuten. Zuvor müsste ich mit dem Flensburger Stadtbus (Linie 1) zur Grenze fahren, was von meinem Wohnort rund 7 Minuten dauert. Die Umsteigezeit in Krusau beträgt 20 Minuten. Am Busbahnhof in Apenrade bin ich fünf Gehminuten von der Redaktion entfernt. Zeit unterwegs: 1:07 Stunden.
Wenig attraktiv für Grenzpendlerinnen und -pendler
Es ist daher nur schwer vorstellbar, wie eine verlängerte Busverbindung zum Bahnhof in Pattburg attraktiv für Pendlerinnen und Pendler sein kann, die etwa in Apenrade oder aber in Sonderburg (Sønderborg) oder Tondern (Tønder) arbeiten.
Von Pattburg nach Tondern dauert es mit der schnellsten Verbindung 1:16 Stunden (Zug und Bus, ein Umstieg). Mit dem Auto veranschlagt Google Maps 45 Minuten.
Nach Sonderburg geht es am schnellsten mit dem Bus. Hier können Pendlerinnen und Pendler aus Flensburg direkt die Linie 110 nehmen, die vom ZOB in 1:14 Stunden in Sonderburg ist. Ein Umweg über Pattburg ergibt wenig Sinn und verlängert unnötig die Reisezeit. Mit dem Auto ist man laut Google Maps in 34 Minuten in Sonderburg.
Wer nach Hadersleben pendelt, dürfte mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch länger brauchen, da Hadersleben (Haderslev) keine direkte Zuganbindung besitzt. Hier müsste von Woyens (Vojens) aus ebenfalls noch ein weiterer Bus genommen werden.
Hohe Kosten für das Auto
Blickt man auf die finanziellen Aspekte für die Strecke Krusau-Apenrade, so ergibt sich ein unterschiedliches Bild.
Die Kosten pro Arbeitsmonat mit 21 Tagen (5-Tage-Woche) liegen für ein Auto bei etwa 4.200 Kronen (Berechnung siehe Infobox). Für den Bus müssen Monatskarten auf beiden Seiten der Grenze für etwa 1.800 Kronen bezogen werden. Wer mit dem Fahrrad bzw. Pedelec fährt, muss monatliche Kosten von 987 Kronen berechnen.
Damit ist das Fahrrad zu meinem Arbeitsplatz das günstigste Verkehrsmittel und liegt zeitlich etwa auf dem Niveau des ÖPNV. Dahinter folgt der Bus, der zwar günstiger ist, als das Auto, aber mit knapp unter 2 Stunden auch deutlich mehr Reisezeit veranschlagt. Das Auto ist das teuerste Verkehrsmittel, aber auch das schnellste.
Fazit: Um wirklich attraktive Angebote für Pendlerinnen und Pendler im Grenzland zu schaffen, braucht es einheitliche, grenzüberschreitende Tarife – etwa ein Grenzlandticket für Bus und Bahn – sowie mehrere Direktverbindungen zwischen den großen Grenzlandgemeinden, die einfach zu erreichen, schnell und kostengünstig sind. Im besten Fall ist die Fahrradmitnahme inkludiert, um die letzten Meter komfortabel zurücklegen zu können.
Weil diese Infrastruktur nicht oder kaum besteht, spielt der öffentliche Nahverkehr für die knapp 5.000 Pendlerinnen und Pendler nach Nordschleswig kaum eine Rolle. Daran wird auch ein Shuttlebus zum Bahnhof in Pattburg nichts ändern.