Dänemark

Adoptierte grönländische Kinder fordern Millionen Kronen vom Staat

Adoptierte grönländische Kinder fordern Millionen Kronen vom Staat

Adoptierte grönländische Kinder fordern Millionen vom Staat

ghe/Ritzau
Nuuk/Kopenhagen
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Grönland
Es gibt viele Geschichten über kritische Adoptionen grönländischer Kinder nach Dänemark – insbesondere in den 1960er-Jahren. Foto: Thomas Traasdahl/Ritzau Scanpix

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Zahlreiche grönländische Kinder sind in der Postkolonialzeit nach Dänemark adoptiert worden – ohne Einwilligung der leiblichen Eltern. Da der dänische Staat die zweifelhaften Adoptionen genehmigte, fordern einige Opfer nun Schadenersatz.

Kinder, die in den 1950er- bis 1970er-Jahren aus Grönland unter zweifelhaften Bedingungen adoptiert wurden, fordern eine Erstattung vom dänischen Staat. Das sagt Anwalt Mads Pramming, der die millionenschwere Schadenersatzforderung für vier der adoptierten Personen eingereicht hat. 

Staat wusste von zweifelhaften Adoptionen

„Es gibt keinen Zweifel daran, dass der Staat wusste, dass es Probleme mit der Art von Adoptionen gab“, sagt er. Mads Pramming hat eine Vorladung für den Fall ausgearbeitet, dass der Staat die Forderung in Höhe von insgesamt einer Million Kronen ablehnen sollte. „Wenn sie nicht bezahlen, schicken wir eine Vorladung.“

Der Anwalt sagt, er werde fortlaufend von anderen Betroffenen kontaktiert, weshalb die Gruppe, die Schadenersatz vom Staat fordert, über die Zeit noch anwachsen kann. 

Adoption ohne Einwilligung

Die Menschen, die Pramming vertritt, wurden aus Grönland nach Dänemark ohne Einwilligung der Eltern adoptiert. „Das Problem ist, dass der Staat die zweifelhaften Adoptionen genehmigt hat“, sagt er. Es gebe einige Geschichten über zu kritisierende Adoptionen grönländischer Kinder, besonders in den 1960er-Jahren. 

Im Jahr 2020 war es Alfred Dam, der der Zeitung „Dagbladet Information“ über Erlebnisse berichtete, die sich in seiner Zeit als Sozialchef in Grönland von 1967 bis 1971 ereigneten. Seinen Ausführungen nach adoptierten Bürgerinnen und Bürger aus Dänemark wie bei einem „Selbstbedienungsladen“ grönländische Kinder.

Dänische Auswandernde, wie Ärztinnen und Ärzte, Lehrende oder Krankenschwestern und -pfleger, traten laut Dam manchmal als Vermittelnde auf und halfen dabei, Kinder nach Dänemark zu schicken. Dabei sagten sie, dass die leibliche Mutter ihnen das Kind gegeben oder geliehen habe.

Sie nahmen mir meine Mutter, meine Familie, meine Sprache und meine Kultur.

Margrete Johansen

Klägerin will mit der Sache abschließen

Margrete Johansen ist eine der vier Adoptierten, für die Mads Pramming eine Forderung gestellt hat. Sie will die Sache damit ein für alle Mal abschließen. Sie kam Anfang der 1950er-Jahre mit einem Ehepaar nach Dänemark, das sie zuvor adoptiert hatte. Erst 40 Jahre später konnte sie ihre grönländische Mutter ausfindig machen. 

„Meine Mutter hatte nicht verstanden, warum ihr einziges Kind zur Adoption freigegeben wurde. Sie nahmen mir meine Mutter, meine Familie, meine Sprache und meine Kultur“, sagt sie.

Es sei Teil der grönländischen Geschichte, dass man ohne Weiteres ein Kind haben kann, das bei jemand anderem lebt und aufwächst, zu dem man aber nie den Kontakt verliert, sagt Margrethe Johansen. Am Ende sei sie gezwungen gewesen, ihr Kind aufzugeben, sagt sie.

Die Forderungen kommen in einer Zeit, in der mehr über das Gebaren Dänemarks als Kolonialmacht bekannt wird. Zuletzt sorgte die Klage von 143 Grönländerinnen für Aufsehen, denen zwischen 1966 und 1975 gegen ihren Willen Spiralen zur Empfängnisverhütung eingesetzt worden waren – eine Verletzung der Menschenrechte. Eine grönländische Arbeitsgruppe, die sich dafür einsetzt, die Übergriffe durch den dänischen Staat aufzudecken, wurde im vergangenen Jahr vom Rat für Menschenrechte mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet.

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