Antrittsbesuch des Minderheitenbeauftragten
„Anwalt der Minderheiten" in Nordschleswig
„Anwalt der Minderheiten" in Nordschleswig
„Anwalt der Minderheiten" in Nordschleswig
Antrittsbesuch im Haus Nordschleswig: Der Minderheitenbeauftragte der Bundesrepublik hat am Donnerstag die deutsche Minderheit in Nordschleswig kennengelernt. Bernd Fabritius stellte sich als „Anwalt der Minderheiten“ vor. Und fragte konkret nach: Wo benötigt die deutsche Minderheit derzeit Hilfe?
Dürfen die deutschen Schulen in Nordschleswig auch von der Mehrheitsbevölkerung genutzt werden? Wie positioniert sich der Bund Deutscher Nordschleswiger zum Vorhaben „Haus der Minderheiten“ in Flensburg? Und wo wünscht sich die deutsche Minderheit Unterstützung? Bei seinem ersten Besuch in Nordschleswig hat sich der Minderheitenbeauftragte der Bundesregierung, Bernd Fabritius, als Kenner von Minderheitenthemen erwiesen.
Ein Mann der Minderheiten für die Minderheiten
Nicht überraschend, ist der 53-Jährige doch als Siebenbürger Sachse in einer Minderheit aufgewachsen. Fabritius war unter anderem Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, der deutschsprachigen Minderheit im heutigen Rumänien. Seit April 2018 ist er Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten – und somit für alle Minderheiten des Landes und alle deutschen Minderheiten im Ausland zuständig.
Oft genug habe er mit seinen Vorgängern im Amt, beispielsweise Jochen Welt, Christoph Bergner oder Hartmut Koschyk, bei minderheitenpolitischen Treffen „auf der anderen Seite des Tisches gesessen“, so Fabritius. Jetzt ist er selber der Minderheitenbeauftragte.
Ich denke, dass es eine gute Entscheidung der Bundesregierung war, jemanden zum Beauftragten zu bestimmen, der selbst aus einer Minderheit kommt und mit den Themen vertraut ist.
Bernd Fabritius
„Ich denke, dass es eine gute Entscheidung der Bundesregierung war, jemanden zum Beauftragten zu bestimmen, der selbst aus einer Minderheit kommt und mit den Themen vertraut ist“, so Bernd Fabritius, als er sich am Donnerstagmittag im Haus Nordschleswig in Apenrade vorstellte. Das sei gut für „Verständnis und Nachdruck“, so Fabritius.
Offensichtliches Interesse am Kennenlernen
Im Gespräch mit Vertretern der Volksgruppe brachte er seinen Wunsch nach einer guten und konstruktiven Zusammenarbeit ebenso zum Ausdruck, wie sein offensichtliches Interesse am Kennenlernen der deutschen Minderheit, mit der er „bislang noch nichts zu tun gehabt“ habe.
Das sollte sich im Laufe des Gespräches schnell ändern. Beim Besuch der dänischen Minderheit in Südschleswig am Donnerstagvormittag habe er von den geplanten Schulschließungen gehört. „Wie ist das in Nordschleswig“, fragte Fabritius, „bis zu welcher Größe halten Sie ihre Schulen?“
BDN-Generalsekretär Uwe Jessen berichtete dem Besucher von der kürzlich beschlossenen Schließung der deutschen Schule Osterhoist, von der in Dänemark geltenden Unterrichtspflicht, vom Modell der Privatschulen und welche Förderung die Schulen durch den dänischen Staat erhalten.
Minderheitenschulen als Mehrwert
„Sind ihre Schulen denn nur für die deutsche Minderheit?“, fragte Fabritius, „oder öffnen sie ihre Schulen auch für dänische Eltern, die ihre Kinder auf eine deutsche Schule geben wollen?“ Er selbst, erzählte der Beauftragte, sei in Siebenbürgen auf eine Minderheitenschule gegangen, die auch von Kindern der Mehrheitsbevölkerung geschätzt wurde. Er habe Minderheitenschulen stets als Mehrwert auch für Kinder aus der Mehrheitsbevölkerung empfunden.
Der BDN-Hauptvorsitzende Hinrich Jürgensen stimmte ihm bei. Man betreibe in Nordschleswig keine deutschen Sprachschulen, sondern verstehe die Institutionen als Minderheitenschulen. Eltern und Kinder aus der Mehrheitsbevölkerung „kriegen das volle Minderheitenpaket mit“. Inwieweit sie sich dann selbst innerhalb der Minderheit engagieren, bleibe ihnen dann selbst überlassen.
Einblicke in Themen und Arbeit der Minderheit
Auch das Thema sprachpolitische Forderungen des BDN kam zur Sprache. Der Rechtsanwalt aus München erfuhr unter anderem, warum es in Nordschleswig noch immer keine zweisprachigen Ortsschilder gibt. „Da ich in Flensburg zweisprachige Ortsschilder entdeckt habe, ist es ja schon ein Bruch, dass es hier keine gibt. Das wäre ein Thema für den Europarat“, so der Beauftragte.
Ob Jugendverband, Theaterfahrten nach Flensburg, Sozialdienst, Chöre und Jugendpartei – die Vertreter des BDN-Hauptvorstandes gaben dem Gast aus Berlin einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Arbeit der Minderheit.
Hinrich Jürgensen berichtete von der Deutschlandstrategie der dänischen Regierung, für die man zurate gezogen worden sei. Und von den Bemühungen, das Projekt „Grenzgenial“ als Material-Lieferant für den Deutschunterricht an dänischen Schulen zu erhalten. Fabritius hatte mit seinem Hintergrundwissen der Berliner Politik umgehend einen Vorschlag, wie das Projekt möglicherweise finanziell ergänzend gefördert werden könnte. Er wusste es als „Minderheitler“ nur allzu gut: „So ganz ausfinanziert ist man ja nie.“
Bernd Fabritius wollte von den BDN-Vertretern außerdem wissen, wie man sich zum vorerst gescheiterten Projekt eines Hauses der Minderheiten in Flensburg positioniert.
„Der SSF (Sydslesvigsk Forening) hat sich zurückgezogen, das Königreich Dänemark hat Abstand davon genommen und die FUEN (Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen) will nicht der Projektträger sein. Wie steht ihr zu dem Vorhaben?“
Uwe Jessen nannte die Idee „ein gutes Projekt". „Wir unterstützen die Idee, mischen uns aber nicht in Gebäudefragen ein. Es wäre aber schade, wenn das Haus der Minderheiten woanders in Europa entstehen würde und nicht in Flensburg, wo ja die Wurzeln der FUEN liegen.“ Bernd Fabritius resümierte: „Die Idee wird also weiterhin unterstützt, jetzt muss sich das Projekt finden.“
Haus Nordschleswig, Kindergarten, Knivsberg
Bevor er sich zum Rundgang durch das Haus Nordschleswig aufmachte, durch die Deutsche Zentralbücherei in Apenrade geführt wurde, mit Kindern und Mitarbeitern im deutschen Kindergarten Jürgensgaard sprach und den Knivsberg besuchte, zog Fabritius eine erste Bilanz nach dem Kennenlernen.
„Ich bin überzeugt davon, dass die Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland ein Best-practice-Beispiel für ganz Europa sein können“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete. Er hoffe, dass das Grenzland als immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet wird. „Das wäre ein starkes Signal“, so Fabritius. Er versprach, sich für die konkrete Umsetzung stark zu machen.
Und er ging mit einem Angebot: „Ich sehe mich als ihr Anwalt. Als ein Anwalt der Minderheiten. Wenn ich sie in Deutschland oder auch in Dänemark bei einer Sache unterstützen kann – meine Tür steht ihnen immer offen.“ Denn er wisse, so Fabritius: „Wenn man eine Minderheit nicht hegt und pflegt, verschwindet sie.“ Am Sonnabend, 3. November, hält Bernd Fabritius die Festrede zum Deutschen Tag in Tingleff.