Folketingswahl 2022
Kommunale Wahlanalyse I: Eroberung von Christiansborg: Fast ein Ding der Unmöglichkeit
Kommunale Wahlanalyse I: Kandidierende aus Tondern
Wahlanalyse I: Kandidierende aus Tondern
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Wer hat eine reelle Chance, als Kandidatin oder Kandidat aus dem Wahlkreis Tondern ins Folketing einzuziehen? Da bleiben vermutlich nur Henrik Frandsen (Moderaterne), Birgitte Klippert (Konservative) und Nanna Bonde (SF) übrig. Dies gelang vor 21 Jahren dem Venstre-Kandidaten Peter Christensen.
Am 1. November findet die Folketingswahl statt. „Der Nordschleswiger“ begleitet sie national und regional. In unseren kommunalen Wahlanalysen schauen wir genauer auf die Themen und Chancen der Kandidatinnen und Kandidaten in den Kommunen in Nordschleswig. Hier ist Teil 1 von 4: Die Kommune Tondern.
Wer im Wahlkreis Tondern – dieser entspricht der Kommune Tondern und gehört zum großen Wahlkreis Sydjylland Storkreds, kandidiert und meint, einen Sitz auf Christiansborg erobern zu können, ist ein Optimist. Der Tonderner Wahlkreis ist klein: Zu wenig Wählerinnen und Wähler können die Kandidierenden nicht im Alleingang nach Kopenhagen schicken.
Eine Burg, die für sie kaum einnehmbar ist, denn es müssen auch Stimmen außerhalb der Kommune gesammelt werden. Und die Wählerinnen und Wähler müssten auf die eigenen Kandidatinnen und Kandidaten stimmen. Eine Übung, die die Wählerschaft im Westen (noch) nicht beherrscht. Aber man soll nie, nie sagen.
Peter Christensen machte es vor
Einer, der dies geschafft hat, war Peter Christensen von Venstre. Dem jungen, emporstrebenden Kandidaten aus der Nähe von Sonderburg (Sønderborg), der mit 26 Jahren in das Folketing einzog, gelang dieses Kunststück vor 21 Jahren.
Später kam er sogar zu Ministerehren, und wurde oberster Chef im Steuerministerium und später im Verteidigungsministerium, musste Letzteres aber unfreiwillig verlassen. Nach 14 Jahren machte er 2016 zum zweiten Mal und endgültig Schluss mit der Landespolitik. Bei der Wahl 2015 konnte er sein Mandat nicht verteidigen.
Der damalige Staatsminister Lars Løkke Rasmussen holte ihn wenige Monate später als Nachfolger für den gescheiteren Verteidigungsminister Carl Holst nach Christiansborg zurück.
Das waren noch Zeiten, als die Kommune Tondern eine Venstre-Hochburg war und die Venstre- Wählerinnen und -wähler ihr Kreuz auch wirklich beim Kandidaten des eigenen Wahlkreises setzten.
Andere bekamen die Venstre-Stimmen
Diese Zeiten sind Vergangenheit. Dafür sahnten auswärtige, prominente Kandidierende aus Nordschleswig mit Ministertiteln im Westen kräftig ab, sei es Eva Kjer Hansen, Ellen Trane Nørby oder der Politsenior Hans Christian Schmidt.
Zu schwach und zu unbekannt waren diejenigen, die Peter Christensen das Kunststück nachmachen wollten. Sie konnten den etablierten Folketingsmitgliedern der eigenen Partei nicht den Schneid abkaufen.
Enorme Wahlschlappe im November 2021
Die aktuelle, verhältnismäßig unbekannte Venstre-Kandidatin Tilde Holch Duedahl aus Aggerschau (Agerskov) wird einen schweren Stand haben. Zwar ist Landespolitik nicht gleich Kommunalpolitik. Aber so viel sei gesagt: Es wird Tilde Holch Duedahl nicht gelingen, ins Folketing einzuziehen.
Schließlich hat sich ihre Partei in den vergangenen vier Jahren in der Kommune Tondern nicht mit Ruhm bekleckert. Sie verlor bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr sogar ihre Vormachtstellung an die Tønder Listen mit dem bei Venstre ausgetretenen Politiker Henrik Frandsen an der Spitze.
Die Liste V büßte 5.986 Stimmen ein. Fast so viele eroberte die Frandsen-Liste im ersten Anlauf. Für Venstre gingen ganze neun Mandate verloren. Genauso viele eroberten Frandsen & Co.
Kein Meisterstück bei Nominierung
Auch bei der Nominierung einer Folketingskandidatin oder eines - kandidatens gelang der Partei kein Meisterstück. Der Apenrader Politiker Philip Tietje stand als solcher bereits in den Startlöchern, wurde bei einem Coup ähnlichen Vorgang fast gestürzt. Trotz des, wenn auch knappen Siegs, hatte Tietje genug. Er wollte nicht Gegenstand des Venstre- Gerangels in Tondern werden und verzichtete auf eine Kandidatur für Tondern.
H. C. Schmidt Spitzenreiter bei der Wahl 2019
Die aktuellen Prognosen für Venstre sehen landesweit nicht gut aus. Vor drei Jahren schnitt die Liste V im Wahlkreis Tondern noch mit 7.318 Stimmen wieder am allerbesten ab. Sie wurde mit einem Vorsprung von fast 2.000 Stimmen deutlich vor den Sozialdemokraten (5.413 Stimmen) wie in den vielen Jahren davor die erfolgreichste Partei des Kreises.
Das Ergebnis der Folketingswahl am 5. Juni 2019
Hans Christian Schmidt war mit 1.445 Stimmen der Spitzenreiter im Wahlkreis Tondern. Seine Parteikollegin aus dem Ting, Eva Kjer Hansen kam in den Top 10 auf Platz vier mit 767 Stimmen. Beide werden nach Ellen Trane Nørbys Rückzug aus der Landespolitik wieder tüchtig Stimmen im Westen holen können.
Die aussichtsreichsten Bewerberinnen und Bewerber aus dem Westen sind: Henrik Frandsen, der bei der Folketingswahl für die Partei von Lars Løkke Rasmussen, Die Moderaten, kandidiert, die gebürtige Tonderanerin Nanna Bonde für die Sozialistische Volkspartei (SF) und die Newcomerin aus Tondern, Birgitte Klippert von den Konservativen.
Kandidat Frandsen
Tonderns früherer Bürgermeister Frandsen, der bei der Kommunalwahl fast 3.800 persönliche Stimmen holte, scheint die besten Chancen zu haben, am 1. November ins Folketing gewählt zu werden. Jedoch reichen die Stimmen aus der eigenen Kommune nicht aus. Frandsen muss auch außerhalb der Kommunalgrenze punkten.
Wenn der als „Dark-Horse“ bezeichnete Politikfuchs Lars Løkke Rasmussen, wie Frandsen ehemaliger Venstre-Mann, tatsächlich ein so gutes Wahlergebnis wie vorausgesagt erzielt, könnte Henrik Frandsen vielleicht ins Landesparlament einziehen. Er ist Spitzenkandidat der Partei des ehemaligen Staatsministers im südjütischen Großwahlkreis.
Kandidatin Klippert
Birgitte Klippert ist zumindest bei den Konservativen im eigenen Wahlkreis kein unbeschriebenes Blatt. Die Schulleiterin ist Parteivorsitzende in Tondern und hat Durchsetzungsvermögen gezeigt, als sie 2015 mit ihrer Kollegin Sarah Røll die private Schule „Marieskolen“ in Tondern gründete, die aktuell mit 192 Schülerinnen und Schülern zu einer Erfolgsgeschichte geworden ist.
Außerdem hat sie schon seit längerer Zeit einen äußerst aktiven Wahlkampf geführt, besonders in den sozialen Medien. In dieser Woche schloss sie sich mit Nanna Bonde und Henrik Frandsen bei einer gemeinsamen Straßenaktion zusammen. Sie warben darum, dass die Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei einem lokalen Kandidierenden setzen.
Kandidatin Bonde
Klipperts Mitstreiterin Nanna Bonde, die in Tondern aufgewachsen ist, war früher die Vorsitzende der Jugendorganisation von SF und Spitzenkandidatin ihrer Partei im Wahlkreis Südjütland. Die frisch gebackene Mutter ist SF-Spitzenkandidatin in allen vier nordschleswigschen Kommunen. Mit 3.700 persönlichen Stimmen bei der Folketingswahl 2019 legte sie schon mal ein gutes Ergebnis hin.
Starke Konkurrenz im Großwahlkreis Südjütland hat sie in ihrer Parteikollegin Karina Lorentzen Dehnhardt aus Kolding. Hat SF wie prognostiziert eine gute Wahl, eröffnet sich die Möglichkeit vielleicht für beide, ins Folketing einzuziehen.
Schattenkandidatin Krarup Hansen
Für die Sozialdemokraten geht Tonderns Vizebürgermeisterin Barbara Krarup Hansen im örtlichen Wahlkreis ins Rennen, obwohl sie gar nicht eine wirkliche Kandidatin ist. Öffentlich empfehlen sie und ihre Partei, das Kreuz bei Ausbildungs- und Forschungsminister Jesper Petersen zu setzen.
Sie dient ihm als Schattenkandidatin. Als Bewerberin erfüllt sie die parteiinternen Satzungen, wonach jeder Wahlkreis eine Kandidatin oder einen Kandidaten nominieren muss. Entsprechend verfuhr die Partei bei der Kandidatur von Stadtratsmitglied Kim Printz Ringbæk vor drei Jahren. Auch er wollte nicht ins Folketing. Seine Empfehlung galt seinem Apenrader Parteikollegen Henrik Lüth.
Die Sozialdemokraten scheinen im Wahlkreis Tondern die Nominierung von eigenen Kräften nicht ganz ernst zu nehmen, spielen aber glücklicherweise mit offenen Karten.
Die Aussichten sind daher nur für Frandsen, Bonde und Klippert einigermaßen vielversprechend. Alle übrigen Mitstreiterinnen und Mitstreiter anderer Parteien aus dem Wahlkreis Tondern haben vermutlich nicht den Hauch einer Chance, gewählt zu werden. Bestimmt wissen wir das erst am 1. November.