Gesellschaft

Rapstedts Kindergartenleiterin zieht sich zurück

Rapstedts Kindergartenleiterin zieht sich zurück

Rapstedts Kindergartenleiterin zieht sich zurück

Rapstedt/Ravsted
Zuletzt aktualisiert um:
Betty Jürgensen Muus hört schweren Herzens als Leiterin des Deutschen Kindergartens Rapstedt auf. Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Entschleunigen und regenieren: Nach 19 Jahren verlässt Urgestein Betty Jürgensen Muus den Deutschen Kindergarten Rapstedt.

Sie tut das, was womöglich viel mehr Menschen tun oder in Erwägung ziehen sollten, um sich selbst zu schützen:  Betty Jürgensen Muus hört auf ihren Körper und verschafft sich eine Auszeit.

Nach 19 Jahren als Leiterin des Deutschen Kindergartens Rapstedt zieht sich die 57-Jährige erst einmal zurück. Mit Ausgang Juli ist für sie offiziell Schluss.

„Ich habe seit längerem Nackenprobleme, die ich einfach nicht loswerde. Ich möchte immer alles geben und das hat zwangsläufig dazu geführt, dass die Balance zwischen Arbeit und Privatleben nicht stimmt“, so Betty Jürgensen Muus, die den englischen Ausdruck „Work-Life-Balance“ heranzieht.

Raus aus dem Hamsterrad

Sie habe sich noch gesagt, dass sie das bis zur Rente vielleicht durchhält. Nun ziehe sie aber doch die Reißleine.

„Es war einfach an der Zeit, aus dem Hamsterrad auszusteigen“, so die erfahrene Erzieherin.

Betty Jürgensen Muus Foto: Karin Riggelsen

Sie habe überlegt, die Leitung in Rapstedt abzugeben und mit reduzierter Stundenzahl weiterzumachen.

„Es ist aber nicht einfach, vom Chef zur Kollegin zu werden“, so die Ur-Rapstedterin, der der Kindergarten in ihrem Heimatort sehr am Herzen liegt.

Sie hätte mit Teilzeit auch in einem anderen deutschen Kindergarten weitermachen können, doch auch diesen Gedanken habe sie verworfen.

Es wäre nicht konsequent gewesen, so Jürgensen Muus, die in Rapstedt auch für die Betreuung der SFO-Kinder (Schulfreizeitordnung) aus der benachbarten deutschen Schule zuständig war.

Kinderbetreuung bleibt die Leidenschaft

Den Umgang mit Kindern sehe sie als ihre Bestimmung, und diese Arbeit möchte sie auch weiterhin machen. Ob es nach einem halben oder einem Jahr so weit ist, das müsse sich erst zeigen.

Betty Jürgensen Muus in ihrem Element: Der Umgang mit Kinder ist für sie Bestimmung, wird nun aber erst einmal in den Hintergrund rücken. Foto: Karin Riggelsen

Sich eine Frist zu setzen, wäre ohnehin ein Rückfall in alte Stress-Muster. Jene Muster, die sie hinter sich lassen möchte.

Entschleunigung, bei sich sein und in sich gehen stehen der Gesundheit wegen erst einmal bei Betty Jürgensen Muus im Vordergrund.

„Ich möchte den Kopf einfach freibekommen“, sagt die Mutter dreier erwachsener Kinder.

Mit ihrem Mann Leif ist die Entscheidung intensiv besprochen worden. „Er deutete an, dass ich in seiner Firma sauber machen oder anderes erledigen kann. Den Zahn habe ich ihm aber gleich gezogen, und er hat es wohl auch nicht so ernst gemeint“, so Betty Jürgensen Muus mit einem Lachen.

Als Handwerker und Küchenbauer hat ihr Mann Leif gerade in jüngster Zeit viel um die Ohren. Das Bedürfnis, ebenfalls kürzerzutreten, habe er aber nicht, erwähnt Betty Jürgensen Muus.

„Die Tatsache, dass ich weniger belastet bin und mir eine Auszeit gönne, ist für ihn mental ja auch eine Entlastung“, so die 57-jährige.

Ans Herz gewachsen

So richtig und wichtig sie ihren Schritt auch findet, es falle ihr schwer, nicht mehr im und für den Kindergarten zu arbeiten.

Hat viel über ihren beruflichen Alltag nachgedacht: Betty Jürgensen Muus Foto: Karin Riggelsen

Betty Jürgensen Muus hat der Einrichtung ihren ganz besonderen Stempel aufgedrückt und ihn darüber hinaus auch nach außen vertreten. Ihr wird zugeschrieben, dass der deutsche Kindergarten eine feste und respektierte Größe der Ortsgemeinschaft ist.

Die 57-Jährige war Leiterin, PR-Frau und Bindeglied in Personalunion.

„Das ist auf Dauer ein bisschen viel gewesen. Ich habe es aber gern gemacht“, so Jürgensen Muus und ergänzt: „Ich bin immer noch da, wohne im Ort und bin dem Kindergarten verbunden.“

Nun ist aber erst einmal Zeit für sich angesagt.

Radeln, spazieren gehen und stressfreie Aufenthalte im Sommerhaus auf Röm (Rømø):  Das sind Aktivitäten, wohlgemerkt ganz unverbindliche, die der 57-Jährigen so vorschweben.

Omafreuden

„Und dann werde ich bald Großmutter. Das wusste ich bei der Kündigung im Frühjahr noch nicht, es passt aber ganz gut“, so Betty Jürgensen Muus, die ihrer ältesten Tochter gern zur Seite stehen wird, wenn das Baby da ist. Kinder sind nun einmal ihre große Leidenschaft.

Am 25. Juni soll Betty Jürgensen Muus gebührend verabschiedet werden. Von 10 bis 12 Uhr ist ein Abschiedsempfang angesetzt mit Speis und Trank und jede Menge Gelegenheit, sich von der langjährigen „Chefin“ zu verabschieden.

Aus Planungsgründen wird bis zum 21. Juni um Anmeldung gebeten direkt im Kindergarten oder per E-Mail an iebt@dssv.dk.

Auf keinen Fall fehlen wird bei der Verabschiedung Kerstin Hinrichsen, Gesamtleiterin der drei Kindergärten im Bezirk Tingleff (Tinglev) mit Einrichtungen in Rapstedt, Bülderup (Bylderup) und Tingleff

Hinrichsen ist selbst Rapstedterin und kennt Betty Jürgensen Muus seit ganz vielen Jahren. Als Kollegin, Freundin und mittlerweile Vorgesetzte ist sie voll des Lobes für das Wirken von Betty Jürgensen Muus.

Respekt und Anerkennung

„Betty ist ein Minderheitenmensch und lokal in Rapstedt verankert. Sie hat sich immer eingebracht, sei es für den Jugendbund Rapstedt/Osterhoist oder in anderen Bereichen der Volksgruppe. Auch für die Ortsgemeinschaft hat sie sich stets eingesetzt. Jeder im Dorf weiß, wer Betty ist. Sie ist das Gesicht des Kindergartens und wird geschätzt“, so Kerstin Hinrichsen anerkennend.

Jürgensen Muus habe sich immer durch eine hohe pädagogische Fachkompetenz ausgezeichnet. „Ihr Steckenpferd ist dabei die Erziehung in und mit der Natur“, so die Gesamtleiterin.

Die Kinder die Natur erleben lassen, wie hier bei der Froschrettung vor dem Beginn der Freibadsaison. Das ist seit eh und je ein Steckenpferd von Betty Jürgensen Muus. Foto: Karin Riggelsen (Archivfoto)
Betty Jürgensen Muus bei der Froschrettung Foto: Karin Riggelsen

Dieses Faible kam Jahr ein Jahr aus unter anderem bei der großen Froschrettung zum Tragen, die Betty Jürgensen Muus vor der neuen Badesaison im örtlichen Freibad mit den Kindern vornahm.

„Betty ist die Stimme der Kinder. Das Wohl der Kinder stand und steht bei ihr ganz oben“, so Hinrichsen.

Sie habe volles Verständnis dafür und Respekt davor, dass sich Betty Jürgensen Muus eine Auszeit gönnen und neue Kraft schöpfen möchte, sagt die Gesamtleiterin.

Organisatorische Änderungen

Mit dem Ausscheiden der langjährigen Leiterin wird es eine strukturelle Änderung geben.

Laut Kerstin Hinrichsen habe man sich aus organisatorischen Gründen dazu entschieden, keine Abteilungsleitung mehr in Rapstedt zu verankern.

„Auch in Bülderup und in Tingleff gibt es diese Position nicht mehr. Es verschafft uns eine größere Flexibilität. Wir können die personellen Ressourcen innerhalb der Einrichtungen besser ausschöpfen“, so Hinrichsen zur Strukturänderung.

Als Erzieherin wird Gabriele Beismann, die zuvor in Bülderup tätig war, zum Rapstedter Kindergarten stoßen, um die Betreuungsaufgaben von Betty Jürgensen Muus mitzuübernehmen.

Die übergeordnete Leitung behält Kerstin Hinrichsen. „Stellvertreterin ist Kathrine Jürgensen, die als Entwicklungsexpertin bereits in allen Kindergärten tätig ist“, ergänzt die Gesamtleiterin.  

Mehr lesen

Leserinbericht

Karin Hansen Osmanoglu
„Besuchsfreunde: Geselliges Treffen im Haus Quickborn“

„Mojn Nordschleswig“

Jetzt im Podcast: Wie Sportjournalist Matthias Weuthen Nordschleswig erlebt

Apenrade/Aabenraa In Folge 44 von „Mojn Nordschleswig“ spricht Gerrit Hencke mit seinem Kollegen Walter Turnowsky darüber, welche Auswirkungen das Ampel-Aus in Berlin und die Wahl von Donald Trump auf Dänemark haben – und warum vielleicht auch hier bald gewählt wird. Außerdem spricht er mit unserem Praktikanten Matthias Weuthen über seine ersten anderthalb Monate in der „Nordschleswiger“-Redaktion. Im Quiz testet Hannah Kerrin Trautmanns Wissen zum Jeisinger Sprachcafé.

Matthias Weuthen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Vom Erstaunen über einen altmodischen Brief und dem Schreiben mit Bleistift“