Umwelt

Experte: Wiederbelebung der Ostsee wird 400 Jahre dauern

Experte: Wiederbelebung der Ostsee wird 400 Jahre dauern

Experte: Wiederbelebung der Ostsee wird 400 Jahre dauern

Ritzau/Walter Turnowsky
Kopenhagen
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Einst prägten Kutter die Häfen von Bornholm – jetzt hat sich der örtliche Fischereiverband nach 141 Jahren aufgelöst. Foto: Alfred Gross/Ullstein Bild - Alfred Gross/Ritzau Scanpix

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Die Dorsche sind in der Ostsee auf eine kritisch geringe Anzahl geschrumpft. Viele Fischerinnen und Fischer müssen ihren Beruf aufgeben. Die Anrainerstaaten leiten weiterhin zu viele Nährsalze ein.

Flemming Krause und sein Vater Frede sind die letzten gewerblichen Fischer an der Flensburger Förde. Wie sie dem „Nordschleswiger“ berichtet haben, sehen sie ihren Broterwerb durch Sauerstoffschwund und Muschelfischerei bedroht

Entlang der gesamten Ostsee haben Kolleginnen und Kollegen der Krauses bereist aufgeben müssen. Der einst so zahlreiche Dorsch ist so selten geworden, dass die EU die Fangquote auf null gesetzt hat. Der Fischereiverband auf Bornholm hat sich am Freitag nach 141 Jahren aufgelöst.

Die Fischerei war bis vor ungefähr 20 Jahren das wichtigste Gewerbe der Insel. Damals gab es noch 200 Fischereifahrzeuge auf Bornholm. Heute sind 34 übrig. Kein einziges davon fischt in der Ostsee.

„Ich habe 38 Jahre lang gefischt und bin 15 Jahre lang Vorsitzender des Verbandes gewesen. Es ist eine Identität, die ich jetzt ablegen muss“, sagt der letzte Vorsitzende des Verbandes, Thomas Thomsen.

Nährsalze ersticken die Ostsee

Und schenkt man einem der führenden Experten für die Meeresumwelt Glauben, werden auch Thomsens Nachfahren die Fischnetze nicht wieder ausgraben können. Selbst wenn die Anrainerstaaten sich entscheiden sollten, den Eintrag von Nährsalzen um 30 Prozent zu reduzieren, würde es 400 Jahre dauern, bevor die Ostsee wieder beklebt ist. So lautet die Einschätzung von Stiig Markager, Professor an der Universität Aarhus.

„Selbst, wenn wir noch mehr reduzieren, wird es 100 Jahre oder mehr dauern, bevor die Meeresumwelt in der Ostsee sich erholt hat“, so Markager. 

Dabei sind die Anrainerstaaten selbst von den 30 Prozent weit entfernt. In Rahmen der Meeresumweltkommission „Helcon“ haben sie eine Reduktion von 8 bis 9 Prozent vereinbart. 

Die Nährsalze Nitrat und Phosphat fördern das Wachstum von Algen. Wenn diese auf den Meeresboden sinken, verfaulen sie und brauchen den Sauerstoff auf.

„Wenn kein Sauerstoff im Meer ist, können der Dorschnachwuchs nicht brüten. Außerdem gibt es kein Leben am Meeresboden und damit auch kein Futter für die Dorsche“, sagt Markager.

Überfischung und Klimawandel

Doch nicht nur die Nährsalze aus der Landwirtschaft sind Ursache der Misere. Auch die Fischerei selbst hat dazu beigetragen. Vor allem in den 80ern wurden mehr Dorsche gefangen, als die Population vertragen konnte.

„Die Fischer haben also teils den Zweig abgesägt, auf dem sie sitzen, teils hat die Landwirtschaft ihn mit einer Motorsäge abgesägt“, sagt der Professor.

Neben den Nährsalzen belastet auch der Temperaturanstieg die Ostsee. Laut Markager würde ein verstärkter Einsatz gegen den Klimawandel auch dem Gewässer helfen.

Einst wurden 400.000 Tonnen Dorsch in der Ostsee gefangen; vor dem endgültigen Stopp waren es 1.000 Tonnen. 

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