Diese Woche in Kopenhagen
„Warum der Dannebrog nicht gleich Schwarz-Rot-Gold ist“
„Warum der Dannebrog nicht gleich Schwarz-Rot-Gold ist“
„Warum der Dannebrog nicht gleich Schwarz-Rot-Gold ist“
In der deutschen Minderheit herrscht Freude über ein Urteil, das bedeutet, dass man ohne Genehmigung die deutsche Flagge hissen kann. Walter Turnowsky erklärt in seiner Kolumne, warum das Folketing mit einem neuen Gesetz dies wieder rückgängig machen könnte.
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes bedeutet, dass die deutsche Minderheit jetzt ohne Genehmigung der Polizei die deutsche Flagge neben der dänischen hissen kann – und das ist gut so.
Laut dem Vorsitzenden des Minderheitendachverbandes Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen, bedeutet dies allerdings nicht, dass man jetzt alle naslang Schwarz-Rot-Gold flattern lassen werde. Nur bei besonderen Anlässen, wie Besuchen aus Deutschland, soll das der Fall sein. Und auch das ist gut so.
In den sozialen Medien ist nachzulesen, dass es höchste Zeit ist, dass man in Dänemark jede beliebige Flagge hissen kann, schließlich darf man das in Deutschland schon seit Langem.
Der Mythos
Hier, meine Damen und Herren, möchte ich jedoch einwenden – und die Information mag Sie überraschen – dass Dänemark nicht gleich Deutschland ist. Die deutsche Flagge hat ja noch nicht einmal einen Namen (außer man empfindet Schwarz-Rot-Gold als Namen); die dänische ist das Tuch der Danen, der Dannebrog.
Schwarz, Rot und Gold wurden erst in der Zeit des Deutschen Bundes (1815 bis 1866) zu den deutschen Nationalfarben. Zeitweise verschwand die Flagge dann wieder.
Der Dannebrog ist bekanntlich um 1200 bei einer Schlacht in Estland als Zeichen für die dänischen Truppen vom Himmel gefallen. Da kann die deutsche Flagge nicht mithalten. König Valdemar Sejr hat übrigens den Dannebrog am Kongehøj im Hjelm Skov in Apenrade (Aabenraa) dem dänischen Volk erstmalig präsentiert.
Emotionale Bedeutung
Doch Mythen und Ironie mal beiseite: Der Dannebrog hat eine vollkommen andere Geschichte, Bedeutung und emotionale Verankerung, als Schwarz-Rot-Gold. Nach Einschätzung von Historikerinnen und Historikern hat Valdemar der Große (1154 bis 1182) erstmalig das Kreuzbanner geführt.
Nachdem in Dänemark 1849 das Grundgesetz eingeführt wurde, ist die Flagge nicht mehr in erster Linie ein Banner des Königshauses, sie hat sich zu einem Symbol für den demokratischen dänischen Staat entwickelt. Die Däninnen und Dänen empfinden einen besonderen Stolz für ihren Dannebrog.
Die fast tausendjährige Geschichte bedeutet auch, dass die Flagge in ganz anderer Weise als in der Bundesrepublik eng mit der dänischen Identität verwoben ist. Kleine Fähnchen schmücken den Weihnachtsbaum, weisen den Weg zur Geburtstagsfeier und heißen im Flughafen Heimkehrende willkommen.
Unterschiede der beiden Minderheiten
Die dänische Minderheit in Südschleswig zieht in Zusammenhang mit ihren Årsmøder (den Jahrestreffen) mit dem Dannebrog durch die Straßen. Etwas Vergleichbares ist nördlich der Grenze aus historischen Gründen kaum denkbar.
Man stelle sich nur vor, der damalige Vorsitzende des BDNs, Matthias Hansen, hätte 1946 in seinem Garten die deutsche Flagge gehisst. Die symbolische Wirkung wäre damals verheerend gewesen und hätte die Loyalitätserklärung gegenüber dem dänischen Staat vollkommen konterkariert.
Gesetzesantrag
Zum Glück ist die Situation im Grenzland heute anders – eben auch weil die deutsche Minderheit nach der Nazizeit anders auftreten musste als die dänische südlich der Grenze. Und eben deshalb ist es wie Eingangs bemerkt gut, dass Hinrich Jürgensen die deutsche Flagge für besondere Anlässe reservieren möchte.
Pia Kjærsgaard von der Dänischen Volkspartei will nach den Sommerferien einen Antrag einbringen, nachdem nur die Beflaggung mit dem Dannebrog ohne Genehmigung der Polizei gestattet sein soll. Aufgrund der emotionalen Bedeutung der Flagge, prognostiziere ich, dass nicht nur die Rechten dieses Anliegen unterstützen werden.
Die deutsche Minderheit muss sich also sputen, die neue Situation zu nutzen, bevor die dänischen Gesetzgebenden möglicherweise aus den Flaggenregeln ein Flaggengesetz machen.