Landwirtschaft & Umwelt

Dänische Auen: Zwischen Nutzen und Natur

Dänische Auen: Zwischen Nutzen und Natur

Dänische Auen: Zwischen Nutzen und Natur

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Der Regen, der in den Wintermonaten über Nordschleswig niedergeht, lässt bisweilen die Auen über die Ufer treten. Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wofür sind die Auen im Land da? Dienen sie der Natur oder dem Menschen? Sind sie Biotope oder Entwässerungssysteme? Für Letzteres plädiert Christian Kock, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Hauptvereins, aber nicht alle sehen das so. Eine Annäherung an ein strittiges Thema in Zeiten des Klimawandels.

Im vergangenen Jahr fiel so viel Regen vom dänischen Himmel wie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1874 nicht. Das berichtete das Dänische Meteorologische Institut (DMI), als sich 2023 dem Ende näherte. So wie es ausschaut, wird der Rekord wohl nicht ewig bestehen. Dem DMI-Klimaatlas zufolge steigen die Regenmengen, die das Königreich in den kommenden Jahren erwarten kann. 10 bis 11 Prozent mehr Niederschlag in den Wintermonaten erwarten die Klimaforschenden bis Ende des Jahrhunderts in den nordschleswigschen Kommunen – bei Annahme eines mittelhohen Temperaturanstiegs.

Für Kock geht Landwirtschaft vor

Einerseits nach Dürreperioden in der Landwirtschaft hochwillkommen, schaffen die großen Wassermengen im Winterhalbjahr in der Landwirtschaft Probleme. Die Felder ertrinken. Das Wasser muss weg, und hier tut sich ein Konflikt auf. Zuletzt berichtete der Sender „TV Syd“ von Landwirten, die darauf warten, dass ihre Felder trocken genug sind, um sie zu bewirtschaften.

Christian Kock, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig (LHN), hat eine klare Meinung zu den Wasserläufen in Nordschleswig. Für ihn sollen sie das Wasser ableiten. „Für uns Landwirte ist es eine Riesenherausforderung, wenn das Wasser nicht schnell ablaufen kann."

Christian Kock ist Vorsitzender des LHN und selbst Landwirt. Foto: Paul Sehstedt

Damit Felder bei Regen nicht überflutet werden, leiten Drainagen das Wasser in nahegelegene Gräben, diese in die Auen und die ins Meer, in Nordschleswig leiten die großen Auen das Wasser in die Nordsee. Die Wasserscheide liegt in Nordschleswig im jütischen Teil erstaunlich weit im Osten. 

Das Wasser soll schneller fließen

Christian Kock ist mit der derzeitigen Situation nicht glücklich. Er sagt: „Die Biologen wollen Leben in den Wasserläufen, die Auen werden rückgebaut, sie sollen mäandrieren, damit das Wasser langsam läuft.“ Er möchte aber, dass die Auen schneller fließen und argumentiert: „Es fällt mehr Regen, der vernässt die Felder. Wir wollen auch Leben in den Wasserläufen, aber Auen dienen der Entwässerung.” Die entstehenden kleinen Tümpel auf den Feldern bleiben seinen Worten nach auch nicht ungenutzt. „Die Wasserflächen, die sich auf den Feldern bilden, ziehen auch noch viele Vögel an – Gänse und Möwen. Es entstünden kleine Naturreservate – aus seiner Sicht nicht das, was Bäuerinnen und Bauern wollen. Sie wollen Pflanzen auf ihren Feldern.

Große Frustration

Er klingt am Telefon bei diesem Thema recht frustriert. „Politikerinnen und Politiker sagen das Richtige, aber es passiert nichts, weil der Naturschutz in den vergangenen 30 Jahren seitens der Kommunen immer mehr Gewicht bekommen hat.“ Er sieht die Kommunen gegen sich, gegen die Landwirtschaft. Er fordert, die Politik müsse sich mehr gegenüber der Verwaltung durchsetzen. Und sein Frust sitzt tief. „Mein Vater hat schon übers Wasser geredet. Es geschieht einfach nichts.“ Mit Blick auf den Umweltschutz sagt er: „Man darf die Balance nicht verlieren.“

Naturführer: Veraltete Ansicht

Bo Tonnensen, Naturführer in der Kommune Tondern und Vorstandsmitglied im Sportfischerverein Sportsfiskerforening Vidå, teilt die Meinung des LHN-Vorsitzenden Kock ganz und gar nicht. Es bekümmert ihn, wenn Auen nur als Entwässerungskanäle angesehen werden – für ihn eine veraltete Ansicht, die jahrzehntelang Bestand hatte. 

Er sagt: „Viel zu lange wurden sie als solche Kanäle angesehen, aus ihnen wurden Wasser-Autobahnen gemacht. Aber hat es was gebracht, sind die Probleme kleiner geworden?“ Würden die Auen mäandern und Wiesen überfluten, könnten Hochwässer abgedämpft werden. Nährstoffe, von den Auen Richtung Meer transportiert, würden dann dort auf den überfluteten Wiesen abgelagert und weniger ins Meer gelangen. Dort führen sie zu Sauerstoffmangel. 

Tonnesen: Zu wenig Natur in Dänemark, nicht zu viel

„Wir haben wirklich kein Zuviel an Natur in Dänemark, wir haben viel zu wenig!“, ist er überzeugt und verweist auf eine ausgeräumte Landschaft mit viel zu wenig Knicks, Gehölzen und alten Bäumen. Für ihn gibt es keinen Weg zurück. „Wir können nicht noch mehr Natur verlieren oder entbehren“, mahnt er. Auen müssten stattdessen wieder verschlungen fließen dürfen. „Wir müssen anders denken“, fordert er. Intensive Landwirtschaft ist für ihn überholt, er resümiert: „Das hat doch auch nicht geklappt.“

Bo Tonnesen mit großen und kleinen Naturfreunden an der Wiedauschleuse Foto: Volker Heesch

Wie ist sein Verhältnis zur Landwirtschaft? „Grundsätzlich in Ordnung“, sagt er. Landwirtinnen und Landwirte müssen und wollen Geld verdienen, das weiß auch Bo Tonnesen. Man müsse gemeinsam Kompromisse finden. „Besser ein Kompromiss als gar nichts“, sagt er.

Kommunen müssen beides in Einklang bringen

Dass es Landwirte gibt, die Probleme mit vernässten Feldern haben, das bestreiten weder die Kommune Apenrade noch die Kommune Tondern. Apenrade weist aber darauf hin, dass sich Landwirtinnen und Landwirte an die Kommunen wenden könnten, sollten sie der Auffassung sein, dass ein Wasserlauf nicht genügend Wasser ableitet. Die Kommune Tondern bestätigt, dass sie viele Hinweise auf Entwässerungsprobleme von Landwirten erhalte. Man versuche, sie im geltenden Rahmen zu lösen. Beide Kommunen verweisen auf die bestehende Rechtsgrundlage. Beide Sichtweisen auf die Wasserläufe – Entwässerung und Biotopschutz – müssten von den Kommunen abgewogen werden.

In den Senken sammelt sich das Regenwasser – zur Freude wasserliebender Vögel. Foto: Karin Riggelsen

So sieht es auch Kurt Andresen aus Nolde, Landwirt und Mitglied in Sønderå-Gammelå Vandløbslaug. Die Gilde schaut auf die Fähigkeit der Wasserläufe, die Niederschläge abzuleiten, im Dialog mit den Kommunen. Da kommt einiges an Wasser zusammen. Die Auen gehören zum Wiedau-System. Der Regen landet so über die Wiedauschleuse in der Nordsee. 

Wasserläufe mit anderem Profil

Kurt Andresen spricht sich dafür aus, dass beide Seiten aufeinander zugehen. Und eine Lösung hätte er auch: „Unsere Idee ist, dass wir das Profil der Auen verändern. Sie sollten andere Böschungen haben, nicht mehr steil, sondern abgeflacht, im 45-Grad-Winkel.” Mit der neuen Dreiecksform könnten die Wasserläufe mehr Wasser transportieren, wenn es viel regne. 

„Man baut ja auch Straßen aus, wenn der Verkehr zunimmt“, sagt er mit Blick auf die von DMI prognostizierten größeren Regenmengen in den Wintermonaten. Er wolle nichts begradigen, betont er. Dass ein solcher Eingriff ein großer ist, sieht er aber auch. Um die Natur zu schonen, könnte erst eine Seite der Au so präpariert werden, ein paar Jahre später die andere Seite. „Aber da sträuben sich die Leute“, sagt er. Das Problem sei derzeit die Gesetzeslage. Seiner Meinung nach ist diese noch nicht an den Klimawandel und die zu erwartenden größeren Niederschläge angepasst. 

Mehr lesen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Wenn die Meere Wälder wären, würden wir sie nicht sterben lassen“