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Grenzkontrollen: Von der Leyen mahnt zu Verhältnismäßigkeit

Grenzkontrollen: Von der Leyen mahnt zu Verhältnismäßigkeit

Grenzkontrollen: Von der Leyen mahnt zu Verhältnismäßigkeit

Frank Jung, shz.de
Nordschleswig/Fröslee
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Ein Dauerbrenner in diesem Sommer: Lange Diskussionen über lange Staus an der Grenze. Foto: Benjamin Nolte, shz.de

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Bringt das das Aus für Dänemarks umstrittenes Vorgehen? Die EU-Kommission will innereuropäische Grenzkontrollen im Licht eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs neu bewerten.

In der Debatte über dänische Grenzkontrollen hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu ermahnt, dass diese nicht völlig ausufern dürfen. Zwar könnten Grenzkontrollen „ein legitimes Mittel gegen Bedrohungen der inneren Sicherheit sein“. Dies müsse jedoch „in einer Weise geschehen, die die Prinzipien von Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ebenso beachtet wie die Garantie der Bewegungsfreiheit“.

Das unterstreicht von der Leyen in einem Brief an die schleswig-holsteinischen Europa-Abgeordneten Rasmus Andresen (Grüne), Niclas Herbst (CDU) und Delara Burkhardt (SPD).

Die drei Parlamentarier hatten gegenüber der Kommissionspräsidentin zuvor schriftlich ihr Unverständnis über die seit Anfang 2016 andauernden Grenzkontrollen durch Schleswig-Holsteins Nachbarland zum Ausdruck gebracht.

Das genau hat der Europäische Gerichtshof entschieden

Von der Leyen betont in ihrer Antwort, dass die EU-Kommission Grenzkontrollen durch EU-Mitgliedstaaten derzeit im Lichte eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs neu bewertet.

Der hatte im April entschieden, dass ein Land nicht mehrfach hintereinander mit derselben Begründung sogenannte „vorübergehende“ Grenzkontrollen verlängern dürfe. Das Urteil fiel in einem Verfahren gegen Österreich.

Richterspruch betrifft auch Dänemark

Der Richterspruch betrifft indes genau so Dänemark. Seit der großen Flüchtlingswelle hat das stark ausländerkritische Königreich immer wieder um ein halbes Jahr Grenzkontrollen zu Deutschland und Schweden verlängert.

Die Begründung war stets eine angebliche Gefahr seiner inneren Sicherheit. Meistens fielen dabei islamistischer Terror und organisierte Kriminalität als Stichwörter. Laut dem Schengen-Abkommen, das auch Dänemark unterzeichnet hat, müssen derartige, eigentlich für höchstens sechs Monate vorgesehene Grenzkontrollen jedoch die Ausnahme bleiben. Grundsätzlich garantiert das Abkommen die persönliche Bewegungsfreiheit in allen Mitgliedsländern.

Lange Staus an der Grenze

Derzeit auf dem Höhepunkt der Sommer-Reisewelle sorgen die Kontrollen durch Dänemark wieder für lange Staus und deshalb für besonderen Ärger.

„Wir Grüne begrüßen, dass Ursula von der Leyen auf unseren Druck die Grenzkontrollen an unserer deutsch dänischen Grenze nochmal analysieren will“, sagt der aus Flensburg stammende EU-Abgeordnete Rasmus Andresen.

„Wir hätten uns zwar gewünscht, dass die Kommissionspräsidentin sich deutlicher von den Kontrollen distanziert. Aber dass sie nach jahrelanger Ignoranz bereit ist, sich die Kontrollen genauer anzuschauen, ist ein gutes Zeichen.“

Aus Andresens Sicht „kann es nur ein Ergebnis der Prüfung geben: Die Kontrollen sind rechtswidrig und unsinnig. Die EU Kommission muss die Genehmigung zurückziehen.”

Noch längere Grenzkontrollen?

Jedoch zeichnet sich durch Bewegung an anderer Stelle eine größere Bewegungsfreiheit für Dänemark und seine Grenzkontrollen ab: Anfang Juni haben sich Minister aller EU-Mitgliedsländer auf eine Regelung verständigt, nach der ein Land trotz Schengen sogar für zweieinhalb Jahre Grenzkontrollen verfügen kann.

Auch hier wieder bei besonderen Gefahren für die innere Sicherheit. Dänemarks sozialdemokratischer Ausländerminister Kaare Dybvad Bek äußerte sich darüber gegenüber der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau „sehr zufrieden“. Er legt die Vereinbarung so aus, „dass es nun einfacher wird, Grenzkontrollen zu haben“.

In Kraft treten kann diese Vereinbarung des europäischen Ministerrats indes erst, wenn darüber mit dem EU-Parlament und der EU-Kommission Einigkeit erzielt worden ist.

Ukraine-Krieg als neue Begründung

Einstweilen hat Dänemark die jüngste Verlängerung seiner Grenzkontrollen im Mai sicherheitshalber ein bisschen am Urteil des Europäischen Gerichtshofs ausgerichtet.

Bei der Suche nach einer zumindest marginal neu klingenden Begründung ist Kopenhagen fündig geworden: Nun sind es nicht nur einfach Migrantenbewegungen an sich. Jetzt richtet sich die Sorge laut Nachrichtenagentur Ritzau darauf, „dass die größeren Flüchtlingsströme, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat, von Personen ausgenutzt werden könnten, die eine Bedrohung für Dänemark darstellen“.

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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
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