Krieg in der Ukraine

Botschafterin: Sondergesetz soll Aufenthalt und Arbeit ermöglichen

Botschafterin: Sondergesetz soll Aufenthalt und Arbeit ermöglichen

Sondergesetz soll Aufenthalt und Arbeit ermöglichen

Berlin/Apenrade
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Ukrainische Flüchtlinge an der deutsch-dänischen Grenze in Pattburg (Padborg) am Donnerstag, 10. März 2022 (Archivbild) Foto: Karsten Sörensen

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Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ äußert sich die dänische Botschafterin in Deutschland, Susanne Hyldelund, zur aktuellen Krisensituation. Sie betont, dass die Menschen in Dänemark gerne schnell helfen möchten.

In den vergangenen Tagen hat die Zahl ukrainischer Flüchtlinge stetig zugenommen. Die dänische Botschafterin in Deutschland, Susanne Hyldelund, verfolgt das Geschehen von der deutschen Hauptstadt Berlin aus.

„Wir sind natürlich auch alle sehr schockiert. Die dänische Regierung verurteilt die Invasion in der Ukraine auf das Schärfste, und Dänemark und Deutschland teilen mit Bestürzung die bedauerliche Lage. Wir möchten gerne Unterstützung leisten und im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben, helfen“, sagt Susanne Hyldelund.

Hilfe von der dänischen Botschaft

In diesen Tagen sieht sie viele Flüchtlinge aus der Ukraine in Berlin ankommen. Sie hat den Eindruck, dass die deutsche Hauptstadt einen großen Einsatz leistet, um die Menschen aus der Ukraine zu unterstützen.

Die dänische Regierung verurteilt die Invasion in der Ukraine auf das Schärfste.

Susanne Hyldelund, Botschafterin Dänemarks in Deutschland

Die dänische Botschaft in Berlin erhält zwar nicht viele, aber dennoch vereinzelt Anfragen von Ukrainerinnen und Ukrainern über die Möglichkeit, nach Dänemark zu reisen. In diesen Fällen versucht die Botschaft, beratend zur Seite zu stehen und über die Möglichkeiten zu informieren.

Eine Hilfestellung dabei bietet die vor Kurzem freigeschaltete Internetseite kriseinformation.dk, auf der die Informationen über eine Einreise nach Dänemark auch in ukrainischer Sprache vorliegen.

Allerdings gab es in den vergangenen Tagen auch Meldungen über die Zurückweisung von ukrainischen Flüchtlingen an der deutsch-dänischen Grenze.

Sondergesetz soll legalen Aufenthalt ermöglichen

Die EU hat zwar eine Direktive für einen befristeten Schutz von Bürgerinnen und Bürgern aus der Ukraine verabschiedet. Sie findet aufgrund des dänischen EU-Rechtsvorbehaltes jedoch in Dänemark keine Anwendung.

Der dänische EU-Rechtsvorbehalt

Der EU-Rechtsvorbehalt bedeutet, dass Dänemark nicht an der gemeinsamen Zusammenarbeit auf EU-Ebene in den Bereichen Grenzkontrolle, Ausländerpolitik, Zivil- und Strafrecht sowie Polizei teilnimmt. Damit kann Dänemark auch nicht an neuen EU-Gesetzgebungsverfahren mitwirken. Einzige Ausnahme ist die Zusammenarbeit bei Visa-Regeln und eine Sonderabsprache in Bezug auf die Schengen-Zusammenarbeit.

Dänemark hat am 3. Dezember 2015 eine Volksabstimmung über die Abschaffung des EU-Rechtsvorbehalts durchgeführt. 53,1 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten jedoch gegen eine solche Abschaffung.

Dänemark hat insgesamt vier EU-Vorbehalte. Neben dem Vorbehalt zur justiziellen Zusammenarbeit sind dies Vorbehalte zum Euro, der gemeinsamen Verteidigung und zur Unionsbürgerschaft.

Am 1. Juni soll ein Referendum darüber stattfinden, ob Dänemark seinen EU-Verteidigungsvorbehalt aufheben soll.

Quelle: Folketingets EU-Oplysning und eigene Berichterstattung

„Ich bin mir bewusst, dass es verschiedene Fälle gibt. Derzeit ist die Einreise nach Dänemark als Tourist möglich, aber bereits in der kommenden Woche wird das Folketing ein Gesetz behandeln, das einen darüber hinausgehenden Aufenthalt für Flüchtlinge aus der Ukraine ermöglichen wird. Dann bekommen die Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung und können sich in Dänemark auch eine Arbeit suchen“, erläutert Susanne Hyldelund.

Derzeit ist die Einreise nach Dänemark als Tourist möglich, aber bereits in der kommenden Woche wird das Folketing ein Gesetz behandeln, das einen darüber hinausgehenden Aufenthalt für Flüchtlinge aus der Ukraine ermöglichen wird.

Susanne Hyldelund, Botschafterin Dänemarks in Deutschland

Not-Visum gilt nur für Dänemark

Ukrainerinnen und Ukrainer, die nicht über einen biometrischen Reisepass verfügen, können derzeit noch ein Not-Visum beantragen. Da in den meisten Fällen eine oder mehrere Bedingungen für ein gewöhnliches Visum nicht erfüllt sind, gilt ein solches Not-Visum allerdings nur innerhalb Dänemarks. Deshalb kann dann kein Schengenvisum mit Gültigkeit für alle Schengenländer ausgestellt werden, wie die Ausländerbehörde auf Anfrage dem „Nordschleswiger“ gegenüber bestätigt. Eine Weiterreise beispielsweise nach Schweden oder Norwegen endet dann oftmals vorerst an der deutsch-dänischen Grenze.

„Aber es ist auch möglich, an der Grenze Asyl zu beantragen, jedoch ist das dann nur ein Asylantrag für Dänemark. Hier verlassen wir uns auf die gemeinsamen Schengenregeln und sind zudem an den EU-Visakodex gebunden, weshalb Dänemark nicht anderweitig selbst entscheiden kann“, sagt Susanne Hyldelund. 

Das geplante Sondergesetz soll es jedoch ermöglichen, dass ukrainische Staatsbürgerinnen und -bürger innerhalb kurzer Zeit eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung erhalten können und somit nicht länger einen Asylantrag stellen müssen.

Viele Däninnen und Dänen sind sehr offen für eine Aufnahme von Flüchtlingen und versuchen mitzuhelfen.

Susanne Hyldelund, Botschafterin Dänemarks in Deutschland

Das Sondergesetz sieht auch vor, dass ukrainische Kinder und Jugendliche in Dänemark in die Schule gehen oder eine Ausbildung beginnen können. Zudem soll es auch Menschen, die in der Ukraine als Flüchtlinge anerkannt sind, umfassen. Das Gesetz soll am 16. März in dritter Lesung verabschiedet werden und zunächst für zwei Jahre gelten.

Schnelle Hilfe jetzt wichtig

Für die Botschafterin ist es wichtig, dass jetzt so schnell wie möglich geholfen werden kann. Sie begrüßt deshalb auch die Ankündigung der dänischen Polizei, an verschiedenen Orten in Dänemark Anlaufstellen einzurichten, in denen Flüchtlinge aus der Ukraine eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen können.

„Viele Däninnen und Dänen sind sehr offen für eine Aufnahme von Flüchtlingen und versuchen mitzuhelfen. Es besteht zwar das Risiko von Verzögerungen, aber die dänische Regierung setzt alles daran, so schnell wie möglich zu helfen“, sagt Susanne Hyldelund.

Die Botschafterin

Susanne Hyldelund wurde 1968 in Kolding geboren.

Seit 1. September 2020 ist sie die Botschafterin Dänemarks in Deutschland mit Sitz in Berlin. Seit 1996 arbeitet sie für das dänische Außenministerium im In- und Ausland. Sie war unter anderem Generalkonsulin in Schanghai und hatte leitende Funktionen in den Organisationen Invest in Denmark und Danmarks Eksportråd (Trade Council), wo sie von 2017 bis 2020 Staatssekretärin für Handel und globale Nachhaltigkeit war.

Susanne Hyldelund ist verheiratet und hat zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn.

Susanne Hyldelund ist seit 2020 Dänemarks Botschafterin in Deutschland. Foto: Kgl. Dänische Botschaft/Kasper Jensen
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Leitartikel

Gwyn Nissen
Gwyn Nissen Chefredakteur
„Zusammenarbeit: Wieso die Regierung an ihre Grenze gestoßen ist“