75 Jahre „Der Nordschleswiger“
„Wie bei Hänsel und Gretel - auf einmal war da ein Haus!"
„Wie bei Hänsel und Gretel - auf einmal war da ein Haus!"
„Wie bei Hänsel und Gretel - auf einmal war da ein Haus!"
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„Der Nordschleswiger“ wurde am 2. Februar 75 Jahre alt. Wir bringen im Laufe des Jubiläumsjahres eine Serie über uns selbst. In diesem Abschnitt erinnern sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an eine Arbeitsaufgabe, die einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat. Journalist Dominik Dose bleibt eine Reportage in ländlicher Idylle unvergessen.
Der 35-jährige Journalist Dominik Dose ist seit 2015 ein Teil des Redaktionsteams. Nach einem halben Jahr als Vertretungskraft wurde der gebürtige Neumünsteraner Anfang 2016 beim Medium der deutschen Minderheit fest angestellt.
Im Praktikum nach Nordschleswig
Ursprünglich war es ein Praktikum, das den jungen Mann im Sommer 2014 nach Nordschleswig führte. „Ich habe in Kiel an der Universität Politik und Geschichte studiert“, sagt Dominik Dose. Zeitgleich zu den Studien belegte er Journalismus-Seminare an der Universität.
Claudia Knauer, Direktorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig, die damals stellvertretende Chefredakteurin des „Nordschleswigers“ war, leitete die Seminare. „Sie hat mich gefragt, ob ich ein Praktikum bei der Zeitung machen will. So bin ich erstmals im Juli 2014 für ein dreimonatiges Praktikum zur Zeitung gekommen“, erinnert sich Dominik Dose.
Feuertaufe am ersten Arbeitstag
Seine Feuertaufe bestand er gleich am ersten Arbeitstag. Er wurde auf den Campingplatz nach Loddenhoi (Loddenhøj) geschickt, um die 89-jährige Akkordeonspielerin Elli Krämer-Mathiesen († 2017) aus Hadersleben (Haderslev) zu interviewen.
„Ich glaube, ich habe sechs Stunden bei Elli Krämer-Mathiesen im Vorzelt gesessen. Sie hat mir Fotos gezeigt und mir ihre unglaublich interessante und mitreißende Geschichte erzählt. Sie hat Musik gemacht mit Sängerin Lale Andersen“, erinnert sich Dominik Dose an die gebürtige Essenerin.
Als er um 15 oder 16 Uhr in die Redaktion zurückkehrte, hieß es, dass der Artikel für die Ausgabe des darauffolgenden Tages eingeplant war. „Der Artikel ist dann irgendwann abends kurz vor Deadline fertig geworden“, sagt Dose.
Fit für neue Arbeitsaufgaben in Hadersleben
Der junge Praktikant meisterte die Bewährungsprobe, und das habe ihm, wie er versichert, auch geholfen, eine Aufgabe, die ihm etwa drei Wochen später in der Lokalredaktion Hadersleben gestellt wurde, zu bewerkstelligen.
Damals war es so, dass die Praktikanten einen Abstecher in alle Lokalredaktionen gemacht haben, erklärt Dominik Dose. Besonders gut erinnert er sich an den Termin in Schauby (Skovby), wo er mit wenigen Anhaltspunkten auf dem Block ein ganzseitiges Sommerinterview schreiben sollte mit Ulla Wettergren als Ansprechpartnerin.
Die 54-jährige Wettergren wohnte abseits der Ortschaft in einem Wald. Der Praktikant navigierte sich mithilfe eines Online-Kartendienstes von Hadersleben nach Schauby. „Der Waldweg war ellenlang und so eng, dass ich nicht umdrehen konnte“, weiß Dominik Dose. Am Anfang des Weges standen noch einige Häuser. Aber dann kam ein langer Feldweg. Als er schon fürchtete, dass er sich verfahren hatte, tauchte Wettergrens Haus auf. „Wie bei Hänsel und Gretel – auf einmal war da ein Haus“, sagt Dominik Dose und lacht.
Leidenschaftliche Tierfotografin
Vor dem Haus habe Ulla Wettergren auf einem Stuhl gesessen. „Ich bin einfach ausgestiegen und habe Moin gesagt. Sie hat zunächst ein bisschen komisch geguckt. Als ich sagte, dass ich von der Zeitung bin, hat sie sofort gelächelt“, weiß Dominik Dose. Dann fiel alle Spannung von dem damals 28-Jährigen ab. Die Schaubyerin sei supernett gewesen, und bei einer Tasse Kaffee erzählte sie bereitwillig und offen über ihr Leben.
Ulla Wettergren war schon damals eine leidenschaftliche Tierfotografin, und sie postete Fotos ihrer Katzen in den sozialen Medien. Dass er auf eine große Katzenfreundin gestoßen war, wurde ihm deutlich vor Augen geführt. Überall wuselten Katzen herum. Dominik Dose erspähte auf die Schnelle 12 oder 15 Katzen und Kater, die auf dem Hof, in den Blumentöpfen und den offen stehenden Fenstern saßen.
Wo Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen
Ulla Wettergren hatte sich 2004 in Schauby niedergelassen. Sie hatte ein kleines Paradies geschaffen für sich und ihre Tiere, zu denen auch Hühner und ein Kaninchen namens Hase zählten. „Alle Türen und Fenster des Hauses waren offen, damit die Tiere rein- und rauskonnten“, sagt Dose, der weiter ausführt: „Sie hat allein gewohnt, aber sie wirkte zufrieden.“
Er rechnete damit, ein bisschen angemeckert zu werden, stattdessen fand er eine herzensgute Frau vor. Ulla Wettergren war es gewohnt, dass Fremde den Weg über den Schotterweg zurücklegten. Sie freute sich immer, wenn Menschen, die ihre Katzenfotos im Internet gesehen hatten, zu ihr kamen, um ihre Tiere zu fotografieren.
Protest gegen Stilllegung
Dominik Dose sprach auch mit Ulla Wettergren darüber, dass sich dunkle Schatten über ihren Alltag gelegt hatten, weil angedacht wurde, die Buslinie zwischen Schauby und Woyens (Vojens) stillzulegen. Ulla Wettergren hatte sich sowohl an den Haderslebener Bürgermeister Hans Peter Geil (Venstre) als auch an die Busgesellschaft „Sydtrafik“ gewandt, um gegen die Schließung zu protestieren.
Nach einer schweren Krankheit war Wettergren krankgeschrieben und konnte sich kein Auto leisten. Die damals 54-Jährige fürchtete, abgeschnitten zu werden von der Außenwelt, wenn sie nicht mit dem Bus nach Woyens fahren konnte, wo sie einkaufte.
Ulla Wettergren erwähnte spaßeshalber, dass sie sich vielleicht ein Mofa anschaffen müsse. „Nichts schien ihr die gute Laune nehmen zu können“, erinnert sich Dominik Dose an die naturverbundene Schaubyerin.
Ich bin einfach ausgestiegen und habe Moin gesagt. Sie hat zunächst ein bisschen komisch geguckt. Als ich sagte, dass ich von der Zeitung bin, hatte sie sofort gelächelt.
Dominik Dose, Journalist
Lob aus der ländlichen Idylle
Zurück in der Lokalredaktion, habe er dann Zeit gehabt, den Artikel zu schreiben und die vielen Fotos, die er vor allem von Wettergrens Katzen gemacht hatte, zu sichten. „Ich habe Ulla meinen Artikel gemailt. Sie antwortete mir, dass sie den Artikel super findet. Die Fotos haben ihr auch gefallen“, verrät Dominik Dose, der sich über das Lob aus dem idyllischen Wäldchen freute.