75 Jahre „Der Nordschleswiger“
Von Tiedemann: „Erstaunlich, wie frech ich geschrieben habe“
Von Tiedemann: „Erstaunlich, wie frech ich geschrieben habe“
Von Tiedemann: „Erstaunlich, wie frech ich geschrieben habe“
Diesen Artikel vorlesen lassen.
„Der Nordschleswiger“ wurde am 2. Februar 75 Jahre alt. Wir bringen im Laufe des Jubiläumsjahres eine Serie über uns selbst. In diesem Abschnitt erinnern sich Mitarbeiter an besondere Arbeitsaufgaben. Sein forscher Schreibstil als junger Praktikant überrascht den stellvertretenden Chefredakteur im Nachhinein.
Ein Bericht von einem Konzert in der Zentralbücherei des deutschen Büchereiwesens in Nordschleswig ist der Artikel, an den sich Cornelius von Tiedemann erinnert, wenn er an die Anfangszeit bei der Tageszeitung der deutschen Minderheit in Nordschleswig zurückdenkt.
Dass der stellvertretende Chefredakteur mit diesem Artikel zu unserer Serie beiträgt, hat einen besonderen Grund:
„Der Artikel ist kein Meisterwerk. Ich finde es einfach witzig zu lesen, wie selbstbewusst ich damals geschrieben habe. Im Nachhinein bin ich ein bisschen stolz, dass ich nicht alles schöngeschrieben, sondern auch ein bisschen Kritik reingebracht habe“, verrät Cornelius von Tiedemann.
Einer der allerersten Artikel
Er verbindet den Artikel mit seiner Anfangszeit beim „Nordschleswiger“. „Es war einer meiner allerersten Artikel“, sagt von Tiedemann. Inzwischen sind 13 Jahre ins Land gezogen, und Cornelius von Tiedemann avancierte zum stellvertretenden Chefredakteur des „Nordschleswigers“.
Es war ein Praktikum, das den jungen Hamburger 2008 nach Apenrade (Aabenraa) führte. Er arbeitete in der Hauptredaktion, und am 20. August 2008 berichtete er von der Veranstaltung in der Apenrader Zentralbücherei.
Am richtigen Fleck
„Wenn ich mich richtig erinnere, wurde ich, nachdem ich den Artikel geschrieben hatte, zum Anstellungsgespräch geladen mit Chefredakteur Matlok und seiner Stellvertreterin Claudia Knauer“, sagt Cornelius von Tiedemann.
Ein Journalist hatte aufgehört. Der damalige Chefredakteur und die damalige stellvertretende Chefredakteurin suchten einen Nachfolger.
„Ich kann mich aber nur dunkel an das Gespräch erinnern“, verrät von Tiedemann, der unterstreicht, dass es wohl nicht der Artikel war, der ihm die Anstellung im Redaktionsteam brachte.
Der Artikel sei gar nicht angesprochen worden. „Da saß ich gerade am richtigen Fleck, was die Anstellung angeht“, stellt Cornelius von Tiedemann fest.
Erfahrung mit Medien
Obwohl von Tiedemann im August 2008 lediglich zwei oder drei Wochen als Praktikant gearbeitet hatte, bereitete ihm der abendliche Termin in der Zentralbücherei kein Kopfzerbrechen.
„Das war in Ordnung. Ich hatte schon Erfahrung mit Medien. Ich habe, als ich Student war, Radio gemacht“, sagt Cornelius von Tiedemann, der vorab auch ein Praktikum bei „Radio Schleswig-Holstein" (RSH) durchlaufen hatte.
Praktikant vermisste das Verschmelzen von Lyrik und Musik
Rezitator Bernd Berndsen und Pianist Alexander Mikhailuk (†2014) unterhielten mit Gedichten von Rainer Maria Rilke und Klaviermusik von Frederik Chopin. Die Künstler waren ein eingespieltes Team, beschrieb Cornelius von Tiedemann.
Dem Duo gelang es offenbar nicht, die Werke von Rilke und Chopin, wie von den Veranstaltern in der Ankündigung versprochen, zu einem „harmonischen Klangteppich“ zu verschmelzen: „Erst Chopin, dann Rilke, dann Chopin, dann Rilke“, schrieb von Tiedemann in seinem Bericht.
Forscher Schreibstil überraschte im Nachhinein
„Im Nachhinein finde ich es erstaunlich, wie frech ich geschrieben habe, so völlig ohne Angst, irgendjemandem auf die Füße zu treten. Ich habe einfach meinen Eindruck wiedergegeben und mich bemüht, so ausgewogen und so kritisch wie möglich zu schreiben“, sagt von Tiedemann und schmunzelt.
Der Artikel erschien am Freitag, 22. August 2008, auf der Nordschleswig-Seite. Obwohl der Bericht nicht so lang war, habe er „echt lange daran gesessen“, weil ihm damals noch die Routine fehlte.
Im Laufe der Jahre bekomme man automatisch mehr davon. Was nicht immer nur von Vorteil sein muss. Denn der stellvertretende Chefredakteur findet es wichtig, dass man sich als Journalist auch etwas traut und sich interessant macht für die Leser und Leserinnen.
Ein bisschen frech und ein bisschen Unterhaltung
„Dafür ist Journalismus auch da, dass man ein bisschen frech ist und ein bisschen Unterhaltung reinbringt. Das muss auch sein, aber es muss auch was dahinterstecken. Es ist inhaltlich wichtig, die Balance zu haben“, unterstreicht Cornelius von Tiedemann.
Er hofft, dass seine Leser und Leserinnen merken, dass er immer versucht habe, dieses Gleichgewicht zu halten.
„Ich würde mich freuen, wenn junge Journalisten und Journalistinnen Selbstsicherheit mitbringen“, sagt von Tiedemann.
Der stellvertretende Chefredakteur bezeichnet es als einen Segen für ihn, dass „Der Nordschleswiger“ seinen forschen Stil, von dem seine Artikel damals durchgehend gekennzeichnet waren, nicht im Keim erstickte.
„Man hat mich gelassen. Das war ein Segen für mich, dass ich das ausprobieren konnte.“
„Wir sind für das Publikum da“
Es sei sehr nett gewesen, mit den beiden zu sprechen, und deshalb sei es ihm nicht ganz leichtgefallen, in seinem Bericht einen kritischen Ton anzuschlagen:
„Das ist ein Problem, das wir oft haben, wenn wir über Menschen und Sachen schreiben, die uns bekannt sind. Dann kann es schwer sein, sich zu distanzieren und die berühmte Armlänge Abstand anzustreben.“
Als Journalist könne man, so von Tiedemann, sich niemals auf eine Seite stellen, sondern müsse möglichst immer kritische Distanz waren. Es sei zwar natürlich, dass beispielsweise Künstler sich eine positive Presse wünschen.
„Es ist aber nicht die Aufgabe der Presse, alles so zu schreiben, wie sie es gerne hätten. Wir sind für das Publikum da, damit es weiß, was gut funktioniert hat – und was nicht. Da sind wir erneut beim Balanceakt. Den muss man als Journalist selbstbewusst antreten“, unterstreicht Cornelius von Tiedemann.
Es ist nicht die Aufgabe der Presse, alles so zu schreiben, wie sie es gerne hätten. Wir sind für das Publikum da, damit es weiß, was gut funktioniert hat – und was nicht. Da sind wir erneut beim Balanceakt. Den muss man als Journalist selbstbewusst antreten.
Cornelius von Tiedemann, stellvertretender Chefredakteur
Kritisch und offen berichten
„Ich schreibe nicht alles schön, sondern schreibe durchaus kritisch. Ich habe sie nicht in Grund und Boden geschrieben. Das stand mir gar nicht zu. Ich bin weder Kritiker von Lyrik noch klassischer Musik“, so der Journalist über den damaligen Artikel.
Er sei damals ein „kleiner Praktikant“ gewesen und habe sich bemüht, so ausgewogen und kritisch wie möglich zu schreiben, sagt von Tiedemann und fügt hinzu:
„Das ist auch wieder so ein Punkt, wo ich mir einbilde, dass wir es als Redaktion schaffen, keinen Jubeljournalismus machen, sondern ehrlich zu berichten. Zugewandt und offen auch in Bezug auf die Minderheit und unsere Kultur, aber eben auch kritisch und ehrlich.“
Anerkennung durch Ehrlichkeit
Er habe 2008 den Job bekommen, ohne dass er sich beworben habe. Das zeige ihm, dass es nicht gefährlich ist, ehrlich zu sein und sich was zu trauen, versichert Cornelius von Tiedemann.
Oft sei es richtig gut, ehrlich zu sein und sich ein bisschen was zu trauen. Das kann im ersten Moment bei denen, die man vielleicht kritisiert, nicht gut ankommen. Aber man werde dann auf lange Sicht als ernst zu nehmender Journalist wahrgenommen, wenn man nicht mit allem hinter dem Berg hält und anderen nach der Pfeife tanzt, sondern kritisch und selbstbewusst denkt.