Kulturkommentar
„Requiem für einen Fuchs“
„Requiem für einen Fuchs“
„Requiem für einen Fuchs“
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Das tragische Ende der Füchsin Bamseline berührte viele Menschen in der Minderheit. Erik Becker, Praktikant beim „Nordschleswiger“, teilt seine Gedanken zum strengen Vorgehen der Behörden.
Als Kind war ich großer Fan der Trickfilm-Klassiker aus dem Hause Disney. Ich erinnere mich daran, dass ein Freund meiner Eltern die Filme für mich damals auf VHS-Kassetten aufgenommen hat – Zeiten, die eine Ewigkeit her sind.
Einer meiner Lieblingsfilme war „Cap und Capper“ (Originaltitel: „The Fox and the Hound“). Der Film erzählt die Geschichte eines Fuchswelpen, der über Umwege zu einer älteren Dame kommt. Sie zieht ihn auf und gibt ihm den Namen Cap. Doch ein Fuchs aus dem Wald sei kein Haustier, behaupten die Menschen im Umfeld der Frau.
Es kommt, wie es kommen muss: Die Frau sieht sich gezwungen, ihren treuen Begleiter abzugeben. Schweren Herzens bringt sie ihn in ein Naturschutzgebiet, wo er ausgesetzt wird. Als sie abfährt, sieht sie im Rückspiegel, wie Cap ihr verständnislos nachblickt. Beiden fällt der Abschied schwer, gibt es doch eigentlich keinen triftigen Grund für eine Trennung.
„Cap und Capper“ ist kein buntes Musical, wie man es von dem Maus-Konzern gewohnt ist. Stattdessen ist es eine Geschichte mit Tiefgang, die zum Nachdenken anregt und Fragen nach Moral aufwirft. Getreu dem Motto „Life imitating art“ kam es vor Kurzem in Nordschleswig zu einem Fall, der Parallelen aufzeigt.
Fuchsverbot
Eine Kollegin der Lokalredaktion in Hadersleben berichtete über ein Fuchsweibchen, dessen Mutter kurz nach seiner Geburt überfahren wurde. Ein Mann aus Fohl bei Gramm (Gram) nahm sich der kleinen Füchsin an und zog sie mit der Flasche auf. Nachdem Auswilderungsversuche gescheitert waren, blieb sie dauerhaft bei ihrem Ziehvater. Er gab ihr den Namen Bamseline und baute für sie eine großzügige Voliere auf seinem Grundstück. Vier Jahre lang lebten die beiden harmonisch weit draußen auf dem Land.
Dann kamen die Behörden.
Laut Tierschutzgesetz, Paragraf 16, ist es Privatleuten nicht erlaubt, Füchse zu halten. Bamseline sollte daher „entsorgt“ werden, so der Wortlaut. Der Fuchsvater wehrte sich – verständlich, handelte es sich hier schließlich um ein Familienmitglied. Unterstützt wurde er in den sozialen Medien, wo sich viele Menschen mit ihm solidarisierten.
Doch keine Chance: Die Veterinärbehörde blieb hart. Vermittlungsversuche an Zoos und Tierparks scheiterten. Als alternative „Entsorgung“ kam nur die Tötung des Tieres infrage. Nach einem monatelangen Kampf, in dem Bamseline zwischenzeitlich sogar bei einer Pflegefamilie versteckt wurde, schrieb ihr Besitzer auf Facebook schließlich: „Ich kann nicht mehr.“
Die Füchsin wurde eingeschläfert.
Mit aller Härte des Gesetzes
Wie geht man als betroffene Person mit einer solchen Situation um? Sitzt man vor der Leiche seines Tieres und versucht sich einzureden: „Die Behörden wissen schon, was sie tun?“
Mit viel Mühe wurde daran gearbeitet, Bamseline von ihrem Besitzer zu trennen. Dabei wurde am Ende auch der Tod des zahmen Tieres in Kauf genommen. Es grenzt an Zynismus, dass dem Mann nun auch die Sachbearbeitung des Falls in Höhe von 10.000 Kronen in Rechnung gestellt wird.
Sicher hat in einem demokratischen System jedes Gesetz seine Berechtigung. Ich kann nachvollziehen, dass Wildtiere grundsätzlich nicht als Haustiere gehalten werden sollen. Doch Bamseline wäre ohne ihren Ziehvater vermutlich gestorben. Vor dem Hintergrund seiner rein positiven Absichten fällt es mir schwer, das strenge Handeln der Behörden zu verstehen. Hat das „Gute“ in einer Welt voller Bürokratie einen Platz?
Wer sagt, was „richtig“ ist?
Die Figuren unserer liebsten Geschichten werden nicht zu Heldinnen und Helden, indem sie immer genau das tun, was Autoritäten für „richtig“ halten. Ganz im Gegenteil. Zwischen Gut und Böse, Licht und Schatten, Richtig und Falsch gibt es immer Grauzonen. Kunst und Kultur erzählen diese Geschichten in unterschiedlichen Settings seit Jahrtausenden.
Und zum Glück: Wo kämen wir hin, wenn wir nichts hinterfragen würden; wenn wir einfach ignorieren würden, was das Herz uns rät? Vielleicht ist Bürokratie genau das: der Sieg des Kopfes über das Herz. Wo ein realer Schaden entstehen kann oder akute Gefahr im Verzug ist, da kann Bürokratie sicher für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen. Doch mir ist nicht klar, ob ein solches Risiko im Fall der zahmen Füchsin existierte.
Für den Disney-Fuchs Cap gibt es im Film ein Happy End. Für Bamseline gab es das nicht.