Folketingswahl
Analyse: Gesundheit und Inflation sind die wichtigsten Wahlthemen
Analyse: Gesundheit und Inflation sind die wichtigsten Wahlthemen
Analyse: Gesundheit und Inflation sind wichtigste Themen
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Nach dem ersten Tag des Wahlkampfes zeichnen sich die Themen ab, die die Debatte prägen werden. Neue Themen sind im Vergleich zu früheren Wahlen hinzugekommen, andere haben an Bedeutung verloren, so die Einschätzung von Walter Turnowsky.
Am Eröffnungstag des Folketings demonstrierte die grüne Jugendbewegung für eine Klimawahl. Ein solche fand 2019 statt. Es war nicht zuletzt das Thema Klima, das den Regierungswechsel herbeiführte.
Das Thema ist in keiner Weise von der Tagesordnung verschwunden, aber bislang zeichnet sich nicht ab, dass es in gleicher Weise den Wahlkampf dominieren wird. Ein anderes Thema, das innerhalb der vergangenen 20 Jahre mehrere Wahlen entschieden hat, wird meiner Einschätzung nach lediglich eine Nebenrolle spielen. Ich werde darauf zurückkommen, welches das ist.
Die Frage der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise brennt ganz offensichtlich vielen Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln. Doch ein anderes wird in Umfragen mindestens genauso häufig genannt: die Gesundheitspolitik.
Gesundheit
Die Corona-Krise hat die Krankenhäuser belastet. Zwar ist Dänemark auch hier glimpflicher davongekommen als andere europäische Länder. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Wartezeiten für eine Untersuchung und Behandlung deutlich länger geworden sind.
Die Probleme werden dadurch verstärkt, dass Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzte fehlen. Die Sozialdemokratie hatte 2019 1.000 extra Krankenschwestern und -pfleger versprochen. Das Ziel wurde kurzzeitig erreicht, doch seither geht es wieder abwärts.
Das Folketing griff 2021 in einen Streik des Pflegepersonals ein – das hat die Motivation, an den Krankenhäusern zu bleiben, nicht erhöht.
Es gibt hier keine einfachen Lösungen. Ärztinnen und Ärzte kann man nicht über Nacht ausbilden. Doch vor allem bei den Pflegekräften hapert es: die Zahl der Jugendlichen, die eine Ausbildung zur Krankenschwester, zum Krankenpfleger oder Krankenhelfenden (Sosu) wählen, ist stark rückläufig.
Die Frage des Lohnes spielt selbstverständlich eine Rolle, aber es gibt auch strukturelle Probleme im Gesundheitswesen.
Entscheidend wird daher, wer schlüssige und langfristige Lösungen anbieten kann. Im Wahlkampf werden auch schnelle und unrealistische Vorschläge auftauchen. Hier gilt es genau hinzuhören.
Inflation
Die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise bedeuten, dass viele Menschen sich fragen, wie sie über den Winter kommen werden. Das gilt für private Haushalte wie für Betriebe.
Bislang ist Dänemark mit den Hilfspakten im Vergleich zu Deutschland zurückhaltend gewesen. Man will verhindern, die Inflation weiter anzuheizen und so die Krise zu vertiefen und zu verlängern.
Während eines Wahlkampfes besteht immer die Gefahr, dass Parteien dazu verfallen (nicht finanzierte) Geschenke auszuteilen. Die erste Fernsehdebatte am Mittwochabend deutet jedoch darauf hin, dass die meisten an der verantwortungsbewussten Linie festhalten.
Es geht eben auch darum, in unsicheren Zeiten Sicherheit zu vermitteln. „Tryghed“ ist ein Begriff, der bereits den Wahlkampf prägt und ihn weiterhin prägen wird. Und diese „Tryghed“ vermitteln die Parteien nicht, indem sie mit dem Geld um sich werfen.
Internationale Sicherheit
Die wesentlichste Ursache für die steigenden Preise ist der Krieg in der Ukraine. Er macht aus guten Gründen vielen Menschen Sorgen. Die Welt ist seit Putins Angriff im Februar eine andere geworden. Mit den Gaslecks in der Ostsee ist der Konflikt sehr nah an die dänische Grenze gerückt.
Daher wird die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in diesem Wahlkampf eine Rolle spielen, wie es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht der Fall war. Die politischen Differenzen sind jedoch seit dem nationalen Kompromiss zur Verteidigungspolitik unter den dominierenden Parteien recht gering.
Klima- und Energiepolitik
Seit dem Angriff Putins ist jedem deutlich geworden, dass die Klima- und Energiepolitik eng mit der Sicherheitspolitik zusammenhängt. Deshalb mag es überraschen, dass die Diskussion über die grüne Wende eine geringere Rolle spielt als vor dreieinhalb Jahren.
Die Erklärung: Die politische Landschaft hat sich in dieser Frage deutlich gewandelt. 2019 gab es noch eine Diskussion über das 70-Prozent-Reduktionsziel. So einige hielten es für unrealistisch.
Jetzt herrscht darüber weitgehend Konsens. Es gibt weiterhin Diskussionen darüber, ob es schnell genug geht und wie man die Ziele erreichen soll. Und daher wird das Thema auch diesmal eine wichtige Rolle spielen, denn es gibt Differenzen – aber eben nicht die entscheidende Rolle wie bei der letzten Wahl.
Ausländer- und Integrationspolitik
Und damit wären wir bei dem Thema angekommen, dass auf der Rangliste weit nach unten gerutscht ist. Nach 2001 war es das Thema, mit dem die bürgerlichen Parteien die Sozialdemokratie bis auf eine kurze Ausnahme von der Regierungsmacht ferngehalten haben.
Nachdem Mette Frederiksen denn Kurswechsel der Partei in dieser Frage vollzogen hat, hat das Thema zunehmend an Bedeutung verloren. Die Parteien am rechten Rand werden weiterhin versuchen, mit dem Thema zu punkten. Auf der Gegenseite kritisieren die linken Parteien und die Radikalen die Pläne der Regierung zu einem Aufnahmelager in Ruanda.
Doch insgesamt hat das Thema seine Sprengkraft verloren. Es wird die Wahl nicht entscheiden.
Wohlfahrt, Wirtschaftspolitik und Weiteres
Die Frage der Gestaltung des Wohlfahrtstaates, vor allem welche Rolle private Anbieter spielen sollen, ist Thema. Gleiches gilt für die Wirtschafts- und Steuerpolitik. Entscheidend werden die Themen kaum werden. Weitere Themen werden auftauchen.
Natürlich wird auch diskutiert werden, wer Regierungschef sein soll. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler 2019 keine der drei Parteien gewählt hat, die sich jetzt um das Amt bewerben.
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