Spuren durch die Hauptstadt

Gedenken am Hinrichtungsplatz der Nazis in Kopenhagen

Gedenken am Hinrichtungsplatz der Nazis in Kopenhagen

Gedenken am Hinrichtungsplatz der Nazis in Kopenhagen

Kopenhagen
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Der Platz, an dem die deutsche Besatzungsmacht Widerstandskämpferinnen und -kämpfer hinrichtete. Foto: Walter Turnowsky

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Bei der Spurensuche in der Hauptstadt geht es diesmal zur Gedenkstätte für die Widerstandskämpferinnen und -kämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch der Grenzgendarmen, die die einmarschierenden deutschen Truppen töteten, wird hier gedacht.

Diesmal geht es bei unserem Rundgang durch die Hauptstadt etwas nachdenklich zu: Wir besuchen nämlich Mindelunden Ryvangen, die Gedenkstätte, wo die Widerstandskämpferinnen und -kämpfer während der Besatzungszeit ihr Leben verloren.

Daher suchen wir auch nur diesen einen Ort auf, damit genug Zeit für Reflexion, Nachforschung und Überlegung bleibt. 

Der Eingang zum Gedenkhain Foto: Walter Turnowsky

Der Hain liegt ein wenig versteckt zwischen den Stadteilen Østerbro und Hellerup. Ein unscheinbarer Maschendrahtzaun trennt es vom umgebenden Naturgelände. Eine Treppe führt durch ein Tor an den Ort der Ruhe und des Gedenkens. Eine Allee führt über das Gelände.

Die Allee liegt in Verlängerung des Eingangs. Foto: Walter Turnowsky

Linker Hand befindet sich ein Säulengang. In der Wand sind Gedenkplatten für jene Widerstandskämpferinnen und -kämpfer eingelassen, die während des Krieges spurlos verschwanden. Viele von ihnen sind in den Konzentrationslagern umgekommen.

Die Gedenkwand für die Verschollenen Foto: Walter Turnowsky

Man geht an 151 Namen vorbei. In der Datenbank „Modstandsdatabasen“ des Nationalmuseums können wir nachschlagen, wer sich hinter den Namen verbirgt. So erfahren wir über Hertha Bentzen, dass sie in Randers an der Verteilung von illegalen Drucksachen beteiligt war.

Hertha Bentzen starb in Auschwitz. Foto: Walter Turnowsky

Nach ihrer Verhaftung kam die damals 52-Jährige zunächst ins Lager in Fröslee (Frøslev) nahe der deutsch-dänischen Grenze und wurde von dort 1943 ins KZ Ravensbrück deportiert. Von dort wurde sie zunächst nach Majdanek und dann nach Auschwitz überführt. Weitere Details sind auf Dronningborghistorier zu finden: Die Familie und ihr Arzt versuchten ihre Entlassung oder zumindest medizinische Behandlung zu erwirken. Die Antwort der deutschen Sicherheitspolizei kam am 12. Juni 1944: Hertha Bentzen sei am 5. Mai in Auschwitz an einem Herzinfarkt gestorben.

Hinter dem Wall verbirgt sich die Mordstätte der Nazis. Foto: Walter Turnowsky

Sobald man um den Wall gegangen ist, sieht man das, was auch eine Gruppe von Widerstandsleuten am 5. Mai 1945 sah: Drei Baumstämme, die in der Erde stecken. Sie sind von Kugeln zerfetzt. 94 Kameradinnen und Kameraden aus dem Widerstand waren an diese Stämme gefesselt und erschossen worden. Frühmorgens oder am Nachmittag wurden die zum Tode Verurteilten vom Vestre Fængsel geholt und nach Ryvangen gebracht. 

Die Nachbildung der Hinrichtungsstämme sind in Bronze gegossen. Foto: Walter Turnowsky
Während der Besatzungszeit war die Position, von der aus geschossen wurde, überdacht. Foto: Walter Turnowsky

Heute sind Bronzeabdrücke der ursprünglichen Stämme zu sehen. Davor liegt ein Stein mit dem ersten Vers eines Gedichts von Kaj Munk in die Wiese eingebettet. Zunächst selbst vom Nationalsozialismus fasziniert, wandte der Pastor und Dichter sich Ende der 1930er-Jahre davon ab, und sprach sich nach der Besetzung offen gegen die Zusammenarbeitspolitik aus. Die Gestapo hat ihn 1944 erschossen.

Folgende Zeilen von Kaj Munk sind auf dem Gedenkstein zu lesen: „Drenge, I drenge som døde. I tændte for Danmark i dybeste mulm en lysende morgenrøde“. Foto: Walter Turnowsky

Nach dem deutschen Einmarsch am 9. April 1940 entschloss sich die dänische Regierung, die Kämpfe einzustellen und mit der Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeitspolitik brach 29. August 1943 infolge von steigendem Widerstand und Streiks zusammen.

Das Monument für die ermordeten Widerstandskämpferinnen und -kämpfer Foto: Walter Turnowsky

Am selben Tag besetzten die deutschen Truppen auch das Übungsgelände des dänischen Ingenieurregiments Ryvangen. Dort hat die Besatzungsmacht dann nicht nur den Hinrichtungsplatz eingerichtet, sondern auch die toten Widerstandskämpferinnen und -kämpfer begraben. Die Gräber haben sie mit Holzpflöcken markiert.

Das große Grabfeld Foto: Walter Turnowsk

Nach dem Krieg fand man 202 Gräber auf dem Gelände. Diese wurden geöffnet, um die Toten zu identifizieren. 106 Personen wurden nach einer Gedenkstunde bei Christiansborg im großen Grabfeld auf Ryvangen beerdigt. Die übrigen sind nach Wunsch ihrer Angehörigen in ihrer Heimat beerdigt worden. Ihnen wird mit einer Tafel in der Mitte des Grabfeldes gedacht.

Blumen auf einem der Gräber Foto: Walter Turnowsky

Beim Gang über das Grabfeld wird deutlich, dass viele junge Menschen sich dem Widerstand angeschlossen hatten. Eines der vielen Schicksale ist das des Theologiestudenten und Offizieranwärters Christian Ulrik Hansen, der 23 Jahre alt wurde. 

Die Homepage von Mindelunden verrät, dass der aus Nordjütland stammenden junge Mann gemeinsam mit anderen Offiziersanwärtern eine Widerstandsgruppe gegründet hatte, die in Kopenhagen etliche Sabotageaktionen durchgeführt hat. Hansens bedeutendster Einsatz geschah jedoch in Zusammenhang mit den Waffenabwürfen von britischen Flugzeugen über Nordjütland. Er organisierte das Abholen dieser Waffen durch die Widerstandsgruppen. 

Das Grab von Christian Ulrik Hansen Foto: Walter Turnowsky

Im Februar 1944 wurde Hansen am Bahnhof von Aalborg verhaftet. Mitglieder seiner Widerstandsgruppe drangen in den Arrest ein, um ihn zu befreien. Doch er wollte den Arrest aus Solidarität mit seinen Mitgefangenen nicht verlassen. Am 19. Juli 1944 wurde er zum Tode verurteilt und vier Tage später in Ryvangen erschossen. 

Das Grab des Widerstandkämpfers Citronen Foto: Walter Turnowsky

Bei einem weiteren Grab erkennt man an vier dort angebrachten Zitronen, wer dort beerdigt ist: Jørgen Haagen Schmidt, mit dem Spitznamen „Citronen“, zählt gemeinsam mit seinem Freund Bent Faurschau-Hviid (Flammen) zu den bekanntesten Widerstandskämpfern des Landes.

Flammen war einer der von der Gestapo meist gesuchtesten Widerstandskämpfer. Foto: Walter Turnowsky

Beide gehörten der Gruppe „Holger Danske“ an. Ihre wesentliche Aufgabe für den Widerstand war ausgesprochen blutiger Art. „Flammen“ war als sicherer Pistolenschütze bekannt und gemeinsam töteten sie elf Personen, die entweder Teil der deutschen Besatzungsmacht waren, oder in Verdacht standen, Denunzianten zu sein. 

Haagen Smith starb am 15. Oktober 1944 bei einem Feuergefecht mit der Gestapo. Drei Tage später umzingelte die Gestapo das Haus von Faurschau-Hviid. Um einer Verhaftung zu entgehen, nahm er sich selbst das Leben. 

Karl Edvard Nielsen war nicht Opfer, sondern Helfer der Nazis. Foto: Walter Turnowsky

Auf einem Gab in unmittelbarer Nähe von Faurschau-Hviids liegt kein Stein mehr. Ein QR-Code weist den Weg zur Erklärung: Am 9. April 2024 wurde der Grabstein von Karl Edvard Nielsen entfernt. 

Der Autor Martin Q. Magnussen hatte in seinem Buch „Den falske Løjtnant“ aufgedeckt, dass er nicht Widerstandskämpfer war, sondern für die Gestapo gearbeitet hatte. Deutsche Soldaten haben Nielsen aufgrund einer Verwechslung erschossen.

Das Monument für die gefallenen Soldaten Foto: Walter Turnowsky

Rechts neben dem großen Grabfeld steht ein Monument, mit dem gut 100 gefallener dänischer Soldaten gedacht wird. 16, hierunter drei Grenzgendarmen, starben bei Gefechten während des deutschen Einmarsches. 

Weitere starben im alliierten Kriegsdienst, nach dem Zusammenbruch der Zusammenarbeitspolitik sowie als Mitglieder der Dänischen Brigade in den Befreiungstagen. Das Monument von Bjørn Nørgaard wurde 2019 aufgestellt.

Die Grabstätte für die KZ-Gefangenen Foto: Walter Turnowsky

In einer Lichtung hinter dem großen Grabfeld sind 32 Menschen begraben, die in den Konzentrationslagern starben. Unmittelbar nach dem Krieg schickten die dänischen Behörden Teams bestehend aus Personal der Polizei, des Rechtsmedizinischen Instituts und der Zahnarzthochschule zu Grabplätzen in Deutschland und Polen, um tote dänische KZ-Gefangene zu identifizieren. 

Zunächst wurden 115 der Toten identifiziert und am 9. Juli 1945 von einem Konvoi weißer Lastwagen nach Dänemark transportiert. 25 von ihnen wurden auf Wunsch der Angehörigen im Mindelunden beerdigt. Weitere sechs wurden 1947 identifiziert und ebenfalls dort beigesetzt.

Der jüngste der Steine trägt den Namen Preben Holger Larsen. Bis 2022 war sein Name an der Gedenkwand für die Verschollenen zu finden. Doch dann kam Mindelunden in Besitz einer stark beschädigten Urne aus dem Krematorium des KZ Neuengamme, die seine Asche enthält. Am 29. August 2022 wurde die Urne neben den übrigen 31 Gräbern bestattet.

Erste 2022 wurde die Urne von Preben Holger Larsen hier bestattet. Foto: Walter Turnowsky

Ein deutsches Kriegsgericht hatte Larsen wegen der Produktion von illegalen Drucksachen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er kann zunächst ins Gefängnis in Horserød und von dort nach Fröslee. Von Fröslee wurde er nach Neuengamme deportiert. Er erkrankte aufgrund der harten Arbeit dort und starb im November 1944.

Wo jetzt Wiese ist, hatte die Besatzungsmacht ursprünglich die Widerstandskämpferinnen und -kämpfer begraben. Foto: Walter Turnowsky

Bevor man die Gedenkstätte verlässt, kann man in der Pforte den Brief eines zu Tode verurteilten jungen Mannes an seine Mutter finden.

„Ich bin nur ein unbedeutendes Ding, und meine Person wird bald vergessen sein. Aber die Idee, das Leben und die Inspiration, die mich erfüllt haben, werden weiterleben“, heißt es in dem Brief. 

Wer nach dem Besuch des Gedenkhains noch ein wenig Ruhe benötigt, um die Gedanken und Eindrücke zu verdauen, kann sie im benachbarten Ryvangen Naturpark finden.

Ryvangen Naturpark Foto: Walter Turnowsky

An den Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien bietet Mindelunden jeweils um 13 Uhr kostenfrei Führungen an.  Schulen können ebenfalls kostenfrei eine eigene Führung buchen. Mindelunden hat einen eigenen Unterrichtsverlauf für Schülerinnen und Schüler ab der 6. Klasse entwickelt. 

Am 29. August findet eine Gedenkstunde anlässlich des Jahrestages zu Beendung der Zusammenarbeitspolitik statt. 

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
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