Nordschleswig

Keine Schulpflicht: Deutsche Kinder besonders oft im Heimunterricht

Keine Schulpflicht: Deutsche Kinder besonders oft im Heimunterricht

Deutsche Kinder besonders oft im Heimunterricht

Apenrade/Aabenraa
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Viele deutsche Familien kommen wegen des Bildungssystems und der Möglichkeit zum Homeschooling nach Nordschleswig (Symbolfoto). Foto: Adobe Stock

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Die Grenz-Kommunen in Nordschleswig beobachten einen starken Zuwachs bei Kindern, die nicht in die Schule gehen. Zugezogene aus Deutschland spielen dabei eine große Rolle.

Seit der Corona-Pandemie steigt in Nordschleswig die Zahl der Familien, die ihre Kinder nicht in eine Schule schicken, sondern diese für den Heimunterricht anmelden. 

Dieser Anstieg zeichnet sich für denselben Zeitraum auch bei den Zahlen der Zugezogenen aus Deutschland ab.

Egal, ob in Apenrade, Sonderburg (Sønderborg) oder Tondern (Tønder): Die Kommunen an der Grenze zu Deutschland beobachten seit Corona einen Trend zum Homeschooling. Legt man das Vor-Corona-Jahr 2019 zugrunde, zählten die drei Kommunen zusammen 24 Kinder im Heimunterricht. Stand März 2024 sind es 138 Mädchen und Jungen.   

Aber hängen die vielen Zugezogenen, die seit Corona aus Deutschland nach Nordschleswig kommen, und die steigende Zahl der Kinder im Heimunterricht zusammen? Oder sind dies zwei Trends, die einfach zur selben Zeit stattfinden? 

Die kurze Antwort: ja und nein. 

Landesweiter Trend zum Homeschooling

Steigende Zahlen von Homeschooling-Kindern sind erst einmal kein rein nordschleswigsches Phänomen, sondern in ganz Dänemark zu beobachten.

Laut „Kristeligt Dagblad“ wurden im Schuljahr 2014/2015 landesweit 379 Kinder im Homeschooling unterrichtet. Bis 2020 sei die Zahl auf 716 gestiegen. Der Trend scheint anzuhalten. So berichtet „Fyens Stiftstidende“, dass im aktuellen Schuljahr 2023/2024 in 94 von 98 befragten Kommunen 1.509 Kinder im Homeschooling unterrichtet werden. Die Zeitung berichtet für die Kommune Fyn von einer Verfünffachung der Zahl von 2018/2019 bis heute. 

Die südlichen Kommunen Dänemarks reihen sich also in einen landesweiten Trend ein. Jedoch zeigen die Zahlen der hiesigen Kommunen teils sogar eine Verzehnfachung der Zahlen von Homeschooling-Kindern. 

Ausgenommen von dieser Erhebung ist die Kommune Hadersleben, da ihr die Zahlen für die Schuljahre vor 2022/23 nicht bekannt sind. Mathias Kolstrup, Leiter des Sekretariats für Kinder und Kultur, konnte auf Nachfrage lediglich mitteilen, dass im laufenden und vergangenen Schuljahr jeweils 19 Kinder im Heimunterricht gemeldet waren. Davon seien aktuell vier Kinder aus deutschen Familien. 

Mehr Zugezogene aus Deutschland

Jedoch spielen gerade in den nordschleswigschen Kommunen an der Grenze zu Deutschland auch die seit 2019 zugezogenen Familien aus Deutschland eine Rolle. Sie scheinen der Idee des Heimunterrichts besonders viel abzugewinnen. 

Obwohl die Zugezogenen nur einen Bruchteil der Gesamtbevölkerung in den Kommunen ausmachen, so handelt es sich bei der Mehrheit der Homeschooling-Zahlen um Kinder aus deutschen Familien. Dieses Phänomen zieht sich durch alle drei Kommunen. 

Konkrete Zahlen zu den Zugezogenen unter allen Homeschooling-Kindern konnten nicht alle auf Anfrage des „Nordschleswigers“ liefern. Aber sowohl die Kommune Tondern als auch Apenrade bestätigen: Die Mehrheit der Kinder im Homeschooling kommt aus deutschen Familien. 

Ganz genau kann die Kommune Sonderburg die Zahlen zum Heimunterricht aufschlüsseln. Hier sind aktuell 72 Schülerinnen und Schüler im Heimunterricht gemeldet. 

Vor Corona und vor der großen Zuzugs-Welle aus Deutschland waren der Kommune insgesamt deutlich weniger Kinder im Heimunterricht gemeldet: Bis 2020 lag die Zahl bei 10 oder darunter. 2021 waren es bereits 19 Anmeldungen, und seitdem steigt die Zahl – auch ohne Corona – weiter gravierend an.

Es gibt viele Zugezogene aus Deutschland, die kommen, weil sie ihre Kinder hier zu Hause unterrichten können.

Marius Havemann Kissov Linnet

Das Interessante an den Zahlen: Bei 40 von den aktuell 72 Kindern im Homeschooling handelt es sich um Zugezogene aus Deutschland, wie Marius Havemann Kissov Linnet, Schulkonsulent der Kommune Sonderburg, der Redaktion auf Anfrage mitteilt. 

Warum unterrichten Deutsche ihre Kinder so gern zu Hause?

„Es gibt viele Zugezogene aus Deutschland, die wegen unseres Bildungssystems kommen, weil sie ihre Kinder hier zu Hause unterrichten können“, erklärt Marius Havemann. In Sonderburg habe man auch die Erfahrung gemacht, dass viele Familien nicht ausreichend darüber informiert seien, wie das dänische Schulsystem eigentlich funktioniert und welche Möglichkeiten es bietet. 

 

Oft müssen wir erstaunte Zuzügler-Eltern darüber informieren, dass die Form des Heimunterrichts bei der jeweiligen Kommune angemeldet und beantragt werden muss.

Anke Tästensen

Deutsche Schulen verweisen viele unwissende Eltern an die Kommunen

Das mangelnde Wissen über das dänische Schulsystem kommt auch bei den deutschen Schulen der Minderheit an. Wie die Schulrätin des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig (DSSV), Anke Tästensen, gegenüber dem „Nordschleswiger“ mitteilte, erhalte der Schulträger immer wieder Anfragen von Zugezogenen. „Oft müssen wir erstaunte Zuzügler-Eltern darüber informieren, dass die Form des Heimunterrichts bei der jeweiligen Kommune angemeldet und beantragt werden muss.“ 

Wenn das Kind keine Schule besucht, liegt es in der Verantwortung der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass die Integration und Sozialisierung anderweitig stattfindet.

Lene Nørgaard Hansen

Die zugezogenen Eltern würden sich teils zu wenig informieren und denken, sie könnten ihr Kind einfach so und ohne Anmeldung zu Hause unterrichten. Das fällt dann beispielsweise auf, wenn sich die Eltern an den DSSV wenden, um zu fragen, ob sie ihr Kind für den Dänisch-Unterricht nicht in eine der deutschen Schulen schicken könnten. „Das geht natürlich nicht“, so die Schulrätin. 

Eltern müssen ihre Kinder nicht nur bei der Kommune für das Homeschooling anmelden, sondern auch die Lehrpläne einhalten. Das gilt auch für den Dänisch-Unterricht. Die Kommune stellt bei Hausbesuchen sicher, dass die Kinder ausreichend gebildet werden. Auch kommt die Kommune, wenn die Kinder Prüfungen ablegen müssen, sofern sie dafür nicht an eine der kommunalen Schulen gehen.

Schulbesuch ist wichtig für die Integration

Da es in Dänemark keine Schulpflicht gibt, ist es das gute Recht auch von eingewanderten Familien, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Mit Blick auf die Integration betont Lene Nørgaard Hansen aus der Abteilung Kinder, Jugend und Soziales der Kommune Tondern: „In den kommunalen und privaten Schulen findet ein großer Teil der Integration und Sozialisierung statt.“ In der Kommune Tondern war 2019 – also vor Corona – kein Kind für das Homeschooling angemeldet, wie Ulrik Petersen, Pressesprecher der Kommune, mitteilt. Heute sind es 29 Kinder – die Mehrzahl aus deutschen Familien. 

„Wenn das Kind keine Schule besucht, liegt es in der Verantwortung der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass die Integration und Sozialisierung anderweitig stattfindet“, sagt Nørgaard.

Entwicklungen im Blick

Marius Havemann von der Kommune Sonderburg sagt, man habe die Entwicklungen im Blick, denn es ist davon auszugehen, dass die Homeschooling-Zahlen weiter steigen. Der Schulausschuss werde dieses Thema verstärkt auf die Agenda nehmen. „Wir wollen Zugezogene besser informieren.“ Die Erfahrung zeige, dass viele der Kinder im deutschen Schulsystem überfordert waren. „Wir wollen die Familien darauf aufmerksam machen, dass unser kommunales Schulsystem andere Möglichkeiten bietet als das deutsche Schulsystem.“ 

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