75 Jahre „Der Nordschleswiger“

Der Faktor lernte den Schriftsatz von der Pike auf

Der Faktor lernte den Schriftsatz von der Pike auf

Der Faktor lernte den Schriftsatz von der Pike auf

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Apenrade/Gjenner
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Der ehemalige Faktor mit „Mikki". Die Katze teilt sich das Zuhause mit ihrem Bruder „Mons". Foto: Karin Riggelsen

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„Der Nordschleswiger“ wurde am 2. Februar 75 Jahre alt. Wir bringen im Laufe des Jubiläumsjahres eine Serie über uns selbst. Ehemalige Mitarbeiter blicken zurück auf ihre Zeit bei der Zeitung der deutschen Minderheit. In diesem Artikel erinnert sich Schriftsetzer und Faktor Bruno Bock an über 40 Dienstjahre bei dem Medium.

Bruno Bock hat über 40 Jahre beim „Nordschleswiger“ gearbeitet. Der gebürtige Haderslebener kam nach seinem Realschulabschluss an der deutschen Schule in Hadersleben (Haderslev) in die Lehre als Schriftsetzer. Typograf ist seit jeher die übergeordnete Berufsbezeichnung für Schriftsetzer und Maschinensetzer, erklärt Bruno Bock. Der ehemalige Ausbildungsberuf zum Setzer ist nach und nach aus dem Druckhandwerk verschwunden. Bei der Digitalisierung hat sich das Handwerk weiterentwickelt und umfasst unter anderem das Berufsbild eines Grafikers beziehungsweise einer Grafikerin.

Bekannter Haderslebener hatte die entscheidende Idee

In der deutschen Minderheit aufgewachsen legte Bruno Bock sein Realexamen ab an der deutschen Schule in Hadersleben (DSH). „Ich wusste nicht, was ich nach der Schule machen sollte“, erinnert sich Bruno Bock. Es war Tabakfabrikant Matthias Hansen, der ihn aufforderte, eine Lehre anzutreten beim „Nordschleswiger“. Der bekannte Haderslebener war nach dem Zweiten Weltkrieg einer der Mitbegründer der Loyalitätserklärung des sogenannten Haderslebener Kreises. Der Fabrikant war auch der erste Vorsitzende des Deutschen Pressevereins, dem Geschäftsträger der Zeitung, die erstmals am 2. Februar 1946 erschien.

„Matthias Hansen und mein Vater kannten sich. Als mein Vater im Gespräch erwähnte, dass ich nicht wusste, welchen beruflichen Weg ich einschlagen wollte, meinte Hansen, dass ich mich beim ,Nordschleswiger‘ bewerben könnte“, erinnert sich Bruno Bock.

Bruno Bock lebt seit etwa zwei Jahrzehnten in Gjenner. Seine Söhne wohnen in Hadersleben und Apenrade. Bock hat auch drei Enkelkinder. Foto: Karin Riggelsen

Erst Schriftsetzer, dann Leiter der Setzerei

Der junge Haderslebener nahm Hansens Aufforderung an. Er wurde Anfang der 1960er Jahre beim „Nordschleswiger“ vorstellig. „Ich kam in die Lehre als Schriftsetzer, das heißt auch Typograf. Danach habe ich meinen Militärdienst abgeleistet“, erinnert sich Bock. Nach der Rekrutenzeit machte er einen Abstecher nach Woyens (Vojens), wo er in einer Buchdruckerei arbeitete.

Er kehrte nach kurzer Zeit zurück in das Pressehaus in Apenrade (Aabenraa). Als er sich im Alter von 60 Jahren in den Vorruhestand zurückzog, blickte er auf über 40 Jahre im Dienst der Zeitung zurück. Nach Faktor Hartmut Wilhelms Ausscheiden im Februar 1990 übernahm Bruno Bock die Leitung der Setzerei. Auf diesem Posten blieb er bis zu seiner Verabschiedung im Dezember 2005. Marc Janku trat die Nachfolge an und ist seitdem technischer Leiter.

Bruno Bock ist sehr sportlich. In jungen Jahren ruderte er im deutschen Ruderverein in Hadersleben (DRH). Später wechselte er zum Ruderverein in Apenrade (ARV). Bock hat auch jahrelang Leichtathletik gemacht. „Inzwischen radle ich viel", sagt der 75-Jährige. Foto: Karin Riggelsen

Ende der „Bleizeit“

„Ich war erst Handsetzer und nachher wurde ich auch Maschinensetzer“, erklärt Bock.  Die schrittweise Einführung von elektronischer Datenverarbeitung und Fotosatz leitete der „Nordschleswiger“ in Herbst 1982 ein. Das Ende der „Bleizeit“ erfolgte im Februar 1983. Vom Juli 1993 bis zum Mai 1994 wurde ein elektronisches Satz- und Redaktionssystem etabliert. So machte Bock die komplette technische Revolution mit vom Bleisatz bis zum Ganzseitenumbruch.

Er habe sehr gerne im Fotosatz gearbeitet: „Die Jahre davor saßen wir an den Setzmaschinen und haben alles in Blei gedruckt. Das war harte Arbeit und es war etwas stressig.“

Sobald Artikelmanuskripte und Anzeigen vorlagen, wurden die Texte in Blei gesetzt und es wurde ein Abdruck gemacht für die Korrektur. Wenn beim Korrekturlesen Fehler auftauchten, mussten diese im Blei geändert werden, bevor eine Matrize in die Druckerei nach Flensburg gefahren werden konnte. „Dort wurde eine Druckplatte daraus gemacht für die Rotationsdruckmaschine“ blickt Bock zurück.

Zwei Mitarbeiter der Setzerei in Zeiten des Bleisatzes. (Archivfoto) Foto: Der Nordschleswiger

Spiegelverkehrt ins Schiff

„Anfangs habe ich die Überschriften in Blei gesetzt. Die Kollegen an den Maschinen haben den Schriftsatz gemacht. Die Überschriften wurden auch in den letzten Jahren mit Bleisatz an den Maschinen gemacht. Nur die ganz großen Überschriften haben wir noch mit der Hand gemacht“, erinnert sich Bruno Bock, der im Laufe der Jahre auch an die Setzmaschine wechselte.

Der Bleisatz wurde eingeschmolzen und neu gegossen. Mit diesem Arbeitsgang hatten die Setzer nichts zu tun. Dafür war unter anderem Andreas Petersen, der über 40 Jahre als Hausmeister beim „Nordschleswiger“ arbeitete, zuständig.

Während der Schriftsatz an den Maschinen, die quasi wie Schreibmaschinen funktionierten, geschrieben wurde, wurden die Überschriften von den Handsetzern gestaltet. Die Elemente wurden in einem großen Rahmen, der als Schiff bezeichnet wurde, zusammengepresst. „Die Überschriften kamen spiegelverkehrt auf dem Kopf in das Schiff rein. Wenn das ganze Schiff voll war, wurde die Matrize reingepresst. Erst danach konnte die Matrize nach Flensburg gefahren werden. Das waren viele Arbeitsgänge“, sagt Bock.

„Heute ändert man die Texte problemlos am Schirm. Im Blei haben wir sehr korrekt gearbeitet. Bei einem Fehler mussten wir die ganzen Zeilen bis zum nächsten Absatz neu setzen“, beschreibt Bruno Bock seinen Arbeitsalltag in den Jahren vor 1983.

Chefredakteure und Faktoren blieben lange auf ihren Posten

Bruno Bock erinnert sich daran, dass zu Beginn seiner Zeit bei der Zeitung etwa 14 Mitarbeiter in der Setzerei beschäftigt waren. Schriftsetzermeister Christian Landtreter war 1953 Faktor der „Nordschleswiger“-Setzerei geworden. „Landreter baute die Setzerei nach dem Krieg mit auf“, unterstreicht Bruno Bock, der viele Jahre unter Landreters Leitung arbeitete.

In Bocks Amtszeit habe es auch lediglich zwei Chefredakteure gegeben: Bei Anbeginn seiner Lehre war Jes Schmidt Chefredakteur. Als Schmidt im August 1979 verstarb, übernahm Siegfried Matlok die Chefredaktion. „Die Chefredakteure und die Faktoren haben lange ausgehalten“, sagt Bruno Bock und lacht. Nach Landreter war Hartmut Wilhelm Faktor, dann übernahm er das Amt im Februar 1990.

Neues Pressehaus in den 1960er Jahren

Kurz nachdem Bruno Bock seine Lehre angetreten hatte, begannen im September 1963 die Bauarbeiten für ein neues Pressehaus an der Schiffbrücke 4-6.

„Wenn wir zu den Journalisten wollten, mussten wir aus der Setzerei rausgehen und über eine Treppe in ein anderes Gebäude gehen“, schmunzelt Bruno Bock. Der Presseverein unter dem Vorsitz von Wilhelm Johannsen, Chefredakteur Jes Schmidt und Verlagsleiter Heinrich Hänel luden im November 1966 zur Einweihung des neuen Domizils ein.

In früheren Jahren habe „Der Nordschleswiger“ auch Bücher und Hefte gesetzt: „Wenn die Journalisten nicht gerade Texte lieferten, machten wir uns an die Bücher.“

Handhygiene unverzichtbar

„Wir haben damals immer Blei in der Hand gehabt. Deswegen sei eine gute Handhygiene unverzichtbar gewesen“, erinnert sich Bruno Bock. Seitens des Arbeitgebers sei immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sehr wichtig sei, sich vor dem Essen gründlich die Hände zu waschen.  

Die Chefredakteure und die Faktoren haben lange ausgehalten.

Bruno Bock, Faktor im Ruhestand

„Neuigkeiten schwirren herum"

„Das gefällt mir nicht so richtig, dass die tägliche Papierzeitung eingestellt wurde“, sagt Bruno Bock. Der 75-jährige Schriftsetzer im Ruhestand vermisst „seine“ Papierzeitung: „Das im Netz sind Neuigkeiten. Man hat nicht das Gefühl beim ,Nordschleswiger‘ zu sein“, meint Bock.

Früher habe er es sich angewöhnt, beim Frühstück im Eigenheim in Gjenner/Genner, zunächst die Zeitung zu überfliegen, und dann die Artikel zu lesen, die ihn interessierten. „Im Netz schwirren die Artikel herum. Ich kann mich nicht richtig für die Web-Zeitung begeistern. Ich möchte beim Lesen gerne Papier in der Hand halten und nicht auf einen Schirm gucken. Ich lese auch nur Printbücher. Aber das auch eine Sache der Gewöhnung“, räumt Bruno Bock ein.

Ein guter Arbeitsplatz

Nach über 40 Jahren bei der Zeitung gibt der Faktor im Ruhestand nicht einfach auf beim Lesen im Netz. Er klickt täglich auf die Web-Zeitung, um sich über das Geschehen in der deutschen Minderheit und im In- und Ausland auf dem Laufenden zu halten. Er hält damit auch die Verbindung zu den ehemaligen Kollegen, die noch immer beim Medium der Minderheit arbeiten, aufrecht. „Der Nordschleswiger war ein guter Arbeitsplatz. Sonst wäre ich nicht über 40 Jahre geblieben“, stellt Bruno Beck fest.

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