Nachruf

„Schietbüdel“– ein Freund Nordschleswigs

„Schietbüdel“– ein Freund Nordschleswigs

„Schietbüdel“– ein Freund Nordschleswigs

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Wolfgang Börnsen (1942-2024) Foto: Bundestag/Thorsten Köhler

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Der langjährige CDU-Politiker Wolfgang Börnsen-Bönstrup verdient einen dankbaren Nachruf aus der deutschen Minderheit für seine Unterstützung und gute Zusammenarbeit. Ex-Chefredakteur Siegfried Matlok würdigt Börnsen als einen „positiven Querdenker“ weit über seine Heimat Angeln hinaus.

„Mit Wolfgang Börnsen verliert Schleswig-Holstein ein Original, einen Mann, der Politik und Kultur geprägt hat“, schrieb vor wenigen Tagen der „NDR“ in seiner Nachricht zum Tode des früheren Bundestagsabgeordneten Wolfgang Börnsen-Bönstrup im Alter von 83 Jahren. 

Auch die deutsche Minderheit in Nordschleswig teilt die Trauer um den Bauernsohn-Maurer-Pädagogen und Politiker, der 26 Jahre dem Deutschen Bundestag angehörte und dabei als Förderer der deutschen Minderheit uns wichtige Schützenhilfe leistete in Zeiten arger Finanznöte – auch für den „Nordschleswiger“.

Wolfgang Börnsen machte zuerst als CDU-Mitglied im Kreistag von Schleswig-Flensburg auf sich aufmerksam, von 1974 bis 1987 auch grenzüberschreitend, als er sehr früh für die Bildung einer deutsch-dänischen Grenzlandregion eintrat, zu früh für den damaligen Amtsbürgermeister Erik Jessen und auch für dessen Nachfolger Kresten Philipsen.

Fast sensationell gewann Börnsen den Wahlkreis 1 Schleswig-Flensburg 1987 direkt gegen den bisherigen Amtsinhaber, den bundesweit bekannten Bundesminister Egon Bahr von der SPD, und blieb bis zu seinem freiwilligen Ausscheiden 2013 Mitglied des Bundestages. Gerade in diesen Jahren setzte er sich für Belange der deutschen Minderheit ein, auch als aktives Mitglied im Kontaktgremium des schleswig-holsteinischen Landtages für die deutsche Minderheit. 

Einsatz für die Minderheit und den „Nordschleswiger“

Der damalige BDN-Generalsekretär Peter Iver Johannsen musste oft Börnsen um Rat und Tat bitten wegen der zeitweise sehr prekären Haushaltslage. Sein Einsatz – auch für die Erhaltung der Tageszeitung „Der Nordschleswiger“ – bleibt unvergessen, ebenso wie seine Unterstützung über viele Jahre für mich als Leiter des deutschen Sekretariats Kopenhagen.  

2013 würdigte der Bundestag Wolfgang Börnsen als „Querdenker aus dem Norden“. Seit den Corona-Zeiten wissen wir, dass Querdenker als negativer Begriff gewertet wird, doch Börnsen war in jeder Hinsicht ein positiver Querdenker – auch in der Fraktion der CDU/CSU.  

Eine lustige (Porno-)Geschichte hat Börnsen selbst gern mit einem Lächeln erzählt: Als junger Abgeordneter hatte er forsch den Vorschlag gemacht, der weltberühmten Flensburger Erotik-Königin Beate Uhse wegen ihrer wirtschaftlichen Verdienste das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Dieser Vorschlag machte bundesweit Schlagzeilen, verärgerte jedoch nicht zuletzt katholische Kreise in seiner eigenen Partei. 

Bundeskanzler Kohl lud als CDU-Vorsitzender den politischen Debütanten zu einem kurzen Gespräch ins Kanzleramt, wo Kohl ihm die Leviten las. Der Kanzler baute ihm jedoch eine Brücke, falls Börnsen in einer Pressemitteilung seinen Vorschlag entschuldigend als „Missverständnis“ zurückziehen würde. Börnsen blieb jedoch bei seiner Haltung, die er u. a. damit begründete, dass die Flensburger Unternehmerin auch mit Mut und Zivilcourage dem Anliegen der Frauen gedient habe.

Nach diesem – so Börnsen – „heftigen Gegenwind“ wurde er lange Zeit vom Kanzler auf Eis gelegt, aber – wie seine langjährige Büroleiterin, die heutige CDU-Landtagsabgeordnete Uta Wenzel schrieb – „mit einem klaren Kompass, Wertefundament und Rückgrat“ erwarb er sich auch in den anderen Fraktionen des Bundestages hohe persönliche Wertschätzung. Und Respekt, z. B. durch seine Ablehnung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan.  

Seine Verdienste – auch international – sind unzählig, in erster Linie aber war Wolfgang Börnsen ein Heimatpolitiker. Keine Unterschätzung, sondern Ausdruck einer breiten Wertschätzung durch die Bürgerinnen und Bürger, die ihn stets wiedergewählt haben, weil er sich auch um die Anliegen einzelner Menschen gekümmert hat. Bodenständig war er auch sprachlich: kulturell als Vorkämpfer/ Botschafter für die niederdeutsche/plattdeutsche Sprache.

Mit seinem Interesse für die Heimatgeschichte Angelns war er in seinem Leben für das Plattdeutsche auf vielen Ebenen aktiv: Als Autor geschichtlicher Romane, als Schauspieler, als Theaterregisseur der Nordangler Speeldeel, ja vorübergehend betrieb er sogar selbst ein kleines Dorfmuseum in Bönstrup, jenem Ort in Angeln, dem er stets mit seiner Familie treu blieb.

Börnsen hielt 1994 im Bundestag eine historische Rede – ganz in plattdeutscher Sprache mit dem Kernsatz:  

„Denn Moderspraak is: to Huus sien, een Barg von Seekerheit hebben, een Stück Heimat beholen.“

Als Autor schrieb er u. a. fantasievoll die „Angeln-Saga“. Die vier erschienen historischen Romane behandelten den abenteuerlichen Auszug dieses kleinen Volkes aus ihrer Heimat, dem „Angelnland“ im nördlichen Schleswig-Holstein sowie ihre friedliche Landnahme in Britannien am Ende des 4. Jahrhunderts im späteren England.

Aus seiner Angeln-Saga gab er in der Deutschen Zentralbücherei in Apenrade im August 2022 eine Vorlesung, wo die Zuhörer köstlich voll auf ihre Kosten kamen. Und Büchereidirektorin Claudia Knauer bietet ihm zu Ehren in diesen Tagen eine kleine „Sonderausstellung“ mit empfehlenswerten Börnsen-Büchern.

Dazu gehört sicherlich auch sein letztes Buch, das er im Dezember vergangenen Jahres in Flensburg in bester, launiger Form vor Freunden und Bekannten präsentierte. Es waren seine interessanten, humorvollen, aber auch historischen Erlebnisse in 25 Jahren als MdB in Bonn und Berlin, zum Beispiel 1991, als ihn der SPD-Vorsitzende Willy Brandt nach seinem Börnsens Plädoyer für Berlin als Hauptstadt sogar im Bundestag umarmte.

Das Buch hat den Titel „Der unbequeme Demokrat“ und enthält viele Anregungen, wie Abgeordnete heute den veränderten Herausforderungen parlamentarischer Arbeit begegnen und – wie er – als „Volksvertreter“ ihren Bürgerinnen und Bürgern dienen sollen.

Auf dem Titelumschlag grüßt Wolfgang Börnsen muttersprachlich auf Plattdeutsch mit den Worten:

„Moin, ihr Schietbüdel“

Auf nordschleswigsch dazu an Wolfgang:

„Danke und Moin, Moin.“

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