Identität

Welche Anforderungen Institutionen der Minderheit in Nord- und Südschleswig an neue Mitglieder stellen

Welche Anforderungen Institutionen der Minderheit an neue Mitglieder stellen

Welche Anforderungen die Minderheiten an Mitglieder stellen

Apenrade/Flensburg
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Garderobe in einem Kindergarten
In Nord- und Südschleswig wird anders mit der Aufnahme von Familien mit Kindern in die Institutionen umgegangen. Foto: Signe Goldmann/Ritzau Scanpix

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Kann sich jede oder jeder der Minderheit anschließen? In Nordschleswig und Südschleswig gibt es unterschiedliche Herangehensweisen für die Aufnahme neuer Mitglieder. Am Beispiel der Schulvereine wird deutlich: Während südlich der Grenze bestimmte Erwartungen an eine Mitgliedschaft gerichtet sind, werden bei der deutschen Minderheit eher Wünsche geäußert.

Artikelserie zur Identität der Minderheit

Die Delegiertenversammlung ist das höchste Organ des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) und entscheidet die wichtigsten Fragen, mit denen sich der BDN befasst. Diese Fragen stellen sich immer wieder neu, denn die Minderheit von heute ist nicht die von gestern, die von morgen wird wiederum anders aussehen. Als Auftakt zur Delegiertenversammlung, die in diesem Jahr am 1. Juni stattfindet, befasst sich „Der Nordschleswiger“ in einer Reihe von Artikeln mit dem Thema Identität. Wir stellen unter anderem die Frage, was es heißt, Minderheit zu sein.

Alle veröffentlichten Artikel aus der Serie:

Minderheit: Stetige Gratwanderung zwischen Integration und Assimilation

Ehemalige Zugezogene erzählen: Die Minderheit verändert sich

Dänische Mehrheit und deutsche Minderheit: Das gute Verhältnis soll auf den Prüfstand

Deutsche Minderheit: Zugezogene im Fokus der Wissenschaft

Welche Anforderungen Institutionen der Minderheit in Nord- und Südschleswig an neue Mitglieder stellen

Zugezogene als Bereicherung und Herausforderung für die Minderheit

Die Institutionen der Minderheiten in Nordschleswig und Südschleswig freuen sich über regen Zulauf und das Interesse von Zugezogenen und Teilen der Mehrheitsbevölkerung. Damit verbunden stellt sich für beide, die deutsche und die dänische Minderheit, die Frage nach der Identität. Wer ist Minderheit? Und wie geht man mit neuen Mitgliedern um? Die Gemeinschaften haben dabei bislang grundlegend unterschiedliche Herangehensweisen, wie sich am Beispiel der Schulvereine zeigt. 

Möchten Eltern ihre Kinder in Südschleswig in eine dänische Bildungseinrichtung schicken, so muss mindestens ein Elternteil ein klares Bekenntnis zur dänischen Minderheit ablegen und dem dänischen Schulverein (Dansk Skoleforening for Sydslesvig) beitreten. So steht es auf der Webseite. Ebenfalls wird erwartet, dass sich neue Mitglieder „bemühen werden, Dänisch zu verstehen und zu sprechen“.

Klares Bekenntnis

„Minderheit ist, wer will“, sagt Daniel Dürkop, Pressesprecher der Dansk Skoleforening. „Wir weisen niemanden ab, allerdings muss man sich mit dem Beitritt zur Minderheit bekennen.“ Interessenten müssten sich aber bewusst sein, dass es sich bei den Institutionen nicht um Sprachenschulen, sondern um das Schulsystem der dänischen Minderheit handelt.

„Auch wer noch nicht Dänisch spricht, definiert sich mit dem Beitritt als Teil der Minderheit. Die Anmeldung in den Schulverein reicht als Bekenntnis“, so Dürkop. Auch dänische Familien, die nach Südschleswig ziehen, müssten sich zur Minderheit bekennen.

Auch wer nicht Dänisch spricht, definiert sich mit dem Beitritt als Teil der Minderheit. Die Anmeldung in den Schulverein reicht als Bekenntnis.

Daniel Dürkop, Pressesprecher der Dansk Skoleforening

Eltern werden nicht sanktioniert, wenn sie kein Dänisch lernen. „Wir schmeißen niemanden raus. Das Wohl des Kindes steht für uns im Mittelpunkt“, sagt Dürkop. Es sei aber wichtig, den Eltern klarzumachen, dass es Konsequenzen für sie hat, wenn sie Dänisch nicht lernen. „Die Kinder wachsen dann in einer anderen Kultur auf, die die Eltern nicht verstehen. Sie können nicht einmal mehr bei den Hausaufgaben helfen. Davor kann ich nur warnen.“

Die Sprachenpolitik sei festgeschrieben. So helfe man zu Beginn auch noch mit Deutsch aus, „aber das wird immer weniger“. Am Ende seien Elterngespräche und -abende auf Dänisch. „Das ist kein gehobener Zeigefinger, aber wir haben gewisse Erwartungen.“

Die Kinder wachsen dann in einer anderen Kultur auf, die die Eltern nicht verstehen. Sie können nicht einmal mehr bei den Hausaufgaben helfen. Davor kann ich nur warnen.

Daniel Dürkop, Pressesprecher der Dansk Skoleforening

Deutsche Minderheit setzt auf Freiwilligkeit

In der deutschen Minderheit hingegen wird nicht mit Forderungen, sondern mit Wünschen gearbeitet. Das sagt Anke Tästensen vom Deutschen Schul- und Sprachverein für Nordschleswig (DSSV). „Wir fordern keine Mitgliedschaft im Bund Deutscher Nordschleswiger oder anderen angeschlossenen Institutionen, wünschen uns aber, dass dänischsprachige Eltern sich im Laufe der Zeit Deutschkenntnisse aneignen.“ Nach Ansicht der Schulrätin komme man mit Freiwilligkeit weiter. 

Mit einem Beitritt in den DSSV oder auch den Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) erkennt man allerdings die entsprechenden Satzungen an. BDN-Kommunikationsschef Harro Hallmann betont hier vor allem den ersten Paragrafen. Dort heißt es: „Ziel und Zweck des Bundes ist [...] die Förderung der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig und die Mitwirkung an einer einträchtigen Entwicklung des deutsch-dänischen Grenzlandes.“ Hinzu komme die Loyalitätserklärung von 1945 als Grundlage der Arbeit des BDN. „Das heißt vor allem Anerkennung der Grenze von 1920“, so Hallmann. 

Wir fordern keine Mitgliedschaft im Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) oder anderen angeschlossenen Institutionen, wünschen uns aber, dass dänischsprachige Eltern sich im Laufe der Zeit Deutschkenntnisse aneignen.

Anke Tästensen, Schulrätin des DSSV

Verbreitung und Pflege der dänischen Sprache

Auch beim Sydslesvigsk Forening (SSF), dem kulturellen Dachverband der dänischen Minderheit, wird das klar formulierte und kommunizierte Ziel betont, die „Verbreitung und Pflege der dänischen Sprache, den Schutz und die Förderung der dänischen und nordischen Kultur zu schützen sowie populäre dänische Aktivitäten in Südschleswig zu betreiben“, sagt Pressesprecher Rasmus Meyer auf Nachfrage. 

Daher sollte es für alle Mitglieder klar sein, dass die Sprache von SSF Dänisch ist. „Natürlich sind die Sprachkenntnisse unterschiedlich. Aber wir müssen davon ausgehen, dass jeder, der SSF beitritt, zumindest eine dänische Mentalität hat und ein Interesse an der Pflege der dänischen Sprache“, so Meyer und fragt: „Warum sonst sollte man SSF-Mitglied werden?“

„Wir sind eine offene Minderheit!“

„Wir gehen natürlich davon aus, dass unsere Mitglieder sich in diesem Zweck wiedererkennen und auf dieser Basis auch die anderen dänischen Vereine und Institutionen in Südschleswig nutzen – sie dienen der gleichen Sache“, sagt Meyer. „Wir sind jedoch eine offene Minderheit, die neue Mitglieder willkommen heißt – ganz gleich, woher sie kommen und welchen sprachlichen Hintergrund sie haben. Wir verschließen uns nicht vor der Sprache und Kultur der Mehrheitsbevölkerung, die jeden von uns in vielerlei Hinsicht im Alltag berührt.“ 

Der Grundsatz „Däne ist, wer will“, setze den Willen voraus, sich zum Dänischen zu bekennen. Gleichzeitig müsse sich die Gemeinschaft aber auch immer fragen, ob sie ihre Energie für Kontrolle und Ausgrenzung einsetzen will. Manchmal sei das der letzte Ausweg. „Aber in den allermeisten Fällen ist gezielte Informationsarbeit viel besser geeignet, um sicherzustellen, dass niemand im Zweifel darüber ist, worum es in unserer Gemeinschaft geht. Und wenn man das verstanden hat, sollte das mit der Sprache selbsterklärend sein.“

Wir sind jedoch eine offene Minderheit, die neue Mitglieder willkommen heißt – ganz gleich, woher sie kommen und welchen sprachlichen Hintergrund sie haben. Wir verschließen uns nicht vor der Sprache und Kultur der Mehrheitsbevölkerung, die jeden von uns in vielerlei Hinsicht im Alltag berührt.

Rasmus Meyer, Pressesprecher der Sydslesvigsk Forening

Kapazitäten in Nordschleswig überschritten

Bei der Aufnahme an einer Schule oder in einem Kindergarten gibt es in Nord- und Südschleswig unterschiedliche Voraussetzungen. Als „markant“ und „aufsehenerregend“ bezeichnete der Vorsitzende des Schulausschusses, Thilo Schlechter, Ende April auf der Vertretertagung des Deutschen Schul- und Sprachvereins die Zahl der Schülerinnen und Schüler im Jahr 2022. Sie liegt bei 1.569. Im Vorjahr waren es 1.359. Schlechter zufolge ist in einigen Schulen die genannte Kapazitätsgrenze nicht nur erreicht, sondern überschritten.

Der Andrang auf die deutschen Institutionen und die begrenzten Plätze hat zur Folge, dass eine Auswahl der Schülerinnen und Schülern erfolgt. Kriterien dafür sind in einem Papier festgehalten, das immer häufiger zum Einsatz kommt.

Bestimmte Auswahlkriterien 

Auswahlkriterien für die Aufnahme an einer Institution des DSSV ist etwa die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig. Auch Kinder von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim DSSV oder anderen Verbänden der Minderheit werden gesondert berücksichtigt. Dennoch hat jede Schule eigenverantwortlich zu entscheiden, wer aufgenommen wird.

Außerdem sollten Kinder, die die deutschen Institutionen besuchen wollen, entweder deutsche oder dänische Sprachkenntnisse haben, „da die Vermittlung der Zweisprachigkeit auf der Grundlage einer dritten Sprache die Möglichkeiten der Institutionen übersteigt“, heißt es in dem Papier. 

Abgehende der DSSV-Schulen bevorzugt

Auch für die Aufnahme am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) werden entsprechende Kriterien angewendet. Es gelten in der Regel dieselben Aufnahmebedingungen, die auch für jedes andere dänische Gymnasium gelten. Ebenfalls können im Einzelfall Ausnahmen für Schülerinnen und Schüler gemacht werden, die erst seit kurzer Zeit in Dänemark leben und die sprachlichen Anforderungen daher nicht erfüllen. 

Priorisiert werden bei begrenzter Kapazität Abgängerinnen und Abgänger der DSSV-Schulen, der Deutschen Nachschule Tingleff, Geschwisterkinder und Kinder von ehemaligen DGN-Schülerinnen und -Schülern sowie Abgängerinnen und Abgänger der Öömrang Skuul auf Amrum. Darüber hinaus spielen Bindungen nach Dänemark, Kenntnisse der dänischen Sprache, das Notenbild, ein Minderheitenhintergrund und der Wohnort eine Rolle bei der Auswahl. 

Keine Priorisierung im dänischen Schulverein

Auswahlkriterien wie in der deutschen Minderheit gibt es in der dänischen Minderheit nicht. Wer in eine der dänischen Einrichtungen will, der muss sich lediglich auf eine Warteliste setzen lassen. „Mit dem Beitritt in den Schulverein ist man der Definition nach Minderheit.“ Die Wartelisten werden je nach Anmeldezeitpunkt abgearbeitet, dabei habe jede Einrichtung eigene Listen. Priorisiert werde niemand, so Dürkop. 

Auch Kinder, die weder Deutsch noch Dänisch sprechen können, sind in der dänischen Minderheit willkommen. „Wir haben extra eine Sprachenklasse an der Gustav-Johannsen-Skole in Flensburg eingerichtet.“ Vor einer Aufnahme gebe es Vorgespräche, um die Bedarfe zu ermitteln.

Mit dem Beitritt in den Schulverein ist man der Definition nach Minderheit.

Daniel Dürkop, Pressesprecher der Dansk Skoleforening

Kommt die Basismitgliedschaft?

Das Vorgehen in der deutschen Minderheit könnte sich zukünftig ändern. Die AG „Minderheit mit Zukunft“ stellt die jetzigen Strukturen des Bundes Deutscher Nordschleswiger  infrage und bietet Alternativvorschläge an. In den Diskussionen des Hauptvorstandes kristallisierten sich in den vergangenen Monaten zwei Vorschläge als die populärsten heraus: Die BDN-Ortsvereine werden in ihrer jetzigen Form abgeschafft, und es wird eine Basismitgliedschaft eingeführt, die für alle verpflichtend ist, die die Angebote der Minderheiten-Institutionen nutzen oder nutzen wollen. Auch der Besuch einer der Schulen der deutschen Minderheit würde eine solche Basismitgliedschaft voraussetzen.

Die Kern-Idee der Basismitgliedschaft ist jedoch nicht, dass die Minderheit eine Mitgliederzahl bekommt. „Es geht dabei auch um Demokratie“, sagte Uffe Iwersen, ebenfalls Mitglied der AG, im Februar zum „Nordschleswiger“. Denn diese Basis soll Stimmrechte bekommen.

Offen sind etwa Fragen, ob das Vorhaben mit der Bonn-Kopenhagener Erklärung vereinbar ist, die besagt, dass alle Minderheit sein dürfen, die wollen und das an keine Kriterien gekoppelt sein darf. Und gilt die verpflichtende Mitgliedschaft auch für Familien, die ein Kind im Kindergarten haben, der dem kommunalen Verteilungsschlüssel unterliegt? Punkte, die im Detail ausdiskutiert werden müssen, aber die beiden Systeme nördlich und südlich der Grenze ein klein wenig näher zusammenrücken lassen. 

 

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