Die Woche am Alsensund

Texas goes Mjels Mark

Texas goes Mjels Mark

Texas goes Mjels Mark

Sonderburg/Sønderborg
Zuletzt aktualisiert um:
Eine neue Woche am Alsensund mit Kolumnistin Sara Eskildsen Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Auf faszinierende Weise verändern sich im Laufe des Lebens die Prioritäten – und die Artikel im Warenkorb, wie Kolumnistin Sara Eskildsen in ihrer Woche am Alsensund feststellt.

In dieser Woche am Alsensund wurde ich offiziell erwachsen. Seit Wochen beschäftige ich mich mit der Frage, ob ich zur Unkrautvernichtung im Bereich der Kiesauffahrt auf Hausmittel, Muskelkraft, Giftspritze oder Bunsenbrenner setze, um den völlig außer Kontrolle geratenen Acker-Schachtelhalm in den Griff zu kriegen, der mein Grundstück invadiert.

Mit dem Online-Kauf eines Gasbrenners der Marke Texas – dem Porsche unter den Gastrolleys – fiel die Entscheidung. Ich klickte auf den Bestellbutton und war überrascht, wie sehr man sich über ein Gerät zum Unkrautverbrennen freuen kann.

Seitdem verfolge ich gespannt die „Track & Trace“-E-Mails des Herstellers. Texas nähert sich Mjels Mark mit beachtlicher Geschwindigkeit.

Ich will keine Schlagzeilen verursachen

Doch Vorsicht ist geboten. Ich schreibe als Lokaljournalistin jeden Sommer Polizeimeldungen über unvorsichtige Hausbesitzer – oder Hausbesitzerinnen –, die mit Gasbrennern diverse Carports, Hecken und Häuser abfackeln. Ich hoffe nun inständig, dass ich nicht eines Tages selbst für Schlagzeilen sorge.

An einem Tag ist man jung und erwartet ein Leben voller Abenteuer, und plötzlich macht man sich Gedanken über die Terrassenbeleuchtung und probiert aus, wie Schachtelhalm auf einen Zitronensäurenaufguss reagiert.

Sara Eskildsen, Kolumnistin

„Deutsche brennt ihr Haus ab“ – auf Überschriften dieser Art möchte ich möglichst verzichten. Wobei ich einen solchen Artikel mit Zitaten und Live-Berichten leicht schmücken könnte.

Mit Zitaten wie „Ich wollte doch nur den Schachtelhalm in den Griff kriegen“ oder „Ich hätte nicht gedacht, dass der Schuppen derart schnell brennt“ könnte ich den Bericht um eigene Kommentare ergänzen und möglicherweise sogar den Einsatz der Feuerwehr für ein Social-Media-Filmchen im Hochkantformat verwursten.

In einem Infoartikel „Darauf solltest du beim Unkrautabbrennen achten“ könnte ich mein neues Fachwissen an die Leserschaft weitergeben.

Sockelleisten statt Strandkleidchen

Man lernt schließlich nie aus im Leben, und auf faszinierende Weise verschieben sich immer wieder die Prioritäten. Die Wunschlisten ändern sich, die Warenkörbe haben völlig neue Inhalte. Statt luftiger Strandkleidchen landen plötzlich solide Sockelleisten im Online-Wägelchen, und ehe man sich versieht, bestellt man neue Filter für die Dunstabzugshaube.

An einem Tag ist man jung und erwartet ein Leben voller Abenteuer, und plötzlich macht man sich Gedanken über die Terrassenbeleuchtung und probiert aus, wie Schachtelhalm auf einen Zitronensäurenaufguss reagiert. Gar nicht, kann ich an dieser Stelle verraten.

Statt hoher Schuhe kaufe ich mir heute lieber hohe Leitern, um die Dachrinnen korrekt reinigen zu können. Oder Hakenleisten für den neuen Schuppen. Die „Field-Pro“-Gummistiefel von Dunlop schlagen die High Heels von Schuh Kay in Flensburg bei Weitem. Prioritäten verschieben sich. Man wird dann eben doch irgendwann erwachsen, zumindest was das Konsumverhalten angeht.

Wer will und kann, sollte es tun

Dass man sich mit zunehmendem Alter immer wieder neu erfinden kann, führte mir in dieser Woche am Alsensund eine 74-jährige Interviewpartnerin vor Augen, die zusammen mit einer deutschen Geschäftsfrau mitten in der Sonderburger Innenstadt ihr Geschäft in noch größeren Räumlichkeiten neu eröffnet – und es um ein Café ergänzt.

„Ich backe eben gerne und freue mich über den Kontakt mit den Kunden, warum also nicht“, war die lachende Antwort von Silvia, als ich mit ihr über das Vorhaben sprach. Die Frau wird in der kommenden Woche 75 – und gründet mal eben ein neues Café-Geschäft in der Fußgängerzone.

Was für ein großartiges Beispiel dafür, dass man immer wieder neu durchstarten kann. Dass man für neue Ideen, Geschäftskonzepte oder Lebenswege nie zu alt ist, solange man lebt und es die Gesundheit zulässt.

Es ist so simpel: Wer will und kann, sollte es tun.

Ich fürchte, ich weiß, was das bedeutet …

Die Reifeprüfung meines Erwachsenseins steht indes noch aus: der Aufbau des Gastrolleys. Zu meiner Bestürzung war der Bestellung zu entnehmen, dass mein Rollporsche „nicht zusammengesetzt“ geliefert wird. Ich fürchte, ich weiß, was das bedeutet: Einzelteile, wohin das verwirrte Auge blickt.

Da ich vor geraumer Zeit bereits am Aufbau einer simplen Schubkarre armselig gescheitert bin und das Rad am völlig falschen Ende der Griff- und Schubleisten angeschraubt hatte, werde ich die Installation getrost meinem Mann überlassen.

Man muss schließlich nicht alles können im Leben. Solange nur Schachtelhalm außer Kontrolle gerät und nicht das eigene Leben, solange man weiß, was man wirklich will und was man sich im Grunde wünscht, ist alles in Ordnung.

Dabei erfordert die Umsetzung von Wünschen und Ideen mindestens ebenso viel Zeit, Einsatz, Energie und Entschlossenheit wie die Bekämpfung von unerwünschten Kleinfarnkolonien in der Kiesauffahrt.

 

 

 

 

 

 

Mehr lesen