Deutscher Tag 2024

Vorsitzender des Grenzvereins: „Ihr habt lang genug gewartet“

Vorsitzender des Grenzvereins: „Ihr habt lang genug gewartet“

Grenzvereins-Vorsitzender: „Ihr habt lang genug gewartet“

Tingleff/Tinglev
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Mirco Reimer-Elster
Mirco Reimer-Elster beim Deutschen Tag in Tingleff. Foto: Karin Riggelsen

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Mirco Reimer-Elster ist seit einem halben Jahr Vorsitzender von Grænseforeningen. Der Deutsche Tag in Tingleff ist nicht nur für ihn eine Premiere. Nie zuvor sprach ein Vorsitzender des Grenzvereins auf der wohl wichtigsten Festveranstaltung der deutschen Minderheit.

In seiner Begrüßungsrede vergisst BDN-Generalsekretär Uwe Jessen, den diesjährigen Festredner Mirco Reimer-Elster von Grænseforeningen zu erwähnen, holt dies nach dem Grußwort des deutschen Botschafters Pascal Hector aber schnell nach. Das Vergessen könnte einen Grund haben. Nie zuvor sprach ein Vorsitzender des Verbandes zur Unterstützung der dänischen Minderheit beim Deutschen Tag in der Sporthalle Tingleff. 

Als Jessen den 38-Jährigen später ankündigt, sagt er: „Noch vor 20 Jahren hätte wohl kein Vorsitzender des Grenzvereins eine Rede halten dürfen und wohl auch nicht wollen.“ Reimer-Elster sagt zu Beginn, er sei sich der Bedeutung bewusst, hier zu sprechen. „Es ist eine große Ehre, und ich bin auch ein wenig nervös.“

Es sei ein großes Symbol dafür, wie die Zeit sich verändert habe. Auch weil er seine Rede in deutscher Sprache halten könne. Etwas, was den meisten seiner Vorgänger wohl nicht möglich gewesen wäre. 

Sprache ist Kultur

Mirco Reimer-Elster erzählt anekdotisch von seinem Aufwachsen im Grenzland als Kind deutscher Eltern, seiner Schulzeit im dänischen System in Südschleswig und seinem Studium in Dänemark. Heute lebt der 38-Jährige mit seiner Familie in Kopenhagen. Er selbst spreche nach so langer Zeit nicht mehr perfektes Deutsch, sagt er entschuldigend. 

Als er 2007 erstmals in Dänemark gearbeitet habe, habe er nie viel über seine deutsche Identität und Sprache nachgedacht, sagt er. Rückblickend habe es schon in der Schulzeit Situationen gegeben, an die er sich im Nachhinein erinnert. So sei er an der Dybbøl Skole gefragt worden, warum er so „merkwürdiges Dänisch“ spreche. „Sprache ist Kultur. Es geht aber nicht nur darum, dass man die Sprache kann.“

Mirco Reimer-Elster
Mirco Reimer-Elster Foto: Karin Riggelsen

Vom „Helmut Hitler“ zum Brückenbauer

Als Grundschüler sei er in den 1990er-Jahren in einem Ferienlager auf Bornholm von Kindern beim Fußballspiel nicht Mirco genannt worden, sondern „Helmut Hitler“. „Ich habe damals nicht viel darüber nachgedacht“, sagt er. 

Im Studium 2009 in Kopenhagen habe er ein erinnerungswürdiges Gespräch mit einem anderen Studenten gehabt, der ihn fragte, ob er sich schäme, Deutscher zu sein. „Ich wusste gar nicht, warum“, sagt der 38-Jährige. Warum er sollte? „Wegen dem, was dein Volk getan hat“, sagte der Kommilitone. „Ich habe ihm dann gesagt, es sei eine gute Idee, Geschichte zu studieren, denn er habe noch viel zu lernen.“ Seither hätten beide nicht mehr miteinander gesprochen.

Seit einem halben Jahr ist Mirco Reimer-Elster nun beim Grenzverein. Den Nordschleswig-Pin habe er heute am Revers. „Die Aufkleber mit den zweisprachigen Stadtschildern habe ich noch nicht ans Auto geklebt“, sagt der 38-Jährige und dankt dem BDN-Hauptvorsitzenden Hinrich Jürgensen und Generalsekretär Uwe Jessen für den warmen Empfang. 

„Brücken sind euer Standardthema“, so Reimer-Elster. Das Lieblingslied seiner Mutter sei „Über sieben Brücken musst du gehen“. „Das tun wir im Grenzverein auch.“ Über Brücken gehen. So gebe es Treffen zwischen den Minderheiten und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Eine Zeitenwende 

„Auch als 38-Jähriger kann ich sehen, wie viel sich in kurzer Zeit zum Guten geändert hat“, so Reimer-Elster mit Blick auf den kulturellen und sprachlichen Austausch zwischen beiden Ländern. Noch zu seiner Schulzeit habe er niemanden aus der deutschen Minderheit getroffen. Heute gebe es, auch dank des Mitwirkens der deutschen Minderheit, deutliche Verbesserungen – etwa durch Schülerbotschafterinnen und -botschafter. Dies alles sei ein Bild dafür, wie viel sich verändert hat.

„Damals vor 20 Jahren war das alles nicht gang und gäbe.“ Dann zitiert Mirco Reimer-Elster den deutschen Rapper Kool Savas, der im Jahr 2002 sein Debütalbum mit den Worten veröffentlichte. „Ihr habt lang genug gewartet, dass ein Album erscheint.“ Der 38-Jährige wandelt das ab: „Ihr habt lang genug gewartet, dass ein Vorsitzender des Grenzvereins erscheint.“

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