Die Woche am Alsensund

So ein Mist – mach was draus!

So ein Mist – mach was draus!

So ein Mist – mach was draus!

Sonderburg/Sønderborg
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Eine neue Woche am Alsensund mit Kolumnistin Sara Eskildsen Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Woche am Alsensund überlegt Kolumnistin Sara Eskildsen, ob Stadtesel nicht eine nachhaltige Alternative zum Sonderburger Busverkehr wären. Und wie es kommt, dass wir in Herden durchs Leben gehen, Esel hin oder her.

Die Zeit der Geschenke ist vorbei, noch bevor der Heiligabend stattgefunden hat. In der Innenstadt ist die Adventsbeleuchtung auf ein Mindestmaß gedimmt und statt Geschenken halten einige Angestellte in der Stadtverwaltung kurz vor den Festtagen eine Kündigung in der Hand.

Kurz vor dem Weihnachtsfest muss sich auch die Stadtratspolitik am Alsensund weiterhin mit den Einsparungen befassen und der Wunsch nach einem Goldesel ist allerorten groß.

Doch wer an Weihnachtswunder glaubt, geht in die Kirche, nicht ins Rathaus. Dort wundert man sich höchstens darüber, warum immer mehr Kinder und Jugendliche in Pflegeheimen untergebracht werden müssen und wer das alles bezahlen soll.

Oder wie wäre es mit Eseln als Transportmittel in der Sonderburger Innenstadt? Das dürfte angesichts der hohen Energiepreise nicht nur dem Stadtratspolitiker der Einheitsliste als attraktive Lösung erscheinen.

Esel statt Busse – nachhaltige Lastenträger für Sonderburg

Esel sind zäh und nachhaltig, außerdem haben sie als Lastenträger eine weitaus längere Kulturgeschichte als Sydtrafik.

Zudem weiß ich seit dieser Woche am Alsensund: Die Hinterlassenschaften entlang des Esel-Streckennetzes könnten biologisch abbaubar sogar noch dazu beitragen, Energie zu produzieren. Ich verstehe nämlich seit Dienstag, wie aus einem großen Haufen Mist Energie entsteht.

Dick eingepackt und dennoch bitterlich frierend besuchte ich die Biogasanlage in Quars. Ich wollte wissen: Wie funktioniert so eine Biogasanlage eigentlich, und wie wird aus Gülle und Abfällen Gas?

Bis dato dachte ich, dass in den großen runden Behältern Gülle und andere Biomasse irgendwie verdampft. Oder verbrennt. Oder anderweitig verschwindet, während dabei Gas entsteht.

Groß mein Erstaunen, als ich erfuhr, dass die Landwirte ihre Gülle auf den Liter genau zurückerhalten – nur abgearbeitet, und ohne Methan in der braunen Masse.

Wäre mir beim Fotografieren der Anlagen nicht jedes Mal beim nach oben Gucken der Helm vom Kopf gefallen, hätte ich vor lauter Wunder der Technik glatt meinen Hut gezogen.  

Quars, 0 Grad, eiskalter Wind. Der Helm hält. Foto: Rasmus Carlsen

Alleine die Montage der menschengroßen Knethaken, mit denen die Gülle regelmäßig umgerührt wird, hat vermutlich mehr gekostet als mein gesamtes Haus. Der Ausdruck „gequirlte Scheiße“ erhält hier eine ganz neue Bedeutung.

Andächtig stieg ich aus dem Rührtopf für Fleischabfall. Welch Wunder der Technik, von denen ich nichts verstehe.

Zurück zu den Sonderburger Stadteseln. Ob diese nachhaltige Transportform jemals in der Innenstadt Gas geben und die Biogasanlage in Quars beliefern wird, möge der Stadtrat entscheiden.

Weniger nachhaltig, aber bedeutend schneller als auf einem Esel reiste meine Freundin Iris vor Kurzem nach Nordschleswig. Mit dem Flugzeug ab Heathrow nach Billund und von dort mit dem Kleinwagen weiter nach Nordalsen – nach dreijähriger Corona-Pause und einem mittlerweile fast zweijährigen, englischen Christkind stand ein lange geplantes Freundinnen-Wochenende auf dem Programm.

Reality-TV am Flughafen, nur in echt

Die Wartehalle vor dem Ankunftsterminal war wie Reality TV – nur in echt. Menschen standen vor der Schiebetür, rollten Plakate aus – „Willkommen zuhause, Helena“ – und fielen sich in die Arme, sobald man sich erblickt und erreicht hatte.

Freunde und Familie, Arbeitskollegen oder die Tante aus Amerika – jeder hatte seine ganz eigenen persönlichen Verbindungen. Während die Person neben mir in Freudentränen ausbrach und einem Mann entgegenflog, war mir dieser blasse Fremde im Terminal 1 total egal. Noch bevor ich meiner Neugier nachgeben und nachfragen konnte, wer denn diese Helena war, trat Iris durch das Portal. Und diesmal war es mein Gesicht, das aufleuchtete.

Gute Beziehungen erfordern Energie und immer wieder neue Erinnerungen, an die man gerne zurückdenkt.

Sara Eskildsen, Kolumnistin

Wir alle haben unsere Herde. Zusammengesetzt aus Familie, engen Freunden, Bekannten und Kollegen, Nachbarn und Menschen, mit denen wir Interessen teilen. Wir sind Teil von Gemeinschaften. Die meisten davon wählen wir selbst, andere beginnen mit unserer Geburt.

Gemeinsame Erlebnisse formen im Laufe unseres Lebens Freundschaften und Beziehungen. 

Das Aufwachsen mit Geschwistern, gemeinsame Schuljahre und geschwänzte Schulstunden am See. Zusammen reisen, reden und zurechtkommen. Zusammen leben und erleben.

Wir alle haben Lebenszeugen um uns herum. Menschen, die uns kennen – die wir irgendwann kennengelernt, die unseren Lebensweg gekreuzt haben und die wir am Flughafen begrüßen und umarmen würden. Aus Fremden werden Freunde – und aus Freunden Fremde, wenn kein gemeinsames Erleben mehr stattfindet. Wenn man sich dafür entscheidet, Menschen aus dem eigenen Leben zu streichen, weil es ohne sie viel schöner ist.

Gute Beziehungen erfordern Energie und immer wieder neue Erinnerungen, an die man gerne zurückdenkt.

15 mal 24 Stunden gilt es noch zu füllen

Nach ein paar Tagen am Alsensund lieferte ich Iris wieder in Billund ab – mit neuen Erinnerungen im Gepäck – und Geschenken aus der Tombola des Sonderburger Frauenbundes für das Christkind zu Hause in Südwest-London.

Ein schneller Abschied vor dem Terminal im strömenden Regen – und das Freundinnen-Wochenende rutschte aus dem Erleben ins Erinnern.

In diesen letzten Wochen am Alsensund sind nun nahezu alle Tage im Kalender für 2022 zu Erinnerungen geworden. 15 mal 24 Stunden gilt es noch zu füllen. Mit Alltag und Arbeiten, Feiern und Familienzeit. Mit Tannenbaumkauf und Tortenrezept-Raussuchen, Spontanbesuchen, Sparmaßnahmen und der ein oder anderen Eselei.

Meine Erkenntnis der Woche: Auch wenn du vor einem richtig großen Haufen Mist stehst, kannst du Gas geben und was Gutes draus machen.

 

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