Die Woche am Alsensund

Eindeichen ist auch keine Lösung

Eindeichen ist auch keine Lösung

Eindeichen ist auch keine Lösung

Sonderburg/Sønderborg
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Eine neue Woche am Alsensund mit Kolumnistin Sara Eskildsen Foto: Karin Riggelsen

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In dieser Sturmflutwoche am Alsensund fragt sich Kolumnistin Sara Eskildsen, wie man damit umgeht, wenn der sichere Hafen zum Ort des Schreckens wird. Kann man das Leben kontrollieren?

„Thats Life“ – dieser Name an einer Motorjacht wurde in dieser Woche am Alsensund zum Symbol für die Unvorhersehbarkeit von Ereignissen. Die Jacht hatte sich in der Sturmflut des vergangenen Wochenendes im Sonderburger Seglerhafen losgerissen. Wind und Wellen trieben die „Thats Life“ einmal quer über die Sonderburger Bucht, wo es am Ufer der Düppeler Klippen zerschellte.

La Dølce Vita in Sonderburg

„Thats Life“ – noch im Sommer hatte der Name erlesene Lebensfreude und Exklusivität versprüht. Im Sinne von: So fühlt es sich an, das gute Leben. Den Sonnenuntergang mit Blick auf das Schloss von Deck aus betrachten. Die Miesmuscheln mit Rosé herunterspülen. Von der Sonne geküsst. La Dølce Vita in Sonderburg.

Drei Monate später hatte der Name des Schiffes plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Vom Sturm gebeutelt und an Klippen zerschellt. Thats life. Ein Leben, in dem Ereignisse unvorhersehbar, Entwicklungen unberechenbar und Naturkräfte unkontrollierbar sind.

Die gestrandete Jacht „Thats Life“ Foto: Ilse Jacobsen

Ein Leben, in dem die Gegenwart manchmal von der Zukunft überholt wird. Vor drei Wochen habe ich einen Artikel darüber geschrieben, wie sich die Kommune Sonderburg in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gegen Hochwasser und Sturmfluten wappnen will.

Zusammen mit Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern plant Sonderburg einen Schutzplan auszuarbeiten – und umzusetzen. Am Sonderburger Hafen und an anderen vom Hochwasser betroffenen Orten in der Kommune soll das Ufer erhöht oder anderweitig geschützt werden.

Die Maßnahmen sind nach dieser Jahrhundert-Sturmflug aktueller denn je. Und doch wird es noch Jahre dauern, bis Pläne zur Umsetzung vorliegen.

Wenn das rettende Ufer voller Gefahren ist

Die Sturmflut hat den Ernst der Lage verdeutlicht. In einer Kommune mit 251 Kilometern Küste sind Abwarten und Zukunftsszenarien ausmalen keine Option mehr. Es wird mit Sicherheit nicht die letzte Sturmflut gewesen sein, die der Ostsee entspringt. Und wenn man den Prognosen Glauben schenkt, längst nicht die schlimmste. Aber was können wir tun? Die Ratlosigkeit ist groß. Denn wie es ein Experte in dieser Woche treffend ausdrückte: Eindeichen ist auch keine Lösung.

Das rettende Ufer war am Wochenende in vielen Fällen voller Gefahren und der sichere Hafen ein Ort des Schreckens. Ich habe in dieser Woche am Alsensund Mats besucht, der mit seinem Charterbootverleih im Mummarker Hafen buchstäblich untergegangen ist. Er hat 9 von 13 Booten verloren. Auch hier muss man nüchtern feststellen: that’s life.

Ende Juli flanierten Tausende im Mummarker Hafen über die alte Mole, der Charterbootverleih blühte, Kinder sprangen vom Steg ins Wasser, und die Erwachsenen reihten sich in die lange Schlange vor der Essensausgabe in der Marina. Wenige Wochen später sind die Stege zerfetzt, das Restaurantgebäude beschädigt und im Hafenbecken dümpeln Bootsleichen vor sich hin.

Nach der Sturmflut war das Hafenbecken in Mummark voller Boots- und Schiffswracks. Foto: Sara Eskildsen

Die Frage ist, wie man damit umgeht, mit diesem so unberechenbaren Leben. Mit der Unkontrollierbarkeit, der unmittelbaren Nähe von Lebensfreude und Katastrophe. Als Journalistin beobachte und beschreibe ich stets beides. Die Sommerfeste und die Stürme, die Erfolgsgeschichten ebenso wie die Untergänge von Träumen.

Schwerelosigkeit und Hinfallen wechselt sich ab

That’s life. Dass wir die Ruhe nach den Stürmen und den Alltag nach Katastrophen ganz besonders zu schätzen wissen, ist Teil des Ganzen. Das Leben ist und bleibt wie die Hüpfburg, auf der wir im Sommer am Hafen von Mummark gesprungen sind: Es geht hoch und runter, und wenn wir oben sind, sollten wir die Aussicht ganz besonders genießen und schätzen.

In diesem Fall war es das letzte Mal, dass ich die hübsche Mole mit den beiden Leuchttürmchen unversehrt gesehen habe. Nicht nur auf Mummarker Hüpfburgen gilt: Schwerelosigkeit und Hinfallen wechselt sich ab. That’s life.

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