Sankelmark 2024
Gyde Jensen über Bauernproteste, Ampel-Kommunikation und die AfD
Gyde Jensen über Bauernproteste, Ampel-Kommunikation und die AfD
Jensen über Bauernproteste, Ampel-Kommunikation und die AfD
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Deutsche Politik zur Jahreswende ist ein fester Programmpunkt bei der Sankelmark-Tagung. Im vergangenen Jahr berichtete der Grünen-Politiker Bruno Hönel über das Jahr in Berlin. 2024 spricht die FDP-Politikerin Gyde Jensen, die seit 2017 dem Bundestag angehört. Sie betont in ihrer Rede, wie wichtig es ist, dass die demokratische Mitte mehr denn je zusammenhält.
„Es ist gut, dass es neben den Wolfgangs und Christians auch eine Gyde gibt“, bedankt sich BDN-Generalsekretär Uwe Jessen zum Abschluss ihrer Rede bei FDP-Politikerin Gyde Jensen. Die 34-Jährige hatte zuvor über ihren Weg in die Bundespolitik, die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte, die Arbeit der Ampel-Koalition und die Gefahren vom rechten Rand für die Demokratie in Deutschland gesprochen. Abschließend musste sie zahlreiche Fragen aus dem Publikum beantworten.
Dabei ging es um das Vertrauen der Menschen in die Politik und das Hören auf die Wissenschaft beim Treffen politischer Entscheidungen. Gyde Jensen antwortete unter anderem, dass die Verteilung politischer Verantwortung auf mehrere Schultern dafür sorgen könnte, mehr Zeit in die politischen Herausforderungen zu stecken. Die Folge sei, dass politische Prozesse sich beschleunigen und besser werden könnten. Laut Gyde Jensen kenne man von der FDP eigentlich nur die großen Köpfe wie Christian Lindner oder Wolfgang Kubicki. Aus dem Publikum ruft jemand noch den Namen von Agnes Strack-Zimmermann. „Doch dann hört es auf“, sagt Jensen.
In Nordfriesland aufgewachsen
Gyde Jensen wuchs in Wobbenbüll in Nordfriesland auf und bringt sich seit 2010 politisch ein. Sie wollte nach dem Studium verstehen, wie Politik funktioniert und fand schnell ein Zuhause bei den Jungen Liberalen. Heute blickt sie auf 14 Jahre Ehrenamt zurück, in denen sie mehr über Politik gelernt habe als in ihrem Studium, versichert sie. Es sei viel Glück und Zufall gewesen, dass sie heute im Bundestag sitzt, sagt die Mutter von zwei Kindern. So habe es wohl auch geholfen, dass sie eine junge Frau ist und die Partei neues Personal brauchte.
„Ich wollte immer internationale Politik machen, aber das ist in Kiel oder Schleswig-Holstein nicht so einfach.“ In Berlin habe die FDP sich dann 2017 komplett neu aufstellen müssen, da sie im vorherigen Bundestag nicht vertreten war. Das sei spannend gewesen, da sich viele neue Abgeordnete mit Ideen und Erwartungen in die Arbeit stürzten.
Heute wolle die FDP als Teil der Ampel-Koalition mitgestalten. Es werde viel diskutiert, und die Herausforderungen seien groß. Der Kritik aus der Bevölkerung, dass die Ampel nur rede und nichts mache, gebe sie teilweise recht. Es gebe aber auch verschiedene Meinungen, wie es weitergehen soll. „Dabei wird deutlich, dass der Ton in Deutschland rauer wird“, sagt die 34-Jährige. Auch 2024 werden viele Diskussionen, die in der Ampel geführt werden, in die Presse kommen. „Der Streit um Inhalte und der Austausch sind aber wichtig, damit die Menschen auch sehen, welche Unterschiede es zwischen den Parteien gibt.“
Ich wollte immer internationale Politik machen, aber das ist in Kiel oder Schleswig-Holstein nicht so einfach.
Gyde Jensen
Proteste in der Landwirtschaft
Dass kommunikativ nicht alles richtig gelaufen ist, gibt auch Gyde Jensen zu. Als Beispiel führt sie etwa die Streichungen bei den Agrarsubventionen für die Landwirtschaft an. „Das kommt bei den Leuten nicht gut an.“ Das sei auch verständlich, wenn die Betroffenen kurz vor Weihnachten überrumpelt werden, dass ab dem kommenden Jahr Subventionen fallen. „Da müssen andere Lösungen gefunden werden“, so die Tochter eines gelernten Landwirts. Die Kürzungen seien das Thema an den Weihnachtstagen gewesen.
Der zwischenzeitlich erreichte Kompromiss, die Kürzungen beim Agrardiesel und den grünen Nummernschildern 2024 noch auszusetzen, hätten die Proteste nicht verhindert. Denen haben sich auch Teile des Handwerks, Mittelstands und normale Bürgerinnen und Bürger angeschlossen. Aus Unzufriedenheit. „Aus Sicht der FDP müssen wir in diesem Jahr Vorschläge zur Entlastung machen.“
Die Union würde die Probleme dabei der Ampel in die Schuhe schieben. Dabei tue sie so, als ob sie mit der Agrarpolitik in der Vergangenheit nichts zu tun hatte, sagt Jensen und erwähnt dabei explizit die frühere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die der Ampel zuletzt vorwarf, an der Lebensrealität vorbei zu arbeiten.
Wir haben mit Blick auf den Koalitionsvertrag bereits viel erreicht, aber wir haben es schlecht kommuniziert.
Gyde Jensen
Ausblick auf das Superwahljahr
Im Hinblick auf das Superwahljahr erwähnt Jensen auch Taiwan, eine Demokratie, die in der globalen Weltordnung eine große Rolle spielt. Die Europawahl stehe ebenso an und sei „extrem wichtig“. Außerdem die Wahl in den USA und auch die in drei deutschen Bundesländern. So stehe die Ampel in Thüringen nur noch bei 11 Prozent Zustimmung.
Mit Blick auf die Debatte um Agrarsubventionen und die Wahlen sagt Jensen: „Ich mache mir Sorgen, wie wir momentan miteinander kommunizieren.“ Dabei übt sie Kritik vor allem an der CSU. Ein Angebot von Olaf Scholz für einen Deutschland-Pakt habe die Partei beispielsweise ausgeschlagen. „Dabei gibt es viele Dinge im Land, die dringend angepackt werden müssen“, so die 34-Jährige. Die CSU würde viele Dinge gern rückgängig machen. Das sei auch ein Grund gewesen, warum die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition 2017 scheiterten, wo die Union „vieles so wie früher“ machen wollte, wenn Grüne und FDP Ideen und Vorschläge für Veränderungen einbrachten.
Der Eindruck, die Ampel würde eher streiten und ihren Job nicht machen, will Gyde Jensen nicht stehen lassen. „Das ist zu einfach“, sagt die Schleswig-Holsteinerin. Das sei ein Eindruck, aber nicht die Wahrheit. „Wir reden, wir regieren und wir entscheiden.“ Und weiter: „Wir haben mit Blick auf den Koalitionsvertrag bereits viel erreicht, aber wir haben es schlecht kommuniziert.“
Dabei sei Politik auch immer ein Kompromiss, bei dem nie alle richtig zufrieden sind. Gerade die kleinen Parteien, wie auch ihre, finden immer ein Haar in der Suppe. „Dann ist aber noch lange nicht alles schlecht, sondern man muss gucken, dass die Suppe trotzdem schmeckt.“
Mit einem Verbot verschwindet das Gedankengut nicht. Wir müssen die Dinge lösen, die den Leuten unter den Nägeln brennen.
Gyde Jensen
Rechter Rand profitiert von schlechter Kommunikation
Von den vermeintlichen Streitereien der Ampel-Koalition profitierten die politisch rechten Ränder, sagt Gyde Jensen. Für sie sind das die AfD und auch das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). „Dass die einzige Alternative die AfD ist, ist zu kurz gedacht.“ Mit Blick auf die kürzlich veröffentlichte Recherche durch Correctiv sei auch klar, dass die demokratische Mitte zusammenhalten müsse.
„Wenn Menschen sagen: ,Das wusste ich nicht', kann man das nicht länger gelten lassen“, so Jensen. Die Situation sei eine Herausforderung. Dabei appellierte Jensen auch an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. Die FDP-Politikerin sprach sich während ihrer Rede gegen ein Verbot der Alternative für Deutschland aus. „Es ist nicht der Weisheit letzter Schluss.“ Außerdem dauere es lange und der Ausgang sei ungewiss. „Mit einem Verbot verschwindet das Gedankengut nicht. Wir müssen die Dinge lösen, die den Leuten unter den Nägeln brennen“, so die 34-Jährige. Es reiche dabei nicht aus, im Bundestag billigen Applaus einzufangen und über die AfD herzuziehen, dabei aber kaum Redezeit für die eigenen politischen Standpunkte übrig zu haben.
Wenn Menschen sagen: ,Das wusste ich nicht', kann man das nicht länger gelten lassen.
Gyde Jensen
Migrationsprojekte auf den Weg bringen
Sie selbst sehe Deutschland als Einwanderungsland. Angesichts der politischen Situation überlegten sich viele, ob sie überhaupt noch nach Deutschland einwandern sollten. „Viele denken, ihre Herkunft oder ihre Art zu leben sei unerwünscht.“ Hier sei die demokratische Mitte gefragt. Unstrittig sei, dass die Menschen, die nach Deutschland kommen, sich in die Gesellschaft einbringen müssen.
„Die Koalition will hier Migrationsprojekte auf den Weg bringen“, sagt Jensen. Etwa, dass ein Asylantrag bereits in Drittstaaten gestellt werden könne. Zugewanderte müssten schneller in Arbeit kommen und etwa Sozialhilfen, anders als Einheimische, erst nach 36 Monaten in Anspruch nehmen dürfen.