Neujahrstagung
Wer ist eigentlich Minderheit? Elf Menschen erzählen ihre ganz eigene Version
Wer ist eigentlich Minderheit? Elf Menschen erzählen
Wer ist eigentlich Minderheit? Elf Menschen erzählen
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Menschen zeigen statt Verbände – das ist das Motto einer Imagekampagne des BDN. Online, als Wander-Ausstellung und als Heft soll aufgeklärt – und nebenbei für das Ehrenamt geworben werden. Die Premiere am Sonnabend zeigte: Viele erkennen sich in den elf Geschichten wieder.
Elf Menschen erzählen ihre Geschichte. Jeder steht auf die ganz eigene Weise dafür, was es heißt, Minderheit zu sein. Das ist das Projekt „Wir sind die Minderheit“ in kurzen Zügen.
„Die Idee, die Minderheit anhand von Personen vorzustellen, gab es schon lange. Vergangenes Jahr habe ich sie dann aufgenommen“, sagt Sally Flindt-Hansen, Kommunikationskonsulentin beim Dachverband der Minderheit, dem Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN).
Nun ist alles fertig – und bei der Neujahrstagung der deutschen Minderheit in der Akademie Sankelmark hat Flindt-Hansen das Projekt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Auf großen Stellwänden mit Fotos und Texten auf Deutsch und Dänisch.
Es gefällt mir, dass dadurch der Eindruck vermittelt wird, dass man genau so ist wie alle anderen auch.
Ilse Friis
„Es geht darum, dass elf Personen gezeigt werden, die repräsentativ für ganz viele andere in der Minderheit stehen. Zum Beispiel der Typ ehrenamtlich im Verein oder eine politisch in der Minderheit engagierte Person oder im Landwirtschaftsverband“, sagt sie.
Alle Altersgruppen seien vertreten, und die Menschen, die über sich und ihr Minderheiten-Leben sprechen, „leben überall in Nordschleswig und bringen ihre eigenen Geschichten mit“, so Flindt-Hansen. Nicht nur bei der Wanderausstellung sind die Menschen und ihre Geschichten zu sehen – auch in einer Broschüre und auf der Internetseite nordschleswig.dk/wsdm. Jeweils in unterschiedlicher Länge und mit etwas anderen Texten.
Ehrenamt im Fokus
Das Projekt ist derweil kein reines Unterhaltungsprogramm für die Minderheit. Es soll ganz offensichtlich auch darauf aufmerksam machen, wie vielfältig sich die Identifikation mit der autochthonen Minderheit in Nordschleswig gestalten kann – und auf wie viele Weisen sich Menschen in ihr engagieren können.
„Ehrenamtliches Engagement ist der Grundstein der Minderheit. Deshalb fokussieren wir auch darauf. Aber bei einigen ist es dann auch der Beruf, um den es geht“, sagt Flindt-Hansen.
Im Frühjahr 2023 ist sie mit der Journalistin Karin Friedrichsen, vielen noch aus ihrer langen Zeit als Lokaljournalistin des „Nordschleswigers“ in Hadersleben (Haderslev) bekannt, zu den Menschen hinausgefahren und jeweils mit einem ganz bestimmten Fokus in die Gespräche gegangen.
Bilder auf Stellwänden – und im Kopf
Die aktuellen Fotos hat Karin Riggelsen beigesteuert. Doch „Wir ist die Minderheit“ lebt auch von alten Bildern. „Am meisten Spaß hat es mir gemacht, die alten Fotos der Kandidatinnen und Kandidaten zu sichten. Und dann die Geschichten dazu zu hören. Da kriege ich immer gleich tausend Bilder in den Kopf, und das macht das alles auch so vielschichtig“, sagt Flindt-Hansen.
Apropos Kandidatinnen und Kandidaten: Die wurden nicht ganz zufällig ausgewählt. BDN-Kommunikationschef Harro Hallmann hat einige schon lange auf dem Zettel gehabt, andere haben sich in jüngerer Zeit dazugesellt, sagt die Kommunikationskonsulentin. Menschen, die engagiert, aber nicht immer die bekanntesten Gesichter in der Minderheit seien, oder die sich im Rahmen des Projekts mal von einer für viele ganz neuen Seite zeigen.
Nordschleswigdeutsch auf der großen Leinwand
„Ich freue mich darauf, die Leute zu beobachten, wenn sie um die Wände herumgehen“, sagte Flindt-Hansen vor der Premiere in Sankelmark. „Viele werden lachen, wenn sie Leute erkennen, die plötzlich wie ein Star auf der großen Wand aufgedruckt sind. Das sind ja wirklich tolle Fotos von Karin“, sagt sie.
Dass die Sprache manchen nicht passen wird, kann sie sich jetzt schon vorstellen. Doch bei diesem Projekt haben sie Nordschleswigdeutsch nur dann korrigiert, wenn es nun wirklich falsch war. „Ansonsten haben wir die nordschleswigsche Sprache so gelassen“, so die Konsulentin. „Manche Aussagen sind vielleicht südlich der Grenze nicht so verständlich oder korrekt. Aber das ist eine bewusste Entscheidung“, sagt sie.
Minderheit: Verankert und lebendig
Ganz bewusst auch die Ausrichtung der Ausstellung, die zwar dem Ehrenamt eine Bühne geben, aber nicht unbedingt Werbung dafür sein soll, dass Menschen, die es bisher nicht sind, Teil der Minderheit werden. „Es soll auch aufklären darüber, dass die Minderheit historisch hier verankert ist und keine Gruppe Zugezogener, die sich hier gefunden haben“, erklärt Flindt-Hansen.
Das scheint angesichts vieler neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Deutschland, aber auch gegenüber Menschen aus der Mehrheitsbevölkerung manchmal noch nötig zu sein: „Ich persönlich habe schon den Eindruck, dass manche nicht wissen, was Minderheit ist. Aber wenn man diese Porträts gelesen hat, weiß man definitiv mehr. So vieles aus ihren Leben sagt etwas über die Minderheit aus. Und ganz viele Situationen oder Dilemmas können einfach alle aus der Minderheit wiedererkennen.“
„Ich bin Teil der Minderheit, und das möchte ich auch gerne zeigen“
„Es geht um die Minderheit, und ich bin ein Kind der Minderheit, und ich bin ein Teil der Minderheit, und das möchte ich auch gerne zeigen“, sagt Louise Thomsen Terp bei der Präsentation am Sonnabend in der Akademie Sankelmark zum „Nordschleswiger“. Für sie war es ein schönes Erlebnis, mit der Journalistin Zeit zu verbringen, und „die Kinder fanden es ganz lustig, als Karin Riggelsen die Fotos gemacht hat.“
„Ganz viele wissen immer noch nicht, was die Minderheit ist und wer das ist. Die Geschichte können wir hier erzählen“, sagt sie – und stürzt sich gespannt in die Ausstellung, um die Geschichten der anderen zehn Personen zu entdecken, die auch mitgemacht haben. Bei ihr steht in der Ausstellung ihr politisches Engagement bei der Schleswigschen Partei (SP) im Mittelpunkt.
Den Menschen zeigen, dass die Minderheit aus ganz normalen Menschen besteht
„Das ist doch eine runde Sache“, sagt auch Ilse Friis, ehemalige Leiterin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig. Sie ist wegen ihres ehrenamtlichen Engagements bei der Aufarbeitung der Geschichte der Frauen in der Minderheit ausgewählt worden.
„Es gefällt mir, dass dadurch der Eindruck vermittelt wird, dass man genau so ist wie alle anderen auch. Dass man nichts Besonderes ist, nur weil man aus der Minderheit kommt“, so Friis. „Ich denke, dass es auch an dänischen Schulen und so weiter wichtig wäre, dass da ein Eindruck entsteht, dass wir eben Menschen aus allen Klassen, aus allen Berufen und allen Alters sind in der Minderheit.“
Übrigens: Ursprünglich sollte die Geschichte von zwölf Menschen erzählt werden. Auch eine aus Deutschland Zugezogene sollte ihren Weg in die Minderheit darstellen, sprang aber aus persönlichen Gründen ab, als das Projekt bereits vorangeschritten war.