Leitartikel
„Fahrradkonferenz: Der fehlende Blick aufs Land“
Fahrradkonferenz: Der fehlende Blick aufs Land
Fahrradkonferenz: Der fehlende Blick aufs Land
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Die Fahrradkonferenz auf Christiansborg zeigt vor allem eines: Bei der Verkehrswende stehen die großen Städte im Fokus. Mehr Menschen sollen auf das Rad umsteigen – zum Wohl des Klimas, zum Wohl der Wirtschaft, zum Wohl der eigenen Gesundheit. Weil die Infrastruktur aber auf dem Land auf Jahre nicht sicher sein wird, bleibt die Mobilitätswende ein Großstadt-Phänomen, meint Journalist Gerrit Hencke.
Es ist spannend zu hören, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen Aalborg, Aarhus, Odense und Kopenhagen von Fahrradstraßen, Superradwegen, Abstellanlagen und visionären Projekten berichten. Dort, wo ohnehin schon viele mit dem Fahrrad fahren, weil es eine gute Alternative ist. Weil die meisten Bürgerinnen und Bürger in den großen Städten des Landes wohnen, ist das eine gute und wichtige Sache.
Dreckige Flickenteppiche
Ich, der mehrmals wöchentlich durch das rurale Nordschleswig von Krusau (Kruså) bis nach Apenrade (Aabenraa) pendelt, verzweifelt innerlich etwas. Denn von durchgängiger und sicherer Radinfrastruktur ist im Süden des Landes wenig zu sehen. Meist sind es kleinere Leuchtturmprojekte, die man zwar bewundert, die aber im Pendler-Alltag nur geringfügigen Einfluss haben, wenn man ansonsten auf einem Flickenteppich unterwegs ist.
Meine Probleme sind vielmehr die Randstreifen der Landstraßen, die in den kommenden Monaten wieder voller Dreck und Split sein werden, zu dichtes Überholtwerden und das Gefühl, ein Einzelkämpfer für die Verkehrswende zu sein. Denn dort zwischen Wilsbek (Vilsbæk), Klipleff (Kliplev) und Störtum (Størtum) begegnet mir selten ein anderer Radfahrender. Hier auf dem Land nutzen die Menschen für längere Distanzen das Auto. Manche Haushalte haben sogar drei oder vier davon auf dem Hof stehen.
Alternativloses Auto
Warum auch sollte man von Klipleff mit dem Fahrrad zur Arbeit nach Apenrade fahren, werden sich viele wohl denken. Sicherer ist es definitiv im eigenen Auto. Und der ÖPNV stellt keine wirkliche Alternative dar. Kann man es den Leuten daher verübeln, dass sie den Pkw vorziehen? Nein, kann man nicht.
Und auch ich denke mir manchmal: Warum mache ich das eigentlich? Wenn ich bei Regen gegen den Westwind anstrampele und mich noch über einen Autofahrer ärgere, der mich trotz freier Fahrbahn bei Tempo 80 mit 50 Zentimeter Abstand überholt. Es sind die Bewegung, die frische Luft, die Freiheit, das In-der-Natur-Sein, die Sonnenaufgänge.
Nordschleswig auf Christiansborg weit weg
Das ländliche Dänemark, immerhin ein großer Teil des Königreichs, scheint aber in Christiansborg auch gedanklich etwas weiter entfernt zu sein. In den Debatten nach den Themenblöcken geht es um Radabstellanlagen in Kopenhagen oder die Erreichbarkeit der Metro. In Nordschleswig sind das faktisch Fremdwörter. Denn die Menschen, die hier Rad fahren wollen, sehen sich anderen Problemen ausgesetzt.
Das vom Radfahrerverband immer wieder eingeforderte Abstandsgebot von 1,5 Metern könnte auf dem Land vermutlich eine Verbesserung für viele Radfahrende bringen, sofern dies auch eingehalten oder gar kontrolliert wird. Doch das Wort Abstandsgebot fällt in den dreieinhalb Stunden Fahrradkonferenz nur ein einziges Mal.
Fehlende Infrastruktur auf dem Land
Auch die bestehende Infrastruktur ist nur bedingt brauchbar. So ist etwa der Radweg von Seegard (Søgard) nach Apenrade und zurück in keinem berauschenden Zustand. Fährt man von Wilsbek in Richtung Tingleff, ist an der Landstraße gar kein Radweg zu finden. So sieht es vielerorts in Nordschleswig aus.
Wie der Vorsitzende des Radfahrerverbands, Jens Peter Hansen, sagt, fehlen rund 2.275 Kilometer Radwege rund um die größeren Städte und entlang der Staatsstraßen. Kann man es Menschen also verübeln, wenn sie das Rad nicht nutzen wollen? Nein, kann man nicht.
Gleiches gilt für Kinder und Jugendliche. Wenn ich als Elternteil es nicht für sicher erachte, mein Kind auf die Landstraße zu schicken, dann tue ich es auch nicht. Es ist sinnvoll, dass Kinder das Radfahren lernen und die Regeln kennen. Doch nicht überall werden sie anschließend mit dem Rad zur Schule fahren können.
Ohne Sicherheit keine Verkehrswende
Und letztlich muss man sagen: So sinnvoll die Forderung nach steuerlicher Erleichterung und Förderung für den Radverkehr ist, was nützt auf dem Land ein E-Bike-Leasing, wenn die Menschen sich im Verkehr nicht sicher fühlen? Weil sie regelmäßig durch den motorisierten Verkehr gefährdet werden, weil die Infrastruktur zu wünschen übrig lässt?
Man muss sich nichts vormachen. 3 Milliarden Kronen der Regierung für den Radverkehr bis 2030 sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Regierung müsste in den Ausbau der Radwege mindestens einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag investieren. Jens Peter Hansen selbst nennt es Zukunftsmusik, die 2.275 Kilometer irgendwann realexistierend zu sehen. Und so wird wohl auf lange Sicht vieles so bleiben, wie es ist – zumindest hier auf dem Land.