Zivile Sicherheit

Krieg und Klima – Bereitschaft soll für neue Bedrohungen fit gemacht werden

Krieg und Klima – Bereitschaft soll für neue Bedrohungen fit gemacht werden

Krieg und Klima – die Bereitschaft soll fit gemacht werden

Kopenhagen
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Die Sturmflut im Oktober vergangenen Jahres: In Zukunft werden solche Ereignisse häufiger werden. Foto: Jacob Schultz/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

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Sturmfluten, Starkregen und Cyberangriffe auf die Energieversorgung stellen die kommunalen Feuerwehren und die staatliche Bereitschaft vor neue Herausforderungen. Auch der Wandel hin zu mehr Elektro- und Wasserstofftechnologie bringt neue Aufgaben mit sich. Jetzt möchte das Folketing auch im Bereich der zivilen Sicherheit aufrüsten.

Im Oktober vergangenen Jahres donnerten die Wellen einer Sturmflut an die Ostküste Nordschleswigs und richteten umfassende Zerstörungen an. Solche Naturkatastrophen werden häufiger werden.

Im Mai  vergangenen Jahres waren 22 Energieversorgungsunternehmen einer Serie von Cyberangriffen ausgesetzt. Wäre es den Behörden nicht gelungen, die Angriffe relativ schnell zurückzuschlagen, hätten die Angreifenden die Kontrolle über die Energieversorgung übernehmen können. Es gibt Hinweise, dass ein staatlicher Akteur in die Attacken verstrickt war.

Vielschichtige Herausforderungen

Das sind nur zwei der Herausforderungen, auf die sich die Bereitschaft einstellen muss. Vor diesem Hintergrund widmen auch die Politikerinnen und Politiker des Folketings diesem Bereich ihre Aufmerksamkeit. Ungefähr zehn Jahre lang war das nicht so. Eine mehrjährige Absprache (forlig) dazu gibt es seit 2014 nicht. Das soll sich jetzt ändern, wie Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen (Venstre) am vergangenen Mittwoch bei einer Anhörung auf Christiansborg betonte. 

Die Direktorin der staatlichen Bereitschaftsbehörde, Laila Reenberg, nannte die Sturmfluten der vergangenen Monate als ein Beispiel für die wachsenden Herausforderungen. „Wir haben vor Ereignissen gestanden, die uns bis zum Äußersten gefordert haben“, sagte sie. 

Jährliche Sturmfluten

Und die Sturmfluten werden in Zukunft häufiger und stärker werden. Das berichtete der Leiter des nationalen Zentrums für Klimaforschung beim Dänischen Meteorologischen Institut (DMI), Adrian Lema. Eine Sturmflut, wie sie derzeit alle 20 Jahre auftritt, werden wir am Ende des Jahrhunderts jedes oder jedes zweite Jahr haben. Der Anstieg des Meeresspiegels verstärke die Folgen von Sturmfluten.

Hinzu kommen laut DMI-Prognose Winter mit langen, starken Regenperioden, wie wir es auch im vergangenen Winter erlebt haben. Seen und Auen treten über ihre Ufer. In den Sommermonaten werden Wolkenbrüche häufiger passieren.

Gleichzeitige Katastrophen

Und: Mehrere dieser Wetterphänomene können gleichzeitig auftreten. Gerade auch Nordschleswig ist diesem Risiko ausgesetzt, wie die Daten von DMI belegen.

„Bei einem gleichzeitigen Auftreten wird die Komplexität größer. Außerdem besteht das Risiko, dass die Bereitschaft zu dünn verteilt wird“, so Lema.

Projekte zur Klimasicherung, wie die Verstärkung von Deichen, Pumpenanlagen wie an der Apenrader Mühlenau und Rückhaltebecken könnten mit dem Tempo des Klimawandels nicht mithalten. Auch sei es nicht möglich, alle Küstenstädte ausreichend zu sichern. Daher sei es notwendig, die Bereitschaft zu verstärken, so die Einschätzung des Klimaexperten.

Elektrotechnologie und Wasserstoff bergen neue Risiken

Doch auch auf andere Weise bringt der Klimawandel neue Herausforderungen. Die Elektrifizierung des Transports und der Industrie sowie die Wasserstofftechnologie erfordern neues Material und Fortbildung des Bereitschaftspersonals. Eine Power-to-X-Anlage zur Herstellung von Wasserstoff, wie die in Kassø bei Apenrade (Aabenraa), bedeutet, dass eigene Bereitschaftspläne erarbeitet werden müssen.

„Elektroautos brennen nicht häufiger, aber sie brennen anders“, betonte der Chef des Verbandes der kommunalen Bereitschaften, Jarl Vagn Hansen.

Jetzt kommen die Bedrohungen nicht nur von Kriminellen und Terrorgruppen mit den trotz allem begrenzten Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Jetzt kommen sie von Großmächten, mit allem, was sie an Kapazitäten besitzen.

Michael Zilmer-Johns

Cyberangriffe als Kriegswaffe

Wie eingangs erwähnt, bedroht auch die veränderte weltpolitische Lage die zivile Sicherheit. Bereits nach den Angriffen vom 11. September 2001 wurde die Bereitschaft gegenüber Terrorattacken verstärkt. Auch die Sicherheitsmaßnahmen gegenüber Cyberangriffen von kriminellen Organisationen sind laufend erhöht worden. 

„Jetzt kommen die Bedrohungen nicht nur von Kriminellen und Terrorgruppen mit den trotz allem begrenzten Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. Jetzt kommen sie von Großmächten, mit allem, was sie an Kapazitäten besitzen“, sagte der ehemalige Botschafter Michael Zilmer-Johns. Er ist Chef einer sicherheitspolitischen Analysegruppe, die die Regierung eingesetzt hat.

Sabotagepläne gegen Militärinstallationen

Russland habe offen hybriden Krieg gegen den Westen erklärt. Und auf längere Sicht würde auch China eine ernste Bedrohung darstellen. Hierbei müssen wir uns nicht nur vor Angriffen über das Internet schützen, sondern auch vor Sabotageaktionen, die sich gegen kritische Infrastruktur richten. In Zukunft kann das auch Energie-Inseln und Power-to-X-Anlagen betreffen. 

Laut Zilmer-Johns seien kürzlich russische Sabotagepläne gegen Militärinstallationen in Deutschland entlarvt worden. Nach seiner Einschätzung ist Dänemark aufgrund der markanten Unterstützung für die Ukraine hybriden Angriffen aus Russland besonders ausgesetzt. 

„Man möchte uns einschüchtern, spalten, schwächen und unsere technologischen und militärischen Geheimnisse stehlen“, so der erfahrene Diplomat.

Bereitschaftsministerium im Gespräch

Um die Zivilbevölkerung vor den immer komplexeren Bedrohungen zu schützen, bedürfe es mehr Gelder für die Bereitschaft. Darin waren sich die Expertinnen und Experten bei der Anhörung einig. Es brauche neues Material, aber auch mehr Fortbildung für das Bereitschaftspersonal. 80 Prozent der kommunalen Feuerwehrleute sind Teilzeitangestellte. Insbesondere wünschen die Bereitschaften sich mehr Mittel für Übungen.

Mindestens genauso wichtig sei jedoch eine engere Koordination der zivilen Sicherheit. Um die Bevölkerung zu schützen, sind nicht nur die Bereitschaften notwendig, sondern alle Sektoren müssen mitmachen. Das gilt für Energieversorgungsunternehmen, andere Wirtschaftszweige, aber auch für Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen und Kindergärten, die auf Stromausfälle und Cyberangriffe reagieren können müssen. 

Um diese Koordination zu gewährleisten, erwägt Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen, nach schwedischem Vorbild ein eigenes Ministerium für die Bereitschaft einzurichten. Die Frage wird in die kommenden Verhandlungen einfließen. 

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Leitartikel

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
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