Demonstrationen

Landwirtschaft: „Wir wollen Antworten, keine neuen Regeln“

Landwirtschaft: „Wir wollen Antworten, keine neuen Regeln“

Landwirtschaft: „Wir wollen Antworten, keine neuen Regeln“

Tingleff/Tinglev
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Landwirtinnen und Landwirte protestierten am 15. Januar in Berlin. Foto: John Macdougall/AFP/Ritzau Scanpix

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LHN-Vorsitzender Christian Kock kann die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland gut verstehen. Er kritisiert eine Regelungswut bei gleichzeitiger mangelnder Praxisnähe und schaut mit Besorgnis auf die Wut im Nachbarstaat. Eine Hoffnung hat er aber auch.

Das Jahr war eine Woche alt, da sorgten bundesweite Demonstrationen von Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland für Staus und mediale Aufmerksamkeit. Die Proteste richteten sich eine Woche lang gegen Pläne der Bundesregierung, bestehend aus den Parteien SPD, Grüne und FDP, Geld für den Bundeshaushalt zu finden nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass Gelder nicht ohne Weiteres umgewidmet werden können.

Ursprünglich plante die deutsche Regierung nach der richterlichen Entscheidung, die Steuerbegünstigung des Agrardiesels wegfallen zu lassen und die Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen. Mittlerweile ist der Wegfall der Steuerbefreiung für Fahrzeuge vom Tisch, die Steuerbegünstigung des Agrardiesels soll in Etappen wegfallen.

Christian Kock ist LHN-Vorstandsmitglied seit 2011. Im März 2021 übernahm er den Vorsitz nach Jørgen Popp Petersen (Archivbild). Foto: Paul Sehstedt

Christian Kock ist Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig (LHN) und beobachtet die Situation südlich der Grenze. „Wir sind jedes Jahr beim Bauernverband. Vor zwei Jahren in Rendsburg, da war die Stimmung noch gut, die Landwirte schauten positiv in die Zukunft“, erinnert sich Kock.

„Nach dem Scheitern der Borchert-Kommission wurde die Stimmung schlechter“, erinnert sich der Vorsitzende. Die deutsche Bundesregierung strebte den Umbau der Nutztierhaltung an. Die Kommission sollte Empfehlungen abgeben. Es kam zum Streit mit der Regierung, und die Kommission löste sich auf. Letztere vermisste Förderungen für den Umbau. „Die Politik wollte aber kein Geld bereitstellen, um die Ziele fürs Tierwohl zu implementieren“, erinnert sich Christian Kock.

Kock: Landwirte wissen, wie Landwirtschaft funktioniert

Nach Kocks Ansicht brachten jetzt die angekündigten Kürzungen das Fass zum Überlaufen. Für ihn geht es auch weniger um die geplanten Sparmaßnahmen. Er, selbst Landwirt, kann die Proteste gut nachvollziehen. „Wir verstehen jeden deutschen Landwirt, der protestiert. Man muss doch mit den Leuten vorher reden, die Landwirte wissen doch, wie Landwirtschaft funktioniert.“

Ein paar Hochstudierte ohne Praxiserfahrung wollen den Landwirten erklären, wie sie zu wirtschaften haben. Das funktioniert nicht.

Christian Kock

Koch macht seinem Ärger Luft: „Ein paar Hochstudierte ohne Praxiserfahrung wollen den Landwirten erklären, wie sie zu wirtschaften haben. Das funktioniert nicht. Man muss die Menschen ernst nehmen, sonst nehmen sie Politikerinnen und Politiker auch nicht mehr ernst.“

Viel Frust im Süden

Er habe gehört, dass junge Landwirte in Deutschland, die einen Hof übernehmen, nicht mehr investieren, weil sie nicht wissen, ob es sich lohne. Das sei in Dänemark anders. „Die Stimmung hier ist anders, positiver. In Deutschland hat sich überall viel Frust angesammelt, deshalb haben die Landwirte bei ihren Demos auch Rückhalt in der Bevölkerung“, analysiert Koch. Die Politik in Deutschland habe keine Antworten mehr, das Vertrauen sei nicht mehr da. Etwas, was Kock schon besorgt, wenn er nach Süden blickt.

Die positiver eingestellten Landwirte in Dänemark investieren – und verschulden sich. „Den Strukturwandel haben sie schon hinter sich, anders als in Deutschland“, resümiert Kock. In Dänemark gebe es zwar auch noch kleinere Betriebe, nur nicht so viele. Es seien somit nur die übrig geblieben, die an eine Zukunft in der Landwirtschaft glaubten. „Man kann gutes Geld verdienen, wenn man tüchtig ist und an die Zukunft glaubt“, weiß der Vorsitzende.

Wir wollen Antworten, keine neuen Regel.

Christian Kock

Eine EU-weite Reformierung der Landwirtschaft sieht Kock aber auch geboten. „Die Proteste sind ja auch Proteste gegen die Bürokratie. Der LHN macht für mich als Landwirt, was ich nicht schaffe, was ich nicht kann – und was ich auch nicht mag. Aber das kostet natürlich auch Geld.“ Und selbst die Experten müssten sich einarbeiten und schauen, wie Vorgaben letztendlich ausgelegt werden sollen. „Dieser Kontrollapparat ist Wahnsinn, das ist doch nicht produktiv.“ Als Landwirt und Vertreter der Branche sagt er:  „Wir wollen Antworten, keine neuen Regeln.“

Kock sieht eine Chance

Christian Kock sieht aber auch eine Chance: „Wenn alle das Gefühl haben, es muss sich etwas ändern, dann ist das doch gut.“ Der Deutsche Bauernverband müsse nun aber nach vorn schauen und etwas Positives aus den Protesten schaffen.

„Deutschland ist doch kein schlechtes Land, es ist schon merkwürdig, warum es dort solch eine negative Stimmung gibt.“

Agrardieselsubventionen im Vergleich

Auch in Dänemark erhalten Landwirtinnen und Landwirte Steuern zurückerstattet, die sie beim Kauf von Agrardiesel gezahlt haben. Ulrich Graf vom „Bayrischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ hat die Dieselpreise in der Landwirtschaft in der EU verglichen. Für Bäuerinnen und Bauern in den Niederlanden liegt dieser demnach am höchsten, Deutschland belegt Platz sieben nach jetziger Regelung, also nicht verringerter Rückzahlung. Auf Platz 13 ist Dänemark zu finden, wo der Diesel somit billiger ist als in Deutschland. Aufgrund der vielen EU-Regeln, die national unterschiedlich angewendet würden, sei ein Vergleich aber schwierig, so „Agrarheute“, wo der Artikel von Ulrich Graf ebenfalls erschienen ist.

Laut der Nachrichtenagentur „dpa“ können sich Landwirte in Deutschland 21,48 Cent pro Liter Diesel zurückerstatten lassen. Der volle Steuersatz beträgt 47,04 Cent. Anträge auf Erstattung werden bei der Zollverwaltung gestellt. Ein durchschnittlicher Betrieb erhält 2.900 Euro Agrardieselbeihilfe laut agrarpolitischem Bericht der Bundesregierung im Jahr rückerstattet.

 

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