Folkemøde

Ehrenamt-Killer Bürokratie: Sonderburger Lösung sorgt für landesweiten Neid

Ehrenamt-Killer Bürokratie: Sonderburger Lösung sorgt für landesweiten Neid

Ehrenamt-Killer Bürokratie: Sonderburger Lösung als Vorbild

Allinge
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Peder Damgaard (Mitte) berichtet dem Folketingsabgeordneten Kris Jensen Skriver (rechts) von den Problemen für die Vereine. Mads Wolff von Bornholm hört zu. Foto: Walter Turnowsky

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Ohne freiwilligen Einsatz wäre eine Vielzahl von Aktivitäten im ländlichen Raum nicht denkbar. Doch komplizierte Regeln und umständliche Behördengänge machen den Vereinen das Leben schwer, wie auch Beispiele aus Apenrade und Sonderburg zeigen.

Bereits am Sonnabendmorgen hat sich eine kleine Schar vor einem historischen Segelschiff im Hafen von Allinge zusammengefunden. Der ‚sønderjyske‘ Dialekt entlarvt sie als Menschen, die vom anderen Ende des Landes nach Bornholm zum Folkemøde angereist sind.

Nicht, dass sie versuchen, ihre Herkunft zu verbergen. „Mojn Sønderborg“ prangt auf den T-Shirts, die sie tragen. An das übrige Publikum verteilen sie das Keksgebäck „Goe Raj“ (Gute Ratschläge). 

Vertreterinnen und Vertreter aus Nordschleswig wohnten dem Gespräch bei. Foto: Walter Turnowsky

Und auch im übertragenen Sinn haben sie gute Ratschläge für den zweiten Vorsitzenden des Folketingsausschusses für den ländlichen Raum, Kris Jensen Skriver (Soz.), mitgebracht. Sie gehören der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) für Sonderburg (Sønderborg) und Apenrade (Aabenraa) an. Die LAG sind Verbände, die zum Ziel haben, den ländlichen Raum zu beleben.

Das komplizierte Kompostklo

Jensen Skriver notierte eifrig mit, während der Sonderburger Tom Hartvig Nielsen über ein Beispiel von bürokratischen Hürden berichtete, das ehrenamtlich engagierten Menschen das Leben erschwert.

Die LAG hatte die Idee, bei Shelter-Plätzen Komposttoiletten aufzustellen, damit die menschlichen Hinterlassenschaften nicht in der Natur herumliegen. Es hat neun Monate gedauert, bis sie die Genehmigung hatten, das erste Klo aufzustellen.

„Ich habe es nicht genau im Kopf, aber es haben sich mindestens zehn Behörden mit dem Antrag befasst“, berichtete Hartvig Nielsen.

Geldwäscheregeln

Der Apenrader Vertreter Peder Damgaard berichtete von den komplizierten Auflagen, wenn man als Verein ein Konto einrichten möchte. Die Geldwäschebestimmungen gelten nämlich für den kleinen Verein in gleicher Weise wie für den großen Konzern.

„Wir sind doch nicht dazu da, um zu betrügen. Aber wir haben das Gefühl, dass uns dauernd mit Misstrauen begegnet wird“, wetterte Damgaard. 

„Es bedarf schon fast einer akademischen Ausbildung, um ein Projekt durchzusetzen. Viele geben auf“, so Hartvig Nielsen. Und junge Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen, sei unter diesen Bedingungen fast unmöglich.

Tom Hartvig Nielsen (Mitte) im Gespräch mit Moderatorin Karen Lumholt (r.) – Kris Jensen Skriver hört zu. Foto: Walter Turnowsky

Aktivitäten nur mit Ehrenamt

Unterstützung bekamen die beiden Nordschleswiger auch aus Bornholm. Der Vorsitzende der Bornholmer Bürgerverbände, Mads Wolff, konnte den bürokratischen Hürdenlauf – oder den „bøvl“ – eins zu eins wiedererkennen.

Aus seiner Sicht kann das für den ländlichen Raum verheerende Folgen haben. Denn viele Aktivitäten sind nur mit freiwilligem Einsatz möglich. Für ihn wurde das besonders deutlich, als er vor einigen Jahren von Kopenhagen nach Bornholm zurückzog. 

„Vieles von dem, was in der Stadt eine Selbstverständlichkeit ist, macht in kleineren Orten nur das Ehrenamt möglich“, so Wolff.

So wird etwa das Kino in seinem Heimatort Gudhjem, wie übrigens auch in Norburg (Nordborg), von freiwilligen Kräften betrieben.

„Alle sollten eine Connie haben“

In der Gesprächsrunde wurden jedoch nicht nur Probleme, sondern auch Lösungen diskutiert. Einer der Lösungsansätze kommt aus Sonderburg, heißt Connie und war bei der Gesprächsrunde auch dabei. Jene, die den Nachnamen Mark Skovbjerg trägt, ist Koordinatorin der Kommune für den ländlichen Raum.

„Ich bin Bindeglied und Übersetzerin zwischen den Vereinen und der Verwaltung. Häufig scheitert es schon an der Verwaltungssprache“, sagte sie. 

Connie Mark Skovbjerg aus Sonderburg - andere Regionen hätten gerne einen Klon. Foto: Walter Turnowsky

Sie sieht ihre Rolle auch darin, den Freiwilligen den Weg durch die Behörden zu ebnen und die richtigen Behörden einzuschalten. Eine Funktion, die die LAG zu schätzen weiß. Und auch außerhalb der Kommune blickt man mit Interesse auf das Sonderburger Modell.

„Alle sollten eine Connie haben“, sagte der Bornholmer Wolff, und die übrigen Gesprächsteilnehmenden pflichteten ihm bei. „Aber unsere bekommt ihr nicht“, antwortete Hartvig Nielsen scherzhaft. 

Bedarf an Umdenken in der Verwaltung

Mark Skovbjerg sitzt auch im Ausschuss für Nachhaltigkeit und ländlichen Raum der Kommune. Dort sitzen neben Kommunalpolitikerinnen und -politikern auch Bürgervertreterinnen und -vertreter. So haben die Menschen einen direkteren Draht zur kommunalen Verwaltung.

Die Koordinatorin sieht das als einen ersten wichtigen Schritt für ein Umdenken in der Verwaltung. Ein Umdenken, das das Umsetzen von Ideen erleichtern, nicht erschweren soll.

„Wenn jemand mit einem Zettel mit einer vielleicht etwas unbeholfen formulierten Idee kommt, soll man genauer nachschauen, ob an der Idee etwas dran ist und wie sie ermöglicht werden kann“, so Mark Skovbjerg.

Vertrauen als Lösung

Der Abgeordnete Kris Skriver Jensen versprach, die Anliegen ins Folketing zu tragen. In einem Punkt konnte er jedoch bereits während des Gesprächs erfreuliches mitteilen: Die Geldwäscheregeln werden im kommenden Jahr für Vereine geändert. 

Die Runde war sich jedoch auch darin einig, dass es nicht nur um Gesetz und Regeln geht; es geht vor allem um ein Umdenken. 

„Wir müssen wieder zurück zu einer Vertrauenskultur; Vertrauen darin, dass wir als Ehrenamtlich ja Positives leisten möchten“, sagte der Apenrader Damgaard.

Wolff ergänzte: „Letztendlich geht es darum, Connie überflüssig zu machen.“ Diese nickte zustimmend. 

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