Porträt

Lotte Rod: Ich möchte eine Pippi Langstrumpf sein, die die Politik von innen verändert

Lotte Rod: Ich möchte eine Pippi Langstrumpf in der Politik sein

Lotte Rod möchte eine Pippi Langstrumpf in der Politik sein

Kopenhagen
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Es fehlen die Sommersprossen und die roten Zöpfe, damit Lotte Rod vollkommen als Pippi überzeugen kann. Foto: Walter Turnowsky

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Die Radikalen-Politikerin aus Apenrade hat sich ein hohes Ziel gesteckt: Sie setzt sich für einen neuen Entwurf der Wohlfahrtsgesellschaft ein, will Milliarden an Kronen hineinstecken. Bislang konnte sie sich selbst immer davon überzeugen, dass ihr Einsatz etwas nützt.

Klotzen statt kleckern. So sieht die Abgeordnete von Radikale Venstre, Lotte Rod, den Bedarf an Geldern für den Wohlfahrtsstaat. In ihren Augen wird er in diesen Jahren ausgehöhlt.

„Hier auf Christiansborg machen wir unzählige Sitzungen und Absprachen über alle möglichen Kleinigkeiten, aber versäumen das Wichtigste. Das ist der große Plan, der dazu führt, dass allen Menschen als Menschen begegnet wird“, sagt sie dem „Nordschleswiger“.

Das deutsche Freizeitheim in Apenrade

Ob in Schulen, Kitas oder Pflegeheimen – viel zu häufig würden Menschen als eine Aufgabe gesehen, die es abzuhaken gilt. Lotte Rod will einen Milliardenbetrag für die Wohlfahrt lockermachen, doch das Geld dient ihr nur als Mittel zum Zweck. Sie fordert eine Abkehr von der Forderung nach immer mehr Effizienz in diesen Bereichen.

„Ich wünsche mir für alle Kinder Freizeitheime, die so wundervoll sind, wie das deutsche, das ich in Apenrade besucht habe. Da gab es Kaninchen, eine Fahrradwerkstatt und eine Schwebebahn“, erinnert sich Rod an ihre Kindheit.

Lotte Rod

  • 1985 in Aarhus geboren
  • Besuchte die Deutsche Privatschule Apenrade und danach Aabenraa Gymnasium og HF
  • Studium der Politologie (Statskundskab) an der Kopenhagener Universität
  • 2003 bis 2005: Vorsitzende von Radikal Ungdom in Nordschleswig
  • Seit 2011 vertritt sie Radikale Venstre im Folketing
  • Sie ist Sprecherin der Fraktion der Radikalen unter anderem für Kinder, Seniorinnen und Senioren sowie Vertrauen und Freisetzung

Milliardeninvestition

Die Politikerin hat die Deutsche Privatschule Apenrade besucht, und nach der Schulzeit ging es in das genannte Freizeitheim. Um mehr Institutionen zu schaffen, wie sie sich wünscht, brauche es ausreichend ausgebildetes pädagogisches Personal in den Kitas, genug Zeit für die Vorbereitung für Lehrerinnen und Lehrer und größere Freiheit für alle Personalgruppen im Wohlfahrtsbereich.

„Mir schwebt vor, dass wir im Folketing etwas Entsprechendes machen, wie wir es für den Verteidigungsbereich gemacht haben. Hier ist es geglückt, im Laufe eines Wochenendes einen Milliardenbetrag zu finden.“

Eine Frage des Vertrauens

Im März 2022 einigten sich sieben Parteien, darunter Radikale Venstre, darauf, den Verteidigungshaushalt innerhalb von zehn Jahren um 20 Milliarden Kronen aufzustocken. Rod will einen entsprechenden Betrag in den Wohlfahrtssektor und vor allem die Volksschulen und Kindereinrichtungen investieren.

„Für mich ist es letztlich eine Frage der Demokratie, dass wir Vertrauen zueinander haben. Aber auch des gesellschaftlichen Vertrages; dass wir zur Arbeit gehen und erwarten können, dass unsere Kinder gute Einrichtungen und Schulen besuchen und dass unsere Eltern und Großeltern die notwendige Fürsorge bekommen.“

Neben der milliardenschweren Investition geht es der sozialliberalen Politikerin auch um mehr Vertrauen in das Personal. Vertrauen darin, dass es auch ohne kleinliche Kontrolle und ohne eine Flut an Regeln seine Aufgaben mit Sorgfalt löst.

Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein: Auch im Regierungsprogramm der SVM-Koalition ist das Ausmisten bei Regeln und auszufüllenden Schemas enthalten. Bei der breiten Unterstützung könnte man meinen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bevor es umgesetzt wird. Rod sieht das jedoch anders.

„Obwohl ich viele über Freisetzung reden höre, erlebe ich leider bei Verhandlungen immer noch, dass wir über neue Regeln sprechen, weil wir auf Nummer sicher gehen wollen.“

Zweifel

Bei ihrem Vorschlag für einen milliardenschweren Plan ist sie noch pessimistischer. Sie meint, die Regierung würde die Probleme an den Kindereinrichtungen und Schulen nicht ernst nehmen, würde die Kürzungen in den kommunalen Haushalten kleinreden.

„Derzeit geht es unglaublich langsam.“

Was die Frage aufwirft, wie lange Lotte Rod in der Politik weitermachen möchte, wenn sich die Dinge nicht in die von ihr gewünschte Richtung entwickeln.

„Genau die Frage stelle ich mir immer vor einer Wahl. Bisher bin ich jedes Mal zu dem Ergebnis gekommen, dass es immer noch mehr nützt, von innen zu kämpfen.“

Sie sieht sich als die politische Stimme jener, die in der Praxis für eine kreativere Schule und zum Beispiel „wildes“ Spielen arbeiten. Sie will Debatten über die Einrichtung der Wohlfahrtsgesellschaft nach Christiansborg tragen. Debatten, wie sie die Denkfabrik „Institut für wilde Probleme“ anstößt, die im Sommer Existenzgründer Tommy Ahlers und der Journalist Sigge Winther gegründet haben. Das Institut sucht Antworten auf die komplexen, grenzüberschreitenden und widerspenstigen Probleme der dänischen Gesellschaft.

„Ich sehe mich als eine Pippi Langstrumpf, die die Politik ändern möchte. Und wenn alle Pippi Langstrümpfe verschwinden würden, wäre es langweiliger auf ‚Borgen‘.“

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