Leitartikel

„Nationaler Zähmungsversuch“

Nationaler Zähmungsversuch

Nationaler Zähmungsversuch

Apenrade/Aabenraa
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Tech-Giganten wie Facebook und Google sollen für Inhalte bezahlen, die dänische Journalisten erstellen - das fordert Kulturministerin Mogensen jetzt. Ein notwendiger Schritt, der eigentlich viel zu spät kommt, meint Nils Baum.

Es ist gut einen Monat her, dass Facebook angekündigt hat, künftig keine Nachrichteninhalte mehr auf seiner Plattform für Nutzer in Australien anzuzeigen und damit hohe Wellen schlug. Eine Woche später hatten sich die Wogen zunächst wieder geglättet, die australische Regierung hatte ihr Gesetz entschärft.

Jetzt sind wir auch hierzulande so weit, die Zügel für die großen US-Technikfirmen enger zu ziehen.

„Erst jetzt?“, möchte man entsetzt fragen. 

Zwar ist es zu begrüßen, dass Kulturministerin Joy Mogensen (Soz.) mit ihrem Gesetzesentwurf endlich sicherstellen möchte, dass die in Dänemark beheimateten Medien künftig bezahlt werden, wenn Facebook oder Google ihre Inhalte nutzen.

Doch kommt diese Initiative erst nach vielen Jahren des Klagens über wegbrechende Werbeeinnahmen bei den großen und kleinen Verlagshäusern. Und damit eigentlich schon viel zu spät.

Zwei Aspekte der dänischen Gesetzesinitiative stechen hervor.

Zunächst, dass Joy Mogensens Gesetzesvorschlag den heimischen Medien das Recht gibt, kollektiv im Verbund aufzutreten und somit gemeinsam eine Vereinbarung mit Facebook & Co auszuhandeln. 

Sodann will sie eine nationale Klageinstanz einrichten, die den Parteien beim Ausräumen von Streitigkeiten helfen soll.

Der dänische Gedanke des Kollektivs unterscheidet sich von der EU-Direktive, die lediglich einzelnen Verlagshäusern das Recht einräumt zu verhandeln. Noch immer steht hier allerdings die Marktmacht der beiden großen dänischen Nachrichtenmedien „J/P Politikens Hus“ und „Berlingske Media“ mit einem Gewinn über 343 Millionen Kronen im vergangenen Jahr den schwindelerregenden 180 Milliarden Kronen bei Facebook gegenüber.

Dennoch dürfte das gemeinschaftliche Vorgehen es erleichtern, Übereinkünfte zu erzielen. Und zudem wird es unweigerlich zu einem engeren Austausch in Fragen, die die Positionierung in der digitalen Welt betreffen, innerhalb der dänischen Medienbranche kommen. Ein solcher Austausch ist in Zeiten des anhaltenden Umbruchs in der Medienlandschaft nur zu begrüßen.

Interessant wird zu beobachten sein, wie sich die unabhängige dänische Klageinstanz, Ophavsretslicensnævnet, in ihrer Arbeit entfalten wird. Die Kulturministerin selbst gibt als Motivation für ihren Gesetzesvorschlag den Wunsch an, dass die Technikgiganten ein Teil des journalistischen und kulturellen Ökosystems werden sollen.

Das sind hehre Ziele angesichts der Tatsache, dass die Tech-Giganten mit ihren Plattformen vor allem an das umfassende Absaugen von persönlichen Daten ihrer Nutzer als Grundlage für ihre eigenen Werbeerlöse denken.

Dennoch bleibt zu hoffen, dass die Gesetzesinitiative dazu führt, dass auch bei den Tech-Giganten das Bewusstsein für den Schutz kultureller Werte und ihrer individuellen nationalen Ausprägung wächst.

Dafür dürfte das jetzt vorgelegte Gesetz ein Anfang sein – den die Politik allerdings schon wesentlich früher hätte machen müssen. Die Initiative kommt deshalb ziemlich spät. Aber in diesem Falle ist spät wohl besser als nie.

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