Leitartikel

Konstruktiv statt apokalyptisch

Konstruktiv statt apokalyptisch

Konstruktiv statt apokalyptisch

Apenrade/Aabenraa
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Foto: Sean Patrick Murphy/Unsplash

Droht Dänemark der gesellschaftliche Verfall? Dieses Schreckensbild versuchen viele immer wieder an die Wand zu malen, bis es auch der letzte glaubt, meint Cornelius von Tiedemann. Doch in Wahrheit funktioniere Dänemark – und sei ein Land, dessen Bewohner immer wieder mit Engagement und Ideenreichtum zeigen, dass konstruktiv vor apokalyptisch geht.

Dänemark ist weit davon entfernt, auseinanderzufallen, auch wenn Politiker aus beiden Blöcken immer wieder solche Schreckensbilder an die Wand malen. Zu viel Kriminalität, zu viel dies, zuwenig das, und am Ende sind sowieso die Ausländer Schuld: Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über den politischen Zirkus manchmal wirklich lachen.

Doch im internationalen Vergleich steht Dänemark auf vielen Gebieten, auch wenn die Überschriften das nicht immer hergeben, weil es eben nicht schockt, wahnsinnig gut da. Auch, weil es zum Glück hinter den Kulissen der oftmals zynischen Politik in Dänemark unwahrscheinlich viele tüchtige Menschen gibt, die diese Gesellschaft zu einer so lebenswerten machen. Freiwillige in den verschiedensten Verbänden oder privaten Initiativen, aber auch engagierte Mitarbeiter und Strategen in Ministerien, Behörden, bei den Ordnungskräften, Stiftungen, Unternehmen.

Die Ideen, die in Dänemark entwickelt werden, sei es im Gesundheitswesen, auf dem Arbeitsmarkt oder im sozialen Bereich – sie sind nicht Zeugen einer verängstigten und auseinanderfallenden Gesellschaft, im Gegenteil.

Jüngstes Beispiel ist das Vorhaben, mehr Jugendliche dazu zu bringen, sich in den Feuerwehren zu engagieren. Das Verteidigungsministerium und die Velux-Stiftung geben dafür in den kommenden Jahren Millionen, und es könnten gerne noch mehr Mittel sein. Die Initiative gibt es schon länger, aber nach der letzten Silvesternacht wurde ihre Ausrichtung etwas verändert. Eine genial einfache Idee.

Übermütige, offenkundig frustrierte Jugendliche hatten in einigen sozialen Brennpunkten im Lande Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern beschossen. Ein Aufschrei ging durchs Land – und Politiker aller Couleur fühlten sich genötigt, ihre Meinung darüber abzugeben, wie hart solche Taten zu bestrafen seien und wie sehr die dänische Gesellschaft auseinanderzubrechen drohe.

Doch die dänische Gesellschaft ist noch immer intakt. Und die Initiatoren hinter dem Feuerwehr-Projekt haben eine äußerst konstruktive Art gefunden, mit dem Problem umzugehen. Jugendliche in Problemvierteln sollen in Zukunft von den Feuerwehren angeworben werden und dort angelernt werden. Sie erhalten Verantwortung und lernen, was es heißt, sich gemeinsam für die Gemeinschaft einzusetzen.

Überall im Lande gibt es solche pragmatischen, konstruktiven und wirkungsvollen Programme und Initiativen. Sie tragen dazu bei und sind Beweise dafür, dass Dänemark weit davon entfernt ist, zu zerfallen. Oftmals aber leider nicht wegen, sondern trotz der Sofortmaßnahmen und Pakete, die von der Aufschrei-Politik beschlossen und geschnürt werden.

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