Leitartikel

„Dänemarks Ängste: Was die US-Präsidentschaftswahl für uns bedeutet“

Dänemarks Ängste: Was die US-Präsidentschaftswahl für uns bedeutet

Dänemarks Ängste: Was die US-Wahl für uns bedeutet

Apenrade/Aabenraa
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Während die dänische Katastrophenschutzbehörde die Bevölkerung zur Vorratshaltung auffordert, zeigt eine aktuelle Umfrage der Region Süddänemark, dass sich die Menschen hierzulande vor allem Sorgen um den Klimawandel und Kriegsgefahren machen. „Nordschleswiger“-Journalist Lorcan Mensing erläutert in seinem Leitartikel, warum die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl im Kontext dieser Themen auch für uns von großer Bedeutung ist.

In den kommenden Wochen werden viele Menschen in Dänemark eine Nachricht in ihrem digitalen Postfach vorfinden: Die dänische Katastrophenschutzbehörde (Beredskabsstyrelsen) fordert sie auf, Vorräte an Lebensmitteln und Medikamenten anzulegen. Dieser Krisenrat richtet sich an 4,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger über 18 Jahren und empfiehlt, Wasser, Lebensmittel und Medikamente für drei Tage vorrätig zu halten, um im Notfall eigenständig überleben zu können. Der Aufruf erfolgt, nachdem die dänische Katastrophenschutzbehörde und Verteidigungsminister Troels Lund Poulsen (Venstre) vor gut zwei Monaten die nationalen Krisenempfehlungen auf dem „Folkemødet“ auf Bornholm vorgestellt haben. Obwohl die Behörden betonen, dass derzeit keine militärische Bedrohung für Dänemark besteht, hebt Laila Reenberg, Direktorin der Katastrophenschutzbehörde, die Notwendigkeit hervor, auf Krisensituationen vorbereitet zu sein. Krisen könnten auch durch extreme Wetterereignisse oder Cyberangriffe ausgelöst werden, so Reenberg.

Dänemark in Sorge: Klimawandel und Kriege

Beim Lesen dieser Empfehlungen zieht sich mir der Magen zusammen – und vielen Menschen in Dänemark geht es offenbar ähnlich, da sie mit wachsender Sorge auf die globalen Entwicklungen blicken. Eine aktuelle Umfrage der Region Süddänemark zeigt, dass der Klimawandel und die Gefahr von Kriegen die größten Ängste in der dänischen Bevölkerung auslösen. Die Umfrage, die im Vorfeld des Klimavolksfestes in Middelfart durchgeführt wurde, zeigt, dass 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Dänemark den Klimawandel als ernsthaftes Problem betrachten. Für 60 Prozent gehört er zu den drängendsten globalen Herausforderungen, nur übertroffen von bewaffneten Konflikten und Kriegen. Diese Besorgnis wird durch die Tatsache verstärkt, dass vier von zehn Befragten angeben, bereits die Folgen des Klimawandels zu spüren, und 80 Prozent glauben, dass zukünftige Generationen negativ betroffen sein werden. 

Das Klimavolksfest, das in dieser Woche mehr als 40.000 Menschen zusammenbringt, ist aber auch ein Ausdruck des wachsenden Engagements. Die Umfrageergebnisse verdeutlichen, dass die Menschen in Dänemark von der Politik mehr Handeln erwarten. Drei von vier Befragten sind der Meinung, dass die Regierung stärker gegen den Klimawandel vorgehen muss. Viele Bürgerinnen und Bürger fordern verstärkte Investitionen in grüne Energien, mehr Unterstützung für Klimaforschung und wirtschaftliche Anreize für umweltfreundliches Verhalten.

Wie die US-Wahl unsere Zukunft beeinflussen könnte

Doch während der Ruf nach mehr Klimaschutz – der Umfrage zufolge – in Dänemark lauter wird, blicken viele besorgt über den Atlantik. Die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA am 5. November hat weitreichende Folgen, die über die amerikanischen Landesgrenzen hinaus von enormer Bedeutung sind.

Die globale Klimapolitik könnte bei einer Wiederwahl Donald Trumps, dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, einen massiven Rückschlag erleiden. Unter der Biden-Administration haben die USA das Pariser Klimaabkommen wieder unterzeichnet und Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ergriffen. Eine Rückkehr Trumps als US-Präsident würde vermutlich bedeuten, dass diese Fortschritte rückgängig gemacht und die globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels erheblich beeinträchtigt würden. Angesichts der Dringlichkeit, mit der die Klimakrise angegangen werden muss, wäre dies nicht nur für die USA, sondern auch für Europa und den Rest der Welt ein schwerwiegender Rückschlag.

Doch nicht nur der gemeinsame Kampf gegen den Klimawandel steht auf dem Spiel. Eine der größten Sorgen in Dänemark und Europa bei einer Wiederwahl von Trump ist die damit verbundene Unsicherheit über die Zukunft der NATO. Während seiner ersten Amtszeit hat Trump wiederholt die Bedeutung des Verteidigungsbündnisses infrage gestellt, die NATO öffentlich als „veraltete Organisation“ bezeichnet und Zweifel geäußert, ob die USA die Beistandsklausel einhalten sollten, nach der ein Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle Mitgliedsländer gewertet wird. Es gibt zahlreiche Berichte, dass Trump in geschlossenen Sitzungen über einen möglichen Austritt der USA aus der Allianz nachgedacht hat. Ein solcher Rückzug würde das Bündnis destabilisieren und könnte Russland ermutigen, seine geopolitischen Ambitionen aggressiver zu verfolgen. Für Europa wäre dies eine gefährliche Entwicklung. Die NATO, die seit Jahrzehnten das Rückgrat der europäischen Sicherheit bildet, könnte erheblich geschwächt werden – mit unvorhersehbaren Folgen für Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent.

Sollte Donald Trump erneut Präsident werden, ist außerdem zu erwarten, dass die US-Hilfszahlungen an die Ukraine erheblich gekürzt oder sogar ganz eingestellt werden. Dies würde Dänemark und andere Länder vor die Herausforderung stellen, diese finanzielle Lücke zu schließen. Trotz einer Erhöhung der europäischen Unterstützung wäre es Medienberichten zufolge dennoch auf absehbare Zeit nahezu unmöglich, den Wegfall der US-Hilfen vollständig auszugleichen.

Trump vs. Hoffnungsträgerin Harris

In dieser angespannten Lage wird Kamala Harris zur Symbolfigur der Hoffnung – nicht nur für die USA, sondern auch für uns in Europa. Nach dem Verzicht von Joe Biden geht Harris als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten in den Kampf um das Weiße Haus. Harris, die sich in der Biden-Administration als starke Befürworterin von Menschenrechten, Gleichberechtigung und Klimaschutz profiliert hat, steht für eine Politik, die auf Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit setzt. Ihre Präsidentschaft würde aller Wahrscheinlichkeit nach sicherstellen, dass die USA ein verlässlicher Partner in der NATO bleiben und sich weiterhin aktiv am Kampf gegen den Klimawandel beteiligen. Für Dänemark und Europa würde dies bedeuten, dass wir auch in den kommenden Jahren auf die Unterstützung der USA zählen können – sowohl in sicherheitspolitischen Fragen als auch bei der Bewältigung globaler Herausforderungen wie der Klimakrise.

Die US-Präsidentschaftswahl ist daher nicht nur ein nationales Ereignis, sondern ein globales – und sie betrifft uns alle. Während die Bürgerinnen und Bürger Dänemarks ihre Sorgen um den Klimawandel und die Bedrohung durch Kriege zunehmend laut aussprechen, sollten wir alle darauf hoffen, dass die US-Wählerinnen und -Wähler in ähnlicher Weise Verantwortung übernehmen und die Dringlichkeit dieser Themen erkennen. Die transatlantischen Beziehungen, die Zukunft Europas, die Stabilität der NATO und der Fortbestand einer engagierten globalen Klimapolitik hängen in hohem Maße davon ab, wer im Januar 2025 ins Weiße Haus einzieht.

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