Kulturkommentar
„Puschkin, Putin und Prokofjew“
Puschkin, Putin und Prokofjew
Puschkin, Putin und Prokofjew
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Auch für die Kultur hat der Krieg in der Ukraine Auswirkungen. Büchereidirektorin Claudia Knauer unterstützt die Maßnahmen gegen das offizielle Russland, warnt aber vor pauschalen Urteilen.
Die dänische Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen hat aus äußerst verständlichen Gründen vor einigen Tagen die staatlichen Kulturinstitutionen dazu aufgefordert, Verbindungen zum offiziellen Russland auf Eis zu legen und private Einrichtungen wurden gebeten, genau zu schauen, mit wem sie zusammenarbeiten.
Dieses Signal an Putins Russland, das die Ukraine überfallen hat, ist richtig und sinnvoll. Genauso sinnvoll ist es, russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler von internationalen Wettkämpfen auszuschließen, um ihnen kein Forum zu bieten, z.B. um das Kriegszeichen „z“ zu zeigen wie jüngst beim Turnen.
Problematisch aber wird es, wenn alle über einen Kamm geschoren werden und im unreflektierten Aktionismus alle mit einem russischen oder russisch klingende Namen vor die Tür gesetzt werden, so geschehen mit Sergei Prokofjews Videoinstallation bei der prestigevollen Frühjahrsausstellung in der Kunsthalle Charlottenborg. Prokofjew ist ein ausgesprochenen Putinkritiker, aber sein Werk wurde entfernt.
Die Berliner Künstlerinnen Natalia und Maria Petschatnikov, die auch die russische Staatsbürgerschaft haben und aktive Putinkritikerinnen sind, bekamen am 1. März eine Absage. Ihre Ausstellung über die Schönheit des Zerbrechlichen, über einen fragilen Alltag mit überdimensionale Objekte aus Pappmaschee, die dänischem Porzellan in Form von Scherben und Bruchstücken nachempfunden sind, darf in Horsens nicht gezeigt werden.
Das ist der verkehrte Weg. So geht es nicht. Der Vorstand des Charlottenborg Fonds hat mittlerweile auf einer außerordentlichen Sitzung beschlossen, das Werk Prokofjevs wieder auszustellen. Kommentare dazu gab es nicht. Eine gute Entscheidung.
Es ist keine gute Idee, Nikolai Rimski-Korsakow aus dem Konzertprogramm zu nehmen, Puschkin aus dem Bücherregal oder russische Gegenwartskünstlerinnen und -künstler, die sich explizit gegen Putin und seinen Wahnsinnskrieg aussprechen, zu bestrafen. Es ist nicht nur keine gute Idee, es ist eine schlechte.
In freien, demokratischen Gesellschaften darf es keine blinde Zensur geben. Die Zusammenarbeit mit offiziellen Institutionen in Russland muss gekappt werden – bis die Verhältnisse wieder bessere werden. Ansonsten muss man sich der Mühe unterziehen, im Einzelfall zu schauen, worum es geht und wer wie agiert. Dann sind Ausstellungen, Konzerte oder Aufführungen sogar ein gutes Forum, um zu zeigen, wie Demokratien mit solchen Herausforderungen umgehen. Wir diskutieren, wir wägen und wir entscheiden erst dann. Die Kulturministerin ist mit Sicherheit falsch verstanden worden, wenn jetzt einfach alles Russische aus dem Programm gestrichen wird. Wir gehen nuanciert vor. Wer Putin huldigt, hat hier nichts zu suchen. Der kann sich dann seinen oder ihren Tolstoi mit dem neuen Titel „Spezialoperation und Frieden“ ins Regal stellen und daran glauben, aber nicht hier in unserer Gesellschaft. Allen anderen müssen wir ein Forum bieten.