Kommentar

„Warum wir mehr Zug fahren sollten, obwohl es anstrengend ist“

Warum wir mehr Zug fahren sollten, obwohl es anstrengend ist

Warum wir mehr Zug fahren sollten, obwohl es anstrengend ist

Nordschleswig
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Für Journalistin Amanda Klara Stephany hat sich eine Fahrt von Hamburg nach Hadersleben zur reinsten Odyssee entwickelt. Zwischen Provinzbahnhöfen und Busfahrten durch Nordschleswig hatten sie und ihr treuer Begleiter, Corgi Theo, reichlich Zeit, darüber nachzudenken, warum sich eine Zug- und Busfahrt dennoch lohnt.

Sonntag, 13 Uhr, Hamburger Hauptbahnhof: Naiv (noch) und jung freue ich mich: Gerade aus dem ICE aus Münster ausgestiegen (pünktlich!), habe ich noch genug Zeit, um mich der wichtigsten Frage des Tages zu widmen: Welches Franzbrötchen darf als Proviant mit? Ich habe noch ein bisschen Zeit, bis der Regionalzug nach Flensburg kommt.

Als jemand, der regelmäßig mit dem Fernverkehr fährt, habe ich seit einiger Zeit eine mentale Mappe für alle Bahnhöfe erstellt, die ich bereits besucht habe. Und das sind viele. Ein Umstieg in die Hansestadt Hamburg ist einer der angenehmeren. Ein veganer Fast-Food-Laden, ein ganz „okay“ sortierter Buchladen, und überall bekommt man Franzbrötchen in den wildesten Ausführungen. Es ist auch der letzte Ort – das sogenannte Tor zum Norden – wenn wir nach Dänemark fahren, wo mein Hund Theo (der mich immer begleitet) und ich uns mit Snacks und Getränken eindecken können. Danach kommt das Niemandsland.

Doch der Zustand der Bahnhöfe ist das eine, die Dauer, die man auf ihnen verbringt, das andere. Für einen (ungewollten) Selbsttest habe ich mal meine Reise vom Hamburger Hauptbahnhof bis nach Hadersleben an einem Sonntag im Dezember rekonstruiert. Und eines ist sicher: Die Reise war lang. So absurd lang, dass ich auch in Hamburg in einen ICE nach München hätte steigen können und fast zeitgleich angekommen wäre. 

Kurz zum Vergleich: Die Strecke Hamburg nach München beträgt etwa 790 Kilometer und die Strecke Hamburg nach Hadersleben etwa 214 Kilometer. 

Insgesamt hat meine Reise von Hamburg nach Hadersleben rund sechs Stunden gedauert. Und drei davon habe ich wartend an Bahnhöfen verbracht, die höchstens einen Snackautomaten zur Verfügung hatten. Doch wo fingen die Probleme mit dem ÖPNV überhaupt an? Die Antwort ist kurz: in Nordschleswig! 

 

„Wann kommt der Zug?“– Warten an den Bahnhöfen in Nordschleswig kann mühsam sein – und langweilig. Foto: Amanda Klara Stephany

Autofreundliches Nordschleswig 

Sonntag, 15 Uhr, irgendwo in Schleswig-Holstein: Regen und graues Wetter – auch „Schietwetter“ genannt, wie ich in meinem ersten Jahr im Norden lernen durfte – zeichnen die sonst so grüne Landschaft, die ich aus dem Fenster beobachte. Der Regionalzug von Hamburg nach Flensburg ist grell beleuchtet und braucht ganze zwei Stunden. Und ist dennoch der angenehmere Part der Reise nach Nordschleswig.  

Von dem Problem mit den Bus- und Bahnverbindungen wurde mir bereits in der Vergangenheit berichtet. In Gesprächen und E-Mails von Leserinnen und Lesern durfte ich mir das Problem anhören. Es am eigenen Leib zu erleben, so drastisch es auch klingen mag, hat mir verdeutlicht: Nordschleswigs Mobilität ist eine Einbahnstraße. Für Autos.

In der Vergangenheit bin ich selbst oft über Woyens (Vojens) nach Hadersleben gefahren, zum letzten Mal im September. Danach habe ich oft den Luxus des Autos genossen und bin erst ab Flensburg in den Zug gestiegen. Kein Dauerzustand und ehrlicherweise etwas umständlich. Doch eine Alternative sind die Zug- und Buspläne nicht wirklich. Und jetzt, mit Umstieg in Pattburg (Padborg) ist auch die EC-Verbindung aus Hamburg nicht wirklich eine Alternative. Zudem müsste ich auch mit dieser an einem Sonntag bis nach Kolding fahren. 

Aber zurück zum besagten Sonntag. Bereits im Regionalzug nach Flensburg durfte ich mich in der journalistischen Königsdisziplin üben: Recherche. Ausgestattet mit allen wichtigen Apps (Deutsche Bahn, Dänische Staatsbahnen, Sydtrafik, Rejseplanen), ging es für mich auf die intensive Suche nach dem schnellsten Weg zurück in die Domstadt. Um es vorwegzunehmen: den gab es nicht. Trotz, erfreulicherweise, keiner Verspätung seitens des deutschen Zugs. 

Wie geht's weiter?

Sonntag, 15.56 Uhr, Flensburger Bahnhof: Ich stürme in den kleinen Laden am Flensburger Bahnhof, der nur bis 16 Uhr geöffnet hat und decke mich mit einem Schokoriegel und einem zuckrigen Getränk ein. Meine Devise: Wenn Wasser mehr als einen Euro kostet, müssen Kalorien enthalten sein. 

Am Flensburger Bahnhof merke ich auch: Meine Möglichkeiten sind begrenzt. Entweder nehme ich einen Zug über Kolding mit Busfahrt durch jegliche Dörfer runter nach Hadersleben, eine Busfahrt über Krusau (Kruså), zwei Stunden Warten in Woyens oder eine wilde Fahrt über Rothenkrug (Rødekro) und Apenrade (Aabenraa). Alle Optionen beinhalteten eine einstündige Wartezeit in Flensburg. Gemeinsam haben alle: Ich komme gegen 19 Uhr in Hadersleben an. 

Theo und ich entscheiden uns dann für die Rothenkrug-Option. Auch weil die Umsteigezeiten nicht allzu knapp waren. Meine Erfahrung: Fünf Minuten Wechsel von Bus zu Bahn in Kolding können knapp werden. Vor allem mit Koffer. 

Ziel in Sicht 

Sonntag, 18.45 Uhr, Irgendwo zwischen Apenrade und Hadersleben: Das Ziel ist nah. Wir sitzen im Schnellbus „X“ in Richtung Domstadt. Theo schläft auf dem Boden zwischen meinen Füßen, und ich beschließe mit dem letzten klaren Gedanken an diesen Abend, dass ich über die Reise-Odyssee schreiben möchte. Nur nicht mehr an diesem Tag. 

Kurzum: Nach längeren Aufenthalten am Bahnhof in Flensburg, Rothenkrug und am Busbahnhof in Apenrade (bei allen empfehle ich ein Buch und eine Flasche – zuckriges – Wasser, sonst wird es unangenehm und langweilig) schaffte ich es irgendwie in die Domstadt. Genervt und erschöpft – und das als jemand, der beinahe täglich in Nordrhein-Westfalen gependelt ist. Auch mein Hund Theo ist Zugfahren gewohnt, doch die Strecke zwischen Flensburg und Hadersleben laugt einen aus. Unvorstellbar, wie solch eine Reise erst mit Kindern oder unter enormen Zeitdruck sein muss. 

 

Der Flensburger Bahnhof – lädt vor allem im Winter nicht zum Verweilen ein. Foto: Amanda Klara Stephany

Busverbindungen sind nicht gegeben

Meine Beobachtung: Das Problem liegt vor allem auch an den Busverbindungen. Sie sind lückenhaft (Flextur zu buchen ist das eine, vor allem wenn man es zwei Stunden vorher tun muss) und nicht angepasst. Erst vor gut zwei Monaten schrieb ich einen Artikel, dass das Verkehrsunternehmen „Sydtrafik“ seinen Fahrplan angepasst hat. Davon war bei meiner Reise im Dezember nichts zu spüren. Egal wo ich hinfuhr, ich musste mit enormen Wartezeiten rechnen. Das macht keinen Spaß – und lässt die Verkehrswende wie einen schlechten Scherz wirken. 

Wer in Nordschleswig Bus und Bahn fährt, braucht Nerven aus Eisenbahn-Stahl. Und vor allem Zeit. Mein Tipp: die ganze Reise vorher einmal durchgehen, flexibel sein und zur Not jemanden mit Auto als Notfall-Kontakt einspeichern. Und aus persönlicher Erfahrung: niemals den letzten Zug nehmen, der an dem Tag fährt. 

Nordschleswig ist schön, aber nicht nachts-auf-einem-Provinzbahnhof-strand-schön. 

 


 

 

Ein Endgegner jedes Reisenden: Verspätungen. Besonders ärgerlich bei Anschlusszügen. Foto: Amanda Klara Stephany

Und trotzdem: Fahrt mehr Zug und Bus!

Und auch wenn dieser Erfahrungsbericht negativ klingen mag, meine Botschaft ist ganz klar: Nutzt den ÖPNV! Benutzt die Züge und den Bus! Und beschwert euch. Vielleicht nicht beim Personal, aber die Unternehmen haben eigentlich immer Feedback-Bögen – oder im digitalen Zeitalter – QR-Codes herumliegen. Oder schreibt eine E-Mail, seid laut. Denn ein funktionierender ÖPNV bedeutet auch Lebensqualität, ist komfortabel, bringt Jung und Alt sicher von A nach B und ist nachhaltig(er). 

 

 

Corgi Theo ist Zugfahren seit Welpenalter gewöhnt – trotzdem ist ein ganzer Tag im Zug anstrengend. Und dennoch unsere erste Wahl. Foto: Amanda Klara Stephany
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