Kulturkommentar

„Wage es nicht! Bücherdiebstahl über die Jahrhunderte“

Wage es nicht! Bücherdiebstahl über die Jahrhunderte

Wage es nicht! Bücherdiebstahl über die Jahrhunderte

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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„Unter dem Aspekt kommen unsere Leserinnen und Leser heute wirklich billig weg“, sagt Büchereidirketorin Claudia Knauer in ihrem Kulturkommentar mit Blick auf die Strafen, die Bücherdiebe vor Jahrhunderten erhalten haben.

Wenn du die Bücher, die du in unseren Büchereien entliehen hast, nicht zurückbringst, dann droht eine Versäumnisgebühr. Und die ist, verglichen mit unseren dänischen Kolleginnen, noch recht zivil: nach 2 Tagen 1. Mahnung, 30 Kronen, nach weiteren 14 Tagen, 2. Mahnung, 60 Kronen, und dann, nach weiteren 14 Tagen, 3. Mahnung, die dich 120 Kronen kostet. Für Kinder und Jugendliche ist es noch billiger.

Das ist nichts gegen die Bücherflüche, mit denen die Menschen vor Jahrhunderten belegt wurden, wenn sie auch nur daran dachten, ein Buch nicht zurückzugeben, es zu beschädigen oder gar zu zerstören.

Bücher wurden (kosteten damals aber auch entschieden mehr) oftmals angekettet – die sogenannten Kettenbücher. Auf das Vorsatzblatt oder die erste beziehungsweise letzte Seite wurde dann noch zur Sicherheit der Bücherfluch, auch Anathema genannt, geschrieben. Die Auswahl der Flüche war groß: Es konnte den Leser der Schlag treffen, die Pest ihn heimsuchen, er sollte qualvolle Schmerzen leiden, sich alle Glieder brechen, von Raben und Schlangen gefressen werden, am Galgen hängen oder vom Teufel geholt werden.

Die Kolleginnen der deutschen Bibliotheken in Südtirol haben das freundlicherweise mal zusammengefasst und auch noch ein paar Bespiele angefügt: „A quo hic mihi rapitur liber, Illum rapiat angelus niger“. Also: Den, von dem mir dieses Buch gestohlen wird, soll der schwarze Engel (also der Teufel) holen. Oder eine wirklich alte Inschrift, als Bücher noch in Tafeln geritzt wurden:
„Wer diese Tafel bricht oder sie ins Wasser legt oder auf ihr herumschabt, bis man sie nicht mehr entziffern kann, den mögen die Götter des Himmels und der Erde mit einem Fluch strafen, der nicht mehr getilgt werden kann, schrecklich und gnadenlos, solange er lebt, und seine Nachkommen sollen vom Land hinweggefegt, und sein Fleisch soll den Hunden zum Fraß vorgeworfen werden! [Bibliotheksinschrift, Assur um 1100 v. Chr.]“

Unter dem Aspekt kommen unsere Leserinnen und Leser heute wirklich billig weg.

Diese Flüche richteten sich übrigens nicht nur an die Leser mit langen oder ungeschickten Fingern, sondern auch an diejenigen, die sich unberechtigterweise des Inhalts bedienten oder ihn verfälschten, also Plagiatoren oder Raubdrucker. In dem Sinne sind die Flüche ein früher Urheberrechtsschutz.

Man könnte darüber nachdenken, diejenigen, die heutzutage Inhalte verfälschen oder mit Ursprungsstimmen und -texten Deepfakes oder andere unwahre Mitteilungen herstellen, mit solchen Flüchen zu belegen. Es gibt allerdings keinen Beweis, wie gut sie damals gewirkt haben. Vielleicht käme es auf einen Versuch an.

 

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