Kulturkommentar

„In einem unbekannten Land - wie überfordernd ein Praktikum sein kann“

In einem unbekannten Land - wie überfordernd ein Praktikum sein kann

In einem unbekannten Land- Überforderung im Praktikum

Alena Rosenberg Praktikantin
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

„Nach Dänemark zu fahren, ist ja keine Weltreise. So schwer kann das ja nicht sein!“ Mit diesem Gedanken habe ich meinen Koffer gepackt. Ich werde mit dem Zug nach Dänemark fahren, das war von Anfang an klar. Immerhin habe ich keinen Führerschein, also bleibt mir ja nichts anderes übrig. Was genau mich erwarten würde, konnte ich da noch nicht ahnen.

Meine Reise

Anfang Juni hat mein dreimonatiges Praktikum beim Nordschleswiger begonnen. Voller Vorfreude habe ich mich darauf vorbereitet und die Anreise geplant. Doch dann: dann stand ich an jenem Montag mit einem riesigen 50-Liter-Rucksack und dem größten Koffer, den ich zu Hause finden konnte, am Bahnhof und musste feststellen: Das wird ne harte Nummer. 

Der Klopper von Koffer hatte ein Gewicht, mit dem ich am Flughafen meine Niere verkaufen müsste, um das Übergewicht bezahlen zu können. Das Ding während der Reise in der Gepäckablage verstauen? Fehlanzeige! Gut, dann haben meine Mitreisenden eben Pech gehabt, ich bin nun mal kein Hulk, dachte ich mir. Dieses Mantra hat auch erstaunlich gut funktioniert, bis auf die Tatsache, dass der Koffer vor lauter Gewicht nicht geradeaus rollen konnte und ich nach einer halben Stunde Muskelkater in den Armen vom Koffer Stabilisieren hatte. 

Meine Reiseroute sah insgesamt so aus: Um 7 Uhr morgens von Brandenburg nach Berlin. Berlin – Hamburg. Hamburg – Pattburg (Padborg). Von dort nach Rothenkrug (Rødekro) und von da mit dem Bus nach Apenrade. Bereits morgens wusste ich, dass ich mir für den Bus ein extra Ticket kaufen muss. Allerdings ging ich davon aus, dass ich am Bahnhof einen Infoschalter finde und nachfragen kann. In der Redaktion wurde ich für diesen Gedanken ausgelacht (Danke Gwyn Nissen an dieser Stelle 😉). Weit und breit keine Info in Sicht. Was mache ich jetzt? Ein Ticket über die App kaufen? Sehr lustig, ich habe keine Kreditkarte. Der Busfahrer nimmt nur Kronen. Da stand ich nun verzweifelt am Bahnhof, ohne Kreditkarte und nicht eine einzige Krone in der Tasche. Glücklicherweise hat mir ein deutschsprachiger Mitreisender geholfen und mir seine Karte geliehen. Nochmals Danke an Unbekannt. Das erste Drama war aus der Welt geschafft. 

Die Ankunft

Um 14 Uhr hatte ich endlich Apenrade erreicht. „So viel zu einer leichten Anreise“ dachte ich mir. Ein anderer Praktikant der Redaktion holte mich ab und zeigte mir erst einmal die Redaktion. Völlig unvorbereitet stolperte ich mit meinem Gepäck durch die Tür. Obwohl der Empfang sehr herzlich war, prasselten so viele Namen, Willkommensgrüße und Smalltalks auf mich ein. Dazu kam, dass ich von der Reise total platt war und am liebsten schlafen gegangen wäre. 

Ich war direkt voll fokussiert darauf, alles Gesagte aufzusaugen. Gegen 16 Uhr wurde ich in die WG gefahren, in der ich nun drei Monate leben würde. Auch meine Mitbewohnerinnen haben mich sehr herzlich aufgenommen und direkt in ein Kennlerngespräch verwickelt. Nachdem sie mir die WG gezeigt hatten, ließen sie mich allein, damit ich meine Sachen auspacken kann. Als ich das erste Mal auf dem Bett saß und meinen Koffer anschaute, fiel mir auf, wie kaputt ich eigentlich bin. Zu dem Zeitpunkt musste ich organisieren, wie ich das Zimmer mit den wenigen Sachen einrichte, ich wollte einkaufen gehen, damit ich etwas Eigenes im Kühlschrank habe, alle meine Freunde und Verwandten fragten mich, ob ich gut gelandet sei (dazu angemerkt: Ich hatte nicht mal Zeit, um mich bei meinen Eltern zu melden, sie hatten sich da schon Sorgen um mich gemacht), und ich wusste, dass ich noch meine Homeoffice-Arbeiten für meinen Job in Deutschland erledigen musste. Das war so unglaublich viel und ich saß da und starrte nur blöd den Koffer an. „Hoch mit dem Hintern!“, schrie mein Gehirn, aber der Körper gehorchte nicht. Noch nie in meinem Leben war ich so überfordert gewesen, nicht mal zum Studienbeginn. Nach einer kurzen Pause und einem Anruf bei Mama ging es wieder. Ich habe dann noch alle meine Aufgaben erledigt und bin todmüde ins Bett gefallen. 

Die erste Woche

Ich schreibe diesen Kommentar am Freitag nach meiner Anreise. Mittlerweile bin ich ein bisschen angekommen und habe mich in das WG-Leben eingefunden. Und trotzdem geht der Abend nach der Arbeit zu schnell um. Ich wollte doch duschen gehen, kochen, aufräumen, ich muss noch meine allabendliche Arbeit für Deutschland machen und lesen wollte ich auch noch. Während des Praktikums arbeite ich weiterhin für ein kleines Online-Newsportal in Deutschland und stelle die Artikel ein, die am nächsten Tag online gehen sollen. Eine Struktur im Alltag habe ich noch nicht gefunden, bin weiterhin erschlagen von den ganzen kleinen und großen Aufgaben, die Dänemark für mich bereithält. Immer kommt etwas Neues dazu. Zum Beispiel die Apple-Geräte in der Redaktion, die ich noch nie bedient habe oder der Weg mit dem Fahrrad durch die Stadt, bei dem ich mich jedes Mal verfahre.

Das wirkt sich auf meine Arbeit aus: in der Redaktion habe ich Fehler gemacht, die mir seit dem ersten Semester nicht mehr passiert sind. So müssen indirekte Zitate im Konjunktiv geschrieben werden, was ich eigentlich weiß und hier trotzdem falsch gemacht habe. Aber auch ganz alltägliches wie Kommasetzung ist mir nicht gelungen. Bei meiner Arbeit in Deutschland überlese ich jeden Abend Wörter, die ich hätte umformulieren müssen oder vergesse die Quelle anzugeben. Jeden Abend kriege ich Rüffel von meiner Chefin, die verwirrt ist, weil ich auf einmal scheinbar alles Wissen aus zwei Monaten Arbeitserfahrungen vergessen habe. 

Die Überforderung

Von außen wirkt es nicht, als würde ich viel machen und ich sehe mich auch nicht im Recht, mich über mein Arbeitspensum zu beschweren. Die Redaktion lässt mich sehr frei arbeiten und abends sitze ich durchschnittlich nur noch anderthalb Stunden an meiner Arbeit. Und trotzdem kann ein Mensch in einem derartig neuen Umfeld überfordert sein. Und das ist vollkommen normal! Niemand meistert einen „Umzug“ und ein neues Arbeitsverhältnis inklusive einer fremden Sprache ohne Probleme. Und es ist absolut in Ordnung, wenn man überfordert ist. Man muss sich nur Folgendes bewusst machen: Reden hilft. Eine lange Nachricht oder ein Anruf bei den Eltern oder der besten Freundin kann viel bewirken. Außerdem muss man sich auf Arbeit eingestehen, dass man weniger Aufgaben übernehmen kann und, am wichtigsten: Was du heute kannst besorgen, das verschieb getrost auf morgen. Es ist wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Wenn ich abends noch aufräumen müsste, aber mein Körper Ruhe braucht, dann schnappe ich mir meine Schoki und lese einfach ein Stündchen, was unglaublich beruhigend ist. Das kann oft Wunder wirken.

Mehr lesen

Kommentar

Jakob Münz
Jakob Münz Praktikant
„Das ist also der Deutsche Tag“